Viel Potenzial21 Flächen wären in Bornheim für Windräder geeignet

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Windrad

Symbolbild

Bornheim – „Es gibt drei Großthemen: die Rheinspange, die Windkraft und die Klimaneutralität.“ So hatte Bürgermeister Christoph Becker im Februar gegenüber der Rundschau die politischen Schwerpunkte für Bornheim beschrieben. „Ohne Windkraft werden wir kein klimaneutrales Bornheim basteln“, unterstreicht Dr. Wolfgang Paulus, Leiter des Umwelt- und Grünflächenamtes. Das macht deutlich, welchen Stellenwert die Entscheidung hat, wo im Stadtgebiet die zukünftige Konzentrationszone für die Windkraft ausgewiesen wird. 21 sogenannte Potenzialflächen haben die Gutachter von ISU Immissionsschutz, Städtebau, Umweltplanung aus Bitburg im Stadtgebiet ausgemacht und vier davon mit gut bis sehr gut benotet.

„Runderneuerung“ des Teilplanes Windenergie

Ein Dutzend Flächen liegen in der Rheinebene zwischen Sechtem und Bornheim, neun auf dem Ville-Rücken. Der Stadtentwicklungs- und der Umweltausschuss beschäftigen sich am Donnerstag damit.

Windräder am Villehang – von bis zu 14 Anlagen war 2019 die Rede. Auch diese Flächen wurden untersucht.

Windräder am Villehang – von bis zu 14 Anlagen war 2019 die Rede. Auch diese Flächen wurden untersucht.

Nötig wird die „Runderneuerung“ des Teilplanes Windenergie, weil der derzeit gültige Flächennutzungsplan (FNP) der Stadt Bornheim aus dem Jahre 2011 heute nicht mehr rechtssicher ist. Dies auch, weil der Plan zum Beispiel Landschaftsschutzgebiete als Standorte für Windräder komplett ausgenommen hatte; heute gilt der Landschaftsschutz nur als weiches Ausschlusskriterium. Aus heutiger Sicht fehlte seinerzeit eine Gesamtschau möglicher Windkraft-Flächen im Stadtgebiet, die gibt es jetzt. Wichtig ist der Kommune aber, zu regulieren, wo welche Windkraftanlagen gebaut werden, um die viel zitierte Verspargelung zu vermeiden. Spätestens seit „Projektierer“, wie Wolfgang Paulus einige Energiefirmen nennt, Interesse an Flächen auf der Ville gezeigt und sich dort Grundstücke gesichert haben, ist Hab-Acht-Stellung angesagt. Denn eine Zeitlang ließen sich Bauanträge zurückstellen, aber es bestehe die Möglichkeit zur Klage. „Es besteht also ein gewisser Zeitdruck“, unterstreicht Wolfgang Paulus.

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Zwei Flächen liegen auf der Ville

Von den vier mit gut bis sehr gut benoteten Arealen befinden sich drei im Bornheimer Norden, eine im Südwesten. Innerhalb der Potenzialflächen vier und sechs liegt auch die aktuelle Konzentrationszone, also zwischen Wesseling und Sechtem. Die beiden anderen Flächen liegen auf der Ville – dort, wo die Bornheimer Politik eigentlich keine Windräder sehen möchte. „Aber weil man es nicht will, heißt das nicht, dass man es nicht vielleicht muss“, wendet Paulus ein, schließlich müsse man der Windenergie substanziell Raum verschaffen. Denn zum Beispiel mit Photovoltaikanlagen allein sei die klimaneutrale Stadt nicht hinzubekommen: Die Leistung aller in Bornheim aktuell arbeitenden Solaranlagen betrage elf Megawatt, so viel wie die von gerade mal zwei Windrädern. Dabei sei die Frage, ob die Flächen im Rheintal ausreichen, so Paulus. Eine Standortwahl, die sicher nicht konfliktfrei wäre, zumal es die Befürchtung gibt, durch die Hintertür wäre die Windkraft eine Zugangsmöglichkeit für Kiesabbauunternehmen. Die interessieren sich offenbar immer noch stark für den hochreinen weißen Zierkies. „Man kann mit Fug und Recht sagen, Windkraft möchte ich dort oben nicht“, so Paulus, aber schließlich seien Windräder und 180 Lastwagenfahrten für den Kies nicht vergleichbar. Das sind zwei Paar Schuhe.“ Der Amtsleiter gibt auch zu bedenken: „Wenn wir im Rheintal Windräder bauen, dann schauen 40 000 Menschen darauf. Wenn wir auf der Ville bauen, dann sehen das die Bewohner der Höhenorte.“

Die vier Besten

3 Diese Nummer trägt die erste der vier mit gut bis sehr gut geeignet eingestuften Potenzialflächen. Sie umfasst 28,5 Hektar Ackerfläche im Norden der Stadt Bornheim und wird im Westen von einem Naturschutzgebiet und im Nordosten von der Bahnstrecke begrenzt; die Potenzialflächen 4 und 6 schließen sich an.

4 78,9 Hektar, ebenfalls im Norden der Stadt; die bestehende Konzentrationszone liegt in diesem Bereich. Hohes Konfliktpotenzial im Artenschutz.

6 37,9 Hektar im Norden der Stadt; die bisherige „Konzentrationsfläche Windenergie“.

17 78,6 Hektar im Südwesten der Stadt; grenzt an zwei weitere Potenzialflächen, daher gut bis sehr gut geeignet.

