Ein Investor will in Rheinbach auf mehr als 20 Hektar Sonnenlichtkollektoren aufstellen. Landwirte sind entsetzt über den möglichen Verlust an guten Böden. Bürokratie und Preisverfall bereiten ebenfalls Sorgen.
Protest in Rhein-Sieg/BonnLandwirte: „Keine Solaranlagen auf Ackerboden!“

Baujahr 1991: Die Apfelsortieranlage ist so alt wie der Betriebsleiter auf dem Obsthof Cremerius in Meckenheim. Eine neue oder Pflückroboter lohnen sich einfach nicht.
Copyright: Manfred Reinnarth
Etliche Themen brennen den Bauern der Region unter den Nägeln: Der Preiskampf im Lebensmittelhandel etwa, oder die europäische Bürokratie, mit der Neuerungen aufgehalten oder sogar verhindert werden. Ganz vehement lehnen sie ab, dass Ackerböden zu Standorten für Fotovoltaikanlagen werden könnten, wie das an diesem Montag beim 33. Jahrestreffen des Förderkreises Landwirtschaft im Rhein-Sieg-Kreis und der Stadt Bonn zur Sprache kam.
Um mehr als 20 Hektar Land in Rheinbach geht es, wie der Landwirt Bernd Welsch aus Arzdorf weiß, der dort Land bewirtschaftet. Bürgermeister Ludger Banken betonte, dies sei der „Wunsch des Investors“ erkundigte sich aber nach der Meinung der Bauern. „Ein absolutes No-Go“, wie Kreisvorsitzende des Landfrauenverbands Beate Löbach-Neff betonte. „Dafür darf kein guter Boden genutzt werden.“ Johannes Brünker kann sich solche Anlagen nur auf Hausdächern und großen Parkplätzen vorstellen, weil die schon versiegelt seien. Die Landwirtschaftskammer betonte, die Fotovoltaikanlagen für die Landwirtschaft hätten sich beim Weizenanbau schon als nicht praktikabel erwiesen, weil kein Mähdrescher darunter her passe und die Dächer für eine windsichere Verankerung zu viel Boden verbrauchten.
Kein Wunder also, dass die Brüder Matthias und Marcel Cremerius trotz der laufenden Ernte für das Treffen mit der regionalen Politik extra ihre Produktionshalle am Stadtrand von Meckenheim geräumt und mit Bänken ausgestattet hatten. Mehrere Abgeordnete sowie die Bürgermeister aus Rheinbach, Swisttal, Meckenheim und Wachtberg waren da. Landrat Sebastian Schuster schaute in die Runde und frotzelte: „Rechtsrheinisch gibt es wohl keine Landwirtschaft mehr.“ Das Treffen, schon das 33., findet jährlich wechselnd auf den beiden Seiten des Rheins statt.
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Der Apfel ist eine Hassliebe
Betriebsleiter Matthias Cremerius berichtete, wie sich sein Hof anpasst. 1994 sei die Halle errichtet worden, und der Betrieb nach Meckenheim übergesiedelt, weil er in Adendorf keinen Platz mehr gehabt habe. Die Apfelsortiermaschine von 1991, so alt wie Cremerius selbst, zog mit. „Es lohnt sich aber nicht, sie zu ersetzen. Nach dem Krieg haben Äpfel so viel Geld eingebracht, dass man mit dem Verkauf von ein paar Kilos einen Schlepper bezahlen konnte. Heute geht es beim Apfelverkauf um Viertelcent.“

