Bürgergespräch in Altendorf-ErsdorfSimulierter Starkregen fließt wie in der Katastrophennacht

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In der Mehrzweckhalle des Doppelorts Altendorf-Ersdorf hörten Bürger - viele von ihnen Betroffene der Flutkatastrophe - Daniel Bittner vom Erftverband zu.

Den Zusammenhang von Wasserständen, Simulation und privater Vorsorge erläuterte auch Daniel Bittner vom Erftverband

Eine Karte als Modellrechner für Starkregen in Meckenheim mit entsprechenden Wasserständen und Fließwegen ist online. Beim Bürgergespräch in Altendorf-Ersdorf gab es Tipps, wie jeder daraus Gegenmaßnahmen ableiten kann.

Die Sandsäcke liegen griffbereit im Garten. Eine Situation wie in der Flutnacht 2021 wollen die Anwohner des Altendorfer Baches nicht mehr erleben. Im vergangenen Sommer, bei einem erneuten heftigen Regen, hatten die Säcke ganz schnell zu einer Barriere aufgestapelt werden müssen, weil wieder Gefahr angekündigt war.

Es gibt keinen Gully bei uns auf der Straße
Einwohner aus Altendorf-Ersdorf beim Bürgergespräch der Stadt Meckenheim

Selbst bei einem „ganz normalen Regen“ werde das Wasser gegen die am Bach gelegenen Häuser gedrückt oder laufe in die Garagen hinein. „Es gibt keinen Gully bei uns auf der Straße“, klagten Einwohner, beim Bürgergespräch in Altendorf-Ersdorf. Die Straße sei anderthalb Jahre nach der Flut immer noch defekt. Dies sei „unzumutbar, besonders für Senioren“. Ein Nachbar habe sich inzwischen einen mobilen Hochwasserschutz angeschafft.

Fragen nach dem Ablauf von Oberflächenwasser, der Sinnhaftigkeit der zwischenzeitlich im Bach eingesetzten Rechen zum Auffangen von Treibgut als Hochwasserschutzmaßnahme, zur Gewässerpflege und zu künftigen Planungen stellten rund 50 Bewohner von Altendorf und Ersdorf beim Bürgergespräch der Stadt. Einige von ihnen sind 2021 schwer von der Flut betroffen worden.

Die Verwaltung hatte in die Mehrzweckhalle des Doppelortes eingeladen. Vertreter des Erftverbands sowie des Wiederaufbauteams des Kreises waren dabei. Letztere boten erneut Beratung zu Wiederaufbauhilfen an: „Wir kommen auch zu Ihnen!“

Starkregenmodelle zur Benutzung online

Im Fokus stand die Vorstellung eines detaillierten und hochaufgelösten 2D-Starkregenmodell für das Meckenheimer Stadtgebiet. Oliver Buchholz, geschäftsführenden Gesellschafter der Firma Hydrotec, erläuterte es. Die Karte ist nun ohne Passwort online, so dass Bürger weitere Anregungen einreichen können. Mit ihr lassen sich Wasserstände und überflutete Flächen zu verschiedenen Starkregenereignissen sichtbar machen.

Die Simulationen zeigen zudem die Fließwege und die jeweilige Tiefe des angestauten Wassers. „Sie können sehen, wie Bäche langsam breiter werden und sich Wasser im Gelände sammelt, aber auch, wie es abfließt“, so Buchholz. Eingetragene Wasserstände gäben Aufschluss zu möglichen Gefahrenzonen. Er führte vor, wie die Autobahn 61 –wie ein Staudamm, nur ungewollt – Wasser sammelt. Die Anwesenden zeigten sich interessiert, mit der Starkregenkarte ihre individuelle Gefahrenlage einzuschätzen und so private Vorsorge treffen zu können.

Empfohlen wird etwa Dachbegrünung, weil die Wasser zurückhält, oder ein baulicher Schutz am Kellereingang. Auch Lichtschächte und Tiefgarageneinfahrten sollten geschützt werden. Fließwege, wie sie die Karte zeigt, sollten frei gehalten werden. Es sei immer wichtig, sich der Gefahren der Gegend bewusst zu sein, in der man wohne, „sei es eine Gegend rund um einen Vulkan oder um einen Bach oder Fluss“, bekräftigte Daniel Bittner, Teamleiter für Hydrologisches Modellwesen und Hochwasserschutzkonzepte im Erftverband.

