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Vier Jahre danachDie Rückkehr zur Normalität nach der Flut dauert im Kreis Euskirchen lange

6 min
Die Erftmauern in Arloff sind errichtet, in der Mitte fließt der Bach, im Hintergrund stehen Häuser.

Brücke und Damm in Arloff fehlen noch: Zuerst musste die Arbeit an den Erftmauern abgeschlossen sein.

Vier Jahre nach der Flutkatastrophe zeigt sich am Beispiel Arloff, warum beim Wiederaufbau einiges geschafft, es aber ein weiter Weg ist.

Vier Jahre ist es jetzt her, dass die Flutkatastrophe Menschenleben gekostet und hohen materiellen Schaden angerichtet hat. Ein Ereignis, das auch in Arloff nachhallt und bei jedem stärkeren Regenereignis schlimme Erinnerungen hervorruft.

Auch wenn in Sachen Wiederaufbau bereits einiges geschafft ist, blicken auch die Anwohner der Erft noch auf Überreste des 14. Juli 2021. Steine der alten Erftmauern liegen in Arloff noch im Fluss. Die Fußgängerbrücke, die unweit der Hubertuskapelle die Münstereifeler Straße und die Bachstraße miteinander verband, fehlt immer noch. „Die Anwohner verstehen nicht, wieso es mit der Wiederherstellung einer einfachen Brücke nicht weitergeht“, teilte jüngst ein Leser dieser Zeitung mit: „Es sieht hier immer noch so aus wie am Tag nach der Flut.“

Auch in Arloff stellt sich die Frage: Wiederaufbau oder Aufwertung?

Die Hauptursache für die Verzögerung in Arloff teilte Planer Christian Lorenz im Bauausschuss mit: „Wir mühen uns mit der Mauer.“ Allerdings sehe man diesbezüglich ein Ende. Und dann gehe es auch mit dem Rest weiter: den Brücken, dem Damm, der Umgestaltung der Straßen direkt an der Erft. Die sollen zu Wohnstraßen umgebaut und deren Qualität erhöht werden – unter anderem durch einen Gehweg, gegen den nun Bürger Unterschriften gesammelt haben, weil Parkmöglichkeiten verloren gehen.

Im Falle der beiden Brücken – neben der an der Hubertuskapelle ist auch die Brücke vor der Grundschule betroffen – gab es ein weiteres Problem: Die Bauwerke, die bislang nur von Fußgängern und Radfahrern genutzt werden konnten, sollten aufgewertet und überfahrbar gemacht werden. Aus Mitteln des Wiederaufbaus wären nur die Kosten für eine Wiederherstellung der Fußgängerbrücke gezahlt worden. Die Summe für die Aufwertung (im März 2023 war man von Kosten von 120.000 Euro ausgegangen) hätte die Stadt selbst zahlen müssen. Der Stadtrat in Bad Münstereifel begrüßte die Aufwertung und beschloss sie.

Trotz des Wiederaufbaufonds sind die Kosten ein Thema für die Kommunen

Als die Planung konkreter wurde, stellten die Ingenieure fest, dass die Böden aufwendig verstärkt werden müssten, um die Lasten schwerer Fahrzeuge tragen zu können. Damit einher ging eine Kostensteigerung um das Fünffache – das war den Politikern angesichts der leeren Kassen zu viel, so dass nun doch Brücken nur für Fußgänger und Radfahrer errichtet werden sollen.

Was den von dem Anwohner angesprochenen Damm angeht: Auch wenn es sich nach einem kleinen Eingriff anhört, ist dieser ein Bestandteil des städtischen Hochwasserschutzkonzeptes, das aus 17 Maßnahmen besteht. Diese müssen zusammengefasst und der Unteren Wasserbehörde sowie dem Erftverband vorgelegt werden, der die Sinnhaftigkeit prüft. Nach erfolgreicher Prüfung liegt das Konzept nun beim Landeskommunalministerium.

Der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe vom Juli 2021 ist die größte infrastrukturelle Gesamtbaumaßnahme nach dem Zweiten Weltkrieg.
Stadt Bad Münstereifel

„Die Stadt Bad Münstereifel hat ihre geplanten Wiederaufbau-Maßnahmen im Hochwasserschutz als erste Kommune im Kreis Euskirchen dort vorgelegt“, schreibt die Stadt. Nach der Prüfung durch das Ministerium muss die Bezirksregierung noch das Geld genehmigen. Danach erfolgt die Detailplanung.

„Der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe vom Juli 2021 ist die größte infrastrukturelle Gesamtbaumaßnahme nach dem Zweiten Weltkrieg“, ist die Stadt Bad Münstereifel sicher. Mehr als 500 Einzelmaßnahmen müssen in ihrem Gebiet bewältigt werden – und das neben dem üblichen Tagesgeschäft der Verwaltung. Dass es da zu Verzögerungen kommen kann, liegt wohl in der Natur der Sache.