Alle 21 Potenzialflächen sind online anzuschauen unter www.bornheim.de (jr)

Für Anna Peters, die Vorsitzende der Bornheimer SPD, bietet die Potenzialflächenanalyse „eine optimale Grundlage, um nach objektiven Kriterien die besten Standorte für Windenergieanlagen im Stadtgebiet zu ermitteln“, schreibt sie in einer Pressemitteilung. „Als SPD werden wir uns dafür einsetzen, dass die Belange der Bürger und Bürgerinnen auch Berücksichtigung finden. Dazu gehört neben der Standortfrage auch die Möglichkeit, Bürgerwindräder zu bauen.“ Die SPD Bornheim stehe klar hinter der Förderung Erneuerbarer Energien, insbesondere die Windenergie sei ist ein wichtiger Baustein in puncto Klimaschutz“, ergänzt der SPD-Fraktionsvorsitzende Wilfried Hanft. Da werde auch Bornheim seinen Teil leisten müssen. „Nicht nur unser Bekenntnis zum Klimaschutz und zur Energiewende begründet die Notwendigkeit, Windenergieanlagen im Bornheimer Stadtgebiet zu ermöglichen. Wir sind sogar gesetzlich dazu verpflichtet, dem Bau der Anlagen auf geeigneten Flächen zuzustimmen, sofern dem keine öffentlichen Belange entgegenstehen. Verschiedene Unternehmen haben der Stadt bereits ihr Interesse an der Errichtung bekundet. Die Windenergie wird auch in Bornheim ausgebaut werden, das ist sicher“, kommentiert Hanft. „Im Rat haben wir aber die Möglichkeit, zu entscheiden, an welchen Standorten die Windenergieanlagen umgesetzt werden. Diese Chance müssen wir nutzen, damit es nicht zu einem Wildwuchs im gesamten Stadtgebiet kommt.“

Der Umweltausschuss soll am Donnerstag möglichst beschließen, alle Potenzialflächen in die Offenlage zu schicken, das heißt, dass die Öffentlichkeit und Vertreter öffentlicher Belange sich binnen sechs Wochen dazu äußern können. Einbezogen wurde auch gleich das Bundesamt für Flugaufsicht, weil das Drehfunkfeuer des Köln-Bonner Flughafens nicht gestört werden darf. Am 11. Mai ist der Teilflächennutzungsplan Windenergie ein Tagesordnungspunkt der Ratssitzung.

Ausschuss gemeinsamen Sitzung Stadtentwicklungs- und des Umweltausschuss, Donnerstag, 15. April, 18 Uhr, Rheinhalle Hersel, Rheinstraße 201.Stadtrat, Dienstag, 11. Mai, 18 Uhr, Rheinhalle Hersel.

Historie der Windkraft in Bornheim

Ende 2018 schreckte die Neuigkeit, dass sich mehrere Investoren für Grundstücke auf der Ville interessieren, um dort Windräder zu bauen, ganz Bornheim auf. Verschiedene Zahlen kursierten; im Umweltausschuss war von fünf bis sieben Anlagen die Rede, dazwischen Freiflächen von einem Kilometer. Der damalige Bürgermeister Wolfgang Henseler hatte „schon Pläne mit 14 Anlagen gesehen“. Gerüchteweise im Umlauf waren sogar schon 19 und 22 solcher Energieanlagen. Was sich die Bürger offenbar wünschen, wurde bei einem Statement von Manfred Quadt-Herte (Grüne) im Stadtrat ganz deutlich: „Wir wollen die Anlagen dort oben nicht sehen!“ Dafür gab es Applaus im Ratssaal. Diese Haltung hat sich bis heute nicht geändert.

Wie es überhaupt dazu kam, dass sich neue Investoren für den Windkraft-Standort Bornheim interessierten und Bürgergespräche führten? Als die Auricher Firma Enercon, die sich schon seit mehr als zehn Jahren in Bornheim engagiert, ihren Bauantrag für ursprünglich sechs Windräder in der Konzentrationszone bei Sechtem zurückgezogen hatte, traten andere Interessenten auf den Plan. Enercon strich die Segel, weil es nach einer Intervention des Bundesamtes für Flugsicherheit nur noch möglich war, drei statt sechs 150 Meter hohe Windräder zu bauen – für Enercon war das ein unwirtschaftliches Projekt. Gegen Ende 2018 waren daher noch weitere Firmen in Bornheim aktiv geworden. Wie Amtsleiter Dr. Wolfgang Paulus seinerzeit erklärte, sei der erste Schritt einer jeden Projektierungsgesellschaft, sich Grundstücke zu sichern. Denn Windkraftanlagen gelten im Außenbereich als privilegiert; will man keinen Wildwuchs im Stadtgebiet, muss man sie über sogenannte Konzentrationszonen ordnen.

Anfang 2019 war klar, dass die rechtliche Situation rund um die bestehende Konzentrationszone fachlich bewertet werden muss. Die Gutachter kamen zu dem Schluss, dass die Ausweisung nicht mehr rechtssicher ist, das heißt, die Zone hat keine Ausschlusswirkung gegenüber anderen Flächen, die für Windräder genutzt werden könnten. Das wäre dann die oft zitierte „Verspargelung“. Um den Wildwuchs im Stadtgebiet zu verhindern, wird jetzt dieser Teilbereich des Flächennutzungsplans aktualisiert und fortgeschrieben. (jr)

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