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AltstadtbegehungWas in Meckenheim punkten kann – und was nicht

Lesezeit 5 Minuten
Mobilitätstour durch die Meckenheimer Altstadt mit Mobilitätsmanagerin Liena Humke, Planern und Bürgern.

Die Aufenthaltsqualität am umgestalteten Kirchplatz wurde sehr gelobt.

Zur Altstadtbegehung in Meckenheim im Rahmen des neuen Mobilitätskonzeptes hatten Stadt und Verkehrsexperten eingeladen. Einen Bürgerworkshop und eine Online-Befragung gab es bereits.

Hervorragende Aufenthaltsqualität am umgebauten Kirchplatz in Meckenheim einerseits, fehlende Barrierefreiheit von Geschäften und Stolperfallen an der Klosterstraße andererseits – das sind zwei der Ergebnisse einer Altstadtbegehung, zu der die städtische Mobilitätsmanagerin Liena Humke eingeladen hatte. Die während der Tour mit den Bürgern erarbeiteten Verbesserungsvorschläge sollen in das neue Mobilitätskonzept einfließen, das gerade von Experten erarbeitet wird.

Die zwei Kilometer lange Strecke führte die Teilnehmer etwa zwei Stunden lang über Bahnhof- und Hauptstraße, Glockengasse und Klosterstraße. Mit dabei waren Kommunalpolitiker, Vertreter von Stadtverwaltung, Polizei und Ordnungsamt, Anwohner sowie Verkehrsexperten der Planungsbüros und Vize-Bürgermeisterin Ariane Stech. Die Bürger waren zu Fuß unterwegs, im Rollstuhl, mit Kinderwagen und im E-Scooter. Untersucht wurden die Aspekte Sicherheit, Barrierefreiheit und Wegebeziehungen im Meckenheimer Stadtgebiet.

Kathrin Krienke vom Planungsbüro Isaplan aus Leverkusen forderte dazu auf, zusätzlich auf Fahrräder und Autos zu achten und eigene Erfahrung aus diesen Bereichen einzubeziehen: „Wichtig ist das Zusammenspiel der Verkehre.“ Während der Tour wurde deutlich, dass ältere Menschen, Personen mit Einschränkungen und besonderen Bedürfnissen sowie Eltern mit Kindern den Straßenraum anders wahrnehmen als Fußgänger ohne Einschränkungen, Autofahrer und Radfahrer.

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„Einer der Hotspots“

Bahnhofsumfeld: Start war am Bahnhof, den Planerin Krienke als einen der Hotspots im Stadtgebiet bezeichnete. Der Grund: Zum Bahnhofsumfeld, wo mehrere Fortbewegungsarten aufeinandertreffen, hatte es bei der Bürgerbefragung mit dem  Online-Tool „Wegedetektiv“ stattliche 153 Reaktionen gegeben, nur die Hauptstraße hatte mit 193 mehr. Tenor: Der Bahnhof sei im Grunde nur dann barrierefrei, wenn der Aufzug funktioniere, was nicht immer der Fall sei. Die Wartung der Aufzüge falle in den Zuständigkeitsbereich der Bahn, informierten die Planer. Sobald die Haushaltslage es zulasse, werde der Busbahnhof barrierefrei ausgebaut, so Liena Humke. Die Kreuzung am Bahnhof sei unübersichtlich, die Orientierung schwierig, die Grünphase an der Ampel ist für Kinder und Menschen mit Rollatoren oder Rollstühlen zu kurz, um über die Rheinbacher Landstraße zu kommen. Größere Gruppen benötigen mindestens zwei Ampelphasen, um die Straße zu queren. An der verkehrsreichen Straße sei der Verkehr so geräuschvoll, dass die Lautsignale der Ampeln kaum zu hören seien. Ein Kreisverkehr sei an dieser Stelle aber nicht möglich, sagte David Philipps vom VIA Planungsbüro, die Vorgabe laute maximal 10 000 Autos. Über die Rheinbacher Landstraße fahren jedoch täglich fast doppelt so viele. Über die bereits seit Jahren geplante Umgehungsstraße ließe sich der Verkehr umleiten.

Bahnhofstraße: Auf der „Achse in die Innenstadt“ sind täglich auch viele Pendler unterwegs. An Aus- und Einfahrten, aber auch auf geraden Strecken ist der oft abgeschrägte Fußgängerweg gefährlich für Rollstuhlfahrer und auch mit einem Kinderwagen „müsse man gegenhalten“, stellten die Bürger fest. „Mit dem Scooter bin ich zwar beweglich, aber bei Bordsteinkanten und Schrägen besteht Gefahr, umzukippen“, sagte Reinhold Prystawik. Bei viel Verkehr sei es hier keine Freude, den Fahrradstreifen zu benutzen, bestätigten die Radler, der Mindestabstand von 1,5 Metern beim Überholen werde oft nicht eingehalten.

Niedertorkreisel: Rollator- und Rollstuhlfahrer können am Kreisel die abgesenkten Querungen leicht und gefahrlos passieren, für Blinde und Sehbehinderte wiederum gibt es auf jeder Seite eine mit dem Langstock gut ertastbare Kante, so die Bilanz.

Gut ausgebaute Gehwege

Hauptstraße und Kirchplatz: Gut ausgebaute, breite Gehwege mit ebener Oberfläche ermöglichen problemloses Fortkommen auch im Rollstuhl und mit Kinderwagen, die Übergänge von Gehweg und Straße sind fließend und werden statt von Bordsteinen durch einen Hell-Dunkel-Kontrast des Pflasters angezeigt. „Die Hauptstraße ist durchgängig eben, das ist praktisch“, stellte Miriam Böckmann fest. Der am Kirchplatz aufgestellte Geschwindigkeitsmesser zur Kontrolle des vorgeschriebenen Tempolimits wurde positiv hervorgehoben. Wird Tempo 20 überschritten, lächelt das Smiley-Symbol nicht mehr, sondern schaut böse. Der mahnende Hinweis sei hilfreich, fand Vize-Bürgermeisterin Stech. Die Aufenthaltsqualität des umgebauten Kirchplatzes, der „hell, offen und freundlich“ wirke, bekam ein „sehr gut“. Ein besonders lebhafter Treffpunkt für Jung und Alt sei die Brunnenanlage mit den Fontänen, die an warmen Tagen von Kindern als Wasserspielplatz genutzt wird. Jugendliche und Erwachsene genossen auch am Tag der Begehung das aufgewertete Altstadtambiente von den Bänken und Treppenstufen aus, wie zu beobachten war.

Noch mehr Verkehrsberuhigung

Heribert Brauckmann: „Das ist ein schöner Platz, der gut angenommen wird.“ Durch den Umbau mit Sitzgelegenheiten, Grün und Wasserspielen habe die Stadt ein gutes Beispiel gesetzt, bekräftigte Planer David Philipps. Negativ fand die Gruppe mangelnde Barrierefreiheit vieler Geschäfte, an deren Eingang eine Rampe zur Überwindung der Stufen entweder komplett fehle oder zu steil sei. Wichtig sei der Erhalt der Toiletten in der Altstadt. Ein behindertengerechtes WC sollte unbedingt bleiben, so die Meckenheimerin Sonia Reniers. Anwohner der Hauptstraße wünschen sich noch mehr Verkehrsberuhigung, auch eine Umwandlung zur Fußgängerzone wurde angesprochen. Laut der Experten fahren zwischen Ober- und Niedertorkreisel in Spitzenzeiten stündlich maximal 400 Autos – in Theorie nicht zu viel, aber subjektiv gesehen wird es als Belastung wahrgenommen. Theoretisch möglich ist laut Planer Philipps die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereiches, in dem Fahrzeuge Schrittgeschwindigkeit fahren müssen, das sind etwa vier bis sieben Stundenkilometer. Zurzeit ist die Hauptstraße als „shared space“ konzipiert, also als Raum, der von allen Verkehrsteilnehmern gleichberechtigt genutzt wird.

Klosterstraße, Glockengasse: An der Kreuzung Glockengasse und Klosterstraße kommen viele Verkehrsteilnehmer zusammen. Darum sollten die Ampeln aus Sicherheitsgründen bleiben, da sie den Verkehr verlangsamen und Kindergartenkindern und Senioren sicheres Queren ermöglichen. Diskutiert wurde der schlechte Zustand der abschüssigen Straße und in Höhe des Marktplatzes erneut das Thema Flächengerechtigkeit: Die Verkehrsteilnehmer zeigten sich überfordert von den zahlreichen Angebotsstreifen auf engem Raum, gefährlich seien die auf der Straße aufgemalten Radwege: „Markierungen auf der Straße machen noch keinen Radweg.“ Planerin Krienke schlug ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern vor: „Wenn sich der Raum nicht vergrößern lässt, sollte jeder langsam fahren.“ Zu überdenken sei das Parken am Straßenrand. Ein Rahmenplan des neuen Mobilitätskonzeptes für Meckenheim soll im Herbst bei einer zweiten Bürgerwerkstatt vorgestellt werden.

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