Bürokratie: Den Apfel mit Hagelschaden dürfen Matthias (l.) und Marcel Cremerius nur als Most verkaufen.
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Aus einst 40 Hektar Apfelplantagen, die der Hof Cremerius bewirtschaftete, sind wegen des Preisverfalls 24 geworden. „Der Apfel ist eine Hassliebe“, sagt Matthias Cremerius. 30 Hektar Kernobst hat er noch. Aber auch bei den Birnen verhandeln, wie er berichtet, Lebensmittelketten und Regionalvermarkter. „Einer der großen Fünf hat gerade Ein-Euro-irgendwas pro Kilo Birnen geboten und will das zweite Kilo umsonst dazu haben.“
Cremerius zeigte einen Apfel mit optischen Mängeln wie dem typischen Hagelschlag; da waren 80 Prozent seiner Flächen betroffen: „Den darf ich nur als Most verkaufen, obwohl er schmeckt.“ Dies sei nur ein Beispiel für die Bürokratie in Europa. Ein anderes seien die Vorgaben für den Pflanzenschutz. „Wir ersticken in der Bürokratie der EU. Kurzgefasst verlangt sie: wachsen oder sterben.“ Mit seinem auf 55 Flurstücke aufgeteilten Betrieb drohe er, aus dem Markt gedrängt zu werden. Mindestlohn sei dabei ein „böses Thema“: „In Italien gibt es keinen Mindestlohn. Die unterbieten uns.“ Ein Pflückroboter sei keine Alternative, denn der sei nur für wesentlich größere Betriebe zu finanzieren.

Mit Johannisbeeren als Luxusprodukt hat der Obsthof Cremerius in Meckenheim seine Nische gefunden
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Automat in Rheinbach geht in Betrieb
Marcel Cremerius ist für den gewerblichen Teil zuständig und muss den Ausweg aus der Situation finden. Etwa zehn Prozent seiner Apfelernte vermarktet Cremerius inzwischen selbst im Hofladen oder mit einem Verkaufsautomaten. Ein zweiter, größerer geht nächste Woche an der Raiffeisentankstelle in Rheinbach in Betrieb. Darin gibt es auch Apfelchips. „Ein Lohnunternehmer dörrt unsere Äpfel dafür.“ Im Automaten wird es auch „Honig von den Apfelbestäubern“ geben, Zwetschen von einem befreundeten Landwirt und sogar Grillfleisch und Quark. Der Automat steht neben dem Eingang der Tankstelle unter dem großen Vordach und ist rund um die Uhr zugänglich.
Seine Marktnische hat der Hof Cremerius jedoch bei Johannisbeeren entdeckt. „Johannisbeeren braucht keiner zum Leben, und außer meinem Sohn kenne ich auch niemanden, der sich eine ganze Schale davon kaufen würde, um sie so zu essen“, erklärte Matthias Cremerius: „Aber es gibt genügend Menschen, für die eine Johannisbeere als Deko am Cocktail liegen muss.“
Also hat der Hof seine Lagerkapazitäten für Äpfel umgenutzt und wegen des niedrigen Saisonpreises bei diesem Obst seine Ernte unter kontinuierlicher Schutzatmosphäre bis zum Winter verwahrt. Der Erfolg war „wahnsinnig“, wie Cremerius sagt: „Ich habe unsere 125-Gramm-Schälchen sogar im November im Urlaub im Allgäu gesehen.“ Auf ähnliche Weise hat er sich in die Weinbranche hineingewagt. „Wir verkaufen keinen ‚Wein‘, sondern ein ‚Kulturgut‘.“
Aber selbst bei einem Luxusprodukt steigen Düngekosten und Strom. So wäre Cremerius froh, wenn auf dem Dach endlich eine Photovoltaikanlage installiert werden dürfte. „Seit zwei Jahren liegt das Energiegutachten vor. Es tut sich aber nichts.“ Wegen der Teuerungsrate wäre der Verzicht auf eine Förderung wohl günstiger gewesen. Die Ölheizung hätte er beinahe durch eine Holzhackschnitzelanlage ersetzt. Doch allein die Materialkosten liegen bei 150.000 Euro.
Klimawandel betrifft Landwirtschaft
Landrat Sebastian Schuster deutete bereits an, wie der Klimawandel die Landwirtschaft betrifft. „Die Anforderungen werden immer größer. Die Verantwortung für den CO2-Ausstoß und den Klimawandel haben wir selbst.“ Schuster zeigte auf, dass ein Großteil des Kreisgebiets dem Grundwasserschutz, dem Naturschutz und dem Landschaftsschutz gewidmet sei. Gleichwohl gebe es gleich nebenan dichte Bebauung und einen Tagestourismus, der einen erheblichen Druck erzeuge.
Schuster erinnerte daran, wie die Gemeinde Wachtberg vor der Starkregenkatastrophe 2021 geflutet worden sei, nämlich 2010, 2013 und 2016. Er sagte: „Was Wachtberg und Mehlem mit der Stadt Bonn umgesetