1100 Evakuierte brauchten am Mittwoch in Euskirchen viel Geduld. Bürgermeister Sacha Reichelt und die Einsatzkräfte ziehen eine positive Bilanz.
BlindgängerBombensprengung in Euskirchen: Darum dauerte die Evakuierung so lange

Der Moment der Sprengung: Hinter mehreren Gebäuden im Euskirchener Gewerbegebiet ist das hochsteigende Erdreich während der Sprengung von der L 194 aus zu sehen.
Copyright: Feuerwehr Euskirchen
Es war kurz nach 20 Uhr am Mittwochabend, als in Euskirchen das große Aufatmen einsetzte. Gut eine Stunde zuvor war die 250 Kilogramm schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg, die am Vormittag in der Erft nahe der Alfred-Nobel-Straße gefunden worden war, kontrolliert gesprengt worden.
Doch dann dauerte es noch etwas, bis die Evakuierung aufgehoben werden konnte. Zunächst mussten die Experten vom Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMD) klären, ob auch alles sicher ist. Dann konnten die rund 1100 Menschen, die gegen Mittag evakuiert worden waren, zurück in ihre Wohnungen. Einige Stunden später wurden dann auch die Straßen für den Verkehr freigegeben, die durch die Sprengung so stark verschmutzt worden waren, dass sie zunächst gereinigt werden mussten.
Die Sprengung war bis in die Stadtmitte von Euskirchen zu hören
Gut sieben Stunden waren weite Teile der Kernstadt lahmgelegt. Die Evakuierung zog sich länger hin als geplant. Der zunächst für die Sprengung anvisierte Zeitpunkt um 15.30 Uhr konnte nicht eingehalten werden.
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Mit Zeitangaben in solchen Situationen ist das ohnehin so eine Sache. Daher waren sie auch immer mit dem Zusatz „frühestens ab“ versehen worden, wie Brandamtsrat Florian Struben von der Euskirchener Feuerwehr am Tag danach erklärte: „Es kann halt immer vorkommen, dass noch jemand reinläuft oder dass man noch jemanden suchen muss.“

Auftrag erledigt: Christoph Wassenberg und Stefan Höreth vom Kampfmittelbeseitigungsdienst, nachdem der Blindgänger kontrolliert gesprengt worden war
Copyright: Tim Nolden/Stadt Euskirchen
Zudem, so Struben, sei die Aktion an der Bombe „kein Standard“. „Es war nicht so, dass man sagen konnte: ,Die wird jetzt mal entspannt entschärft und nach fünf Minuten sind wir hier fertig'.“ Stattdessen musste eine Firma erst einmal sehr viel Sand auf die Fundstelle baggern, um die Sprengung abzudämpfen.
„Es ist manchmal schwierig, den Bürgern zu vermitteln, warum es so lange dauert“, so Struben. Die Einsatzkräfte hätten auch gerne einen schnelleren Ablauf: „Aber darauf haben wir keinen Einfluss.“
Es war nicht so, dass man sagen konnte: ,Die wird jetzt mal entspannt entschärft und nach fünf Minuten sind wir hier fertig'
Die besonderen Umstände erfordern auch besondere Maßnahmen. Allgemein gilt die Faustregel: Pro Kilo Sprengstoff einen Meter Radius Evakuierungsbereich. „Diese grobe Formel gilt für reine Entschärfungen“, erläuterte Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt: „Bei Sprengungen werden andere, weitere Radien gewählt, insbesondere weil durch die Verwendung von Sand oder andere Stoffe zur Überdeckung der Bombe ein weiterer Bereich betroffen sein kann.“ Der hochfliegende Sand war in der Tat hinter den Firmenhallen zu erkennen, die Sprengung bis in die Stadtmitte zu hören.
„Selbst für eine häufig von Entschärfungen betroffene Stadt wie Euskirchen ist eine solche Sprengung etwas Besonderes“, so Reichelt: „Mein Dank gilt allen Einsatzkräften, die mit ihrem Einsatz zum Erfolg der Maßnahme beigetragen haben, aber auch unserer Bevölkerung, ohne die eine geordnete Evakuierung und Sprengung in dieser Form nicht möglich wäre.“
In dieses Lob stimmten Vertreter von Feuerwehr, Malteser Hilfsdienst und DRK ein. Immer wieder, so Feuerwehrmann Struben über solche Einsatzlagen, müssten vereinzelt Leute mit „etwas Nachdruck“ und zusätzlichen Erklärungen bewegt werden, sich aus der Gefahrenzone zu begeben.
100 Menschen und sechs Hunde wurden von Maltesern betreut
Aber am Mittwoch seien die Menschen von Beginn an gut informiert gewesen. „Wir haben zwei Klingelrunden vorgenommen“, so der Brandamtsrat: „Eine Person war von der Nachtschicht gekommen und hatte die Klingel ausgestellt.“ Auch Meldungen über Social Media waren nicht zu ihr durchgedrungen. „Die haben wir dann aber in der zweiten Runde noch rausbekommen“, so Struben.
Rund 100 Evakuierte machten zu Spitzenzeiten von dem Angebot Gebrauch, in der Mensa des Emil-Fischer-Gymnasiums unterzukommen. Dort wurden sie von 16 Ehrenamtlichen des Malteser-Hilfsdienstes (MHD) versorgt. „Die Menschen wurden mit der Dauer immer ungeduldiger, aber nie kam eine aggressive Stimmung auf“, sagte Lars Jürgensonn vom MHD: „Das haben wir auch schon anders erlebt.“
Während es aber für die evakuierten Menschen Essen und Getränke gab, mussten die sechs Hunde mit kühlem Wasser und einem Schattenplatz im Pavillon vorliebnehmen. Künftig werde man wohl auch Hundefutter und Leckerchen bereithalten, so Jürgensonn: „So detailliert haben wir den Einsatz noch nicht nachbereitet, aber das könnte sich durchaus daraus ableiten.“
Unter Euskirchens Erde schlummern wohl noch viele Blindgänger
Und dass es weitere Bomben-Entschärfungen in Euskirchen geben wird, gilt als sicher. Das zeigen schon die vom Kampfmittelbeseitigungsdienst ausgewerteten Luftbilder. Wie viele Blindgänger in der Kreisstadterde noch schlummern, könne aber seriös nicht gesagt werden, heißt es vom KMD. Auch die Fliegerbombe, die am Mittwoch zum Einsatz führte, war nicht überraschend entdeckt worden.

Die Bombenkrater sind auf dem Luftbild von Euskirchen aus dem Jahr 1945 deutlich zu erkennen. Der Bahnhof ist zerstört.
Copyright: Kampfmittelräumdienst/Repro: Heinen
Vielmehr hatte der KMD seit Dienstag bewusst nach ihr gesucht, weil an dieser Stelle der Erftverband Zerstörungen, die bei der Flutkatastrophe 2021 entstanden waren, beseitigt. Um an die Bombe heranzukommen, war die Erft umgeleitet worden, so dass die Erde über dem vermuteten Fundort mit einem Bagger vorsichtig „Schüppchen für Schüppchen“ abgetragen wurde, wie der Abteilungsleiter für Gewässer und Betrieb beim Erftverband, Ulrich Muris, erklärte.
Bereits am Mittwochabend, kurz nach der Sprengung, sei der Bombentrichter wieder verfüllt worden. Am heutigen Freitag werde der restliche Sand, der zum Dämpfen der Sprengung angeliefert und aufgeschüttet worden war, aufgesammelt und weggefahren. „Denn der ist für den Gewässerausbau nicht besonders geeignet“, so Muris.
Bis Dienstagabend soll sich die Erft dann wieder in ihrem alten Bett befinden. „Dann haben wir den Zustand wie vor der ganzen Aktion“, so Muris. Dann würden die Baumaßnahmen ganz normal weitergeführt. Unten werde eine Gabionenwand (mit Steinen gefüllte Drahtkörbe) als Widerstand für die Böschung errichtet, dann die Böschung aufgebaut und verdichtet.
Muris begrüßt es, dass der Blindgänger so rasch gefunden und gesprengt werden konnte. „Es war meine große Befürchtung, dass sich das jetzt Woche für Woche hinzieht“, so der Abteilungsleiter. So müsse der Zeitplan für die Maßnahmen von zunächst 12 bis 15 Wochen lediglich auf 13 bis 16 Wochen, je nach Witterung, verändert werden. Es hätte alles noch schlimmer kommen können.