Die Bürokratie verlangsamt viele Projekte im Kreis Euskirchen

Hinzu kommt die Bürokratie: Bei Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen viele Behörden mit ins Boot geholt werden, die Vorgaben sind komplex, ihre Umsetzung zeitaufwendig, genau wie die Ausschreibungen, bei denen teils juristische Unterstützung benötigt wird. Und auch wenn europaweit ausgeschrieben wird, melden sich nicht immer Interessenten, so dass Kriterien angepasst werden müssen und eine neue Ausschreibung erfolgt.

Das alles sehen die Bürger im Regelfall nicht. Sie vermissen nur das, was vorher da war und stellen fest, dass nun schon vier Jahre vergangen sind. Die Stadt Bad Münstereifel würde gerne einschätzen können, ob der Wiederaufbau schnell oder langsam vonstatten geht. Das ist aber nicht möglich: „Es gibt kaum Vergleichsmaßstäbe für die Situation.“ Gemessen am enormen Maßnahmenkatalog, den komplexen Verfahren, der Verfügbarkeit von Unternehmen und der Dauer einzelner Bauprojekte spricht sie aber von einem „zufriedenstellenden Tempo“. Bei den Hochwasserschutzprojekten erhofft man sich durch den landesweiten „Pakt für Hochwasserschutz“, der kommen soll, eine Beschleunigung von Prozessen.

Wiederaufbau in Bad Münstereifel dauert wohl noch zehn Jahre

Eine Hochwasserdemenz, also die Befürchtung, dass die Flutkatastrophe und deren Folgen in Vergessenheit geraten, sieht die Stadt nach vier Jahren aber nicht. „Die Notwendigkeit von Hochwasserschutz ist in der Bürgerschaft, der Stadt, bei Behörden und Ministerien deutlich präsent“, stellt sie fest. Was sich aber geändert hat: Die Aufsichtsbehörden schauen wieder genauer hin, wenn es um die Einhaltung bestimmter Verfahren geht. Zu Beginn des Wiederaufbaus wurde da öfter mal ein Auge zugedrückt, damit es zügig vorangeht. Man ist in diesem Bereich also wieder in der alten Normalität angekommen.

Bislang hat die Stadt Bad Münstereifel beim Wiederaufbau Verträge in einem Gesamtvolumen von 57 Millionen Euro abgeschlossen. Das entspricht rund 29 Prozent des gesamten Budgets. Bis alles fertiggestellt ist, wird noch Jahre dauern. Der Projektsteuerer C&E Consulting und Engineering aus Chemnitz, der bereits den Wiederaufbau nach den Hochwasserereignissen 2002 und 2013 an Elbe und Oder begleitet hat, rechnet damit, dass frühestens 2035 alle Maßnahmen abgeschlossen sind.

Da geht die Errichtung der Brücken inklusive des Damms in Arloff deutlich schneller voran. Die Arbeiten sollen kombiniert werden, um Synergieeffekte zu nutzen. Nach aktueller Planung soll das im Herbst 2026 der Fall sein.


In Nöthen wurde eine Brücke übersehen

Ein weiteres Beispiel, das zeigt, mit was man sich beim Wiederaufbau beschäftigen muss, ist die fehlende Brücke über den Siefen zwischen den Straßen „Auf dem Schelles“ und „Geisbüchel“ in Nöthen. Die Brücke war bei der Flut zerstört worden, die Überreste liegen immer noch in dem Siefen und bergen ein Gefahrenpotenzial. „Wir müssen den Siefen zwingend freiräumen“, sagte der örtliche Ratsherr Andreas Bühl (UWV) im jüngsten Bauausschuss. Außerdem verlangt seine Fraktion den Wiederaufbau.

Die Stadt Bad Münstereifel gibt zu: Diese Brücke war wegen der schieren Menge der Wiederaufbau-Maßnahmen bei der Aufnahme durch das Siegburger Unternehmen „Die Gewässer-Experten“ übersehen worden, so Kämmerer Kurt Reidenbach. Die Entfernung der Brückenreste sei in Planung und werde zeitnah beauftragt. Der Wiederaufbau erfolge mit der Wiederherstellung des Gewässers und werde aus Mitteln für den Wiederaufbau finanziert.

Allerdings muss jetzt auch die Untere Wasserbehörde des Kreises mit ins Boot geholt werden. Denn eine einfache Entfernung ist nicht mehr erlaubt, weil sich durch die Brückenüberreste im Siefen ein neues Habitat gebildet hat, das zunächst überprüft werden muss. „Das muss erst durch Behördengänge durch“, sagt Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian und sagt den Satz, den sie wohl mit vielen Bürgern teilt: „Ich wünsche mir manchmal auch, dass es schneller geht.“