Überflutungsgebiete sollten nicht bebaut werden
Daniel Bittner, Teamleiter für Hydrologisches Modellwesen und Hochwasserschutzkonzepte im Erftverband

Der Wasserwirtschaftsverband koordiniert zurzeit ein interkommunales Hochwasserschutzkonzept „von der Quelle bis zur Mündung“ inklusive der Öffentlichkeitsarbeit. Zum Wiederaufbau bedürfe es eines Konzeptes für alle Kommunen mit „Maßnahmen zwischen den Ortschaften“, so Bittner. Fest stehe: „Überflutungsgebiete sollten nicht bebaut werden.“

50 Standorte für mögliche Rückhaltebecken betrachtet

Etwa 50 Standorte für Regenrückhaltebecken seien betrachtet worden. „Wir müssen gucken, wo Maßnahmen notwendig sind“, sagte der Ingenieur und versicherte, dass sowohl der Altendorfer als auch der Ersdorfer Bach in diese Betrachtungen einbezogen würden. Eine Umsetzung brauche allerdings Zeit, betonte Bittner, ebenso Bürgermeister Holger Jung: „Dauert es fünf Jahre, ist das schnell.“

Auf Wunsch von Bürgern simulierte Buchholz einen Starkregen mit Auswirkung auf Bachstraße, Ober- und Unterdorfstraße sowie die Straße „Roßkamp“, die 2021 in der Katastrophennacht nach kurzer Zeit überflutet waren. Auch im Modell wurde aus dem Bächlein ein reißender Strom. Im Juli 2021 riss er Straßen und Wege auf und staute sich an Durchlässen. „Bei uns am Haus konnte man surfen“, erinnerte sich ein Anwohner des Roßkamp, der darüber immer noch erstaunt schien.

Etliche Bürger sitzen in einer Halle und hören Ausführungen zu Starkregen und Folgen zu.

Kritisch befassten sich Teilnehmer des Bürgergesprächs mit den Informationen zu Starkregen.

Holger Jung forderte dazu auf, weitere Hinweise zu geben, wo sich Wasser im Ort staut. „Wir sind hier, um nach vorne zu schauen und zu sehen, was wir in Zukunft besser machen können.“ Ein Vorteil des Modells sei es, dass sich Gegenmaßnahmen in ihrer Auswirkung damit testen ließen. Meckenheims Technischer Beigeordneter Heinz-Peter Witt wies auf die Gewässerunterhaltungspläne der Stadt Meckenheim hin, die auch für die Bachläufe im Doppelort gelten: „Wir müssen schauen, welche Maßnahmen aufgenommen und umgesetzt werden.“

Zwei präventive Maßnahmen zum Hochwasserschutz in der Meckenheimer Altstadt seien der bereits seit Jahren geplante Damm sowie ein Entlastungskanal in der Bonner Straße. Der Ingenieur wies darauf hin, dass in der Unterdorfstraße bereits ein neuer Bachkanal eingebaut worden sei. Für die Oberdorfstraße sei geplant, den Querschnitt um Zweidrittel zu vergrößern: „Das wird die Sache verbessern, aber solch einen Regenfall wie im vergangenen Jahr wird er auch nicht aufnehmen können.“ Vor weiteren Vergrößerungen riet der Fachmann ab.

Weitere Eingaben werden ausgewertet und übertragen

Der Ersdorfer Ortsvorsteher Ferdi Koll dazu: „Der Bachkanal in der Oberdorfstraße ist leistungsfähiger.“ Sämtliche betroffenen Akteure aus der Bürgerschaft, aus allen Verwaltungsbereichen, Land- und Forstwirtschaft, Wirtschaft und Gewerbe, Politik, Feuerwehr, Polizei und Hilfsorganisationen sowie Infrastrukturträger können sich seit der Veröffentlichung der Karte wieder mit Kommentaren online einbringen. Die Eingaben der Bürger werden von der Firma Hydrotec gesammelt, geprüft und ausgewertet. In den kommenden Wochen soll ein Maßnahmenkatalog zum Starkregenmanagement erstellt werden, der nach Prioritäten abgearbeitet werden kann, kündigte Jung an: „Das ist ein Handlungsprogramm für die nächsten Jahrzehnte.“ Die interaktive Starkregenkarte mit der Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen, steht auch auf der Internetseite der Stadt Meckenheim. Die Hochwasserschutzkooperation Erft mit dem Erftverband als Projektleiter hat eine neue Internetseite erhalten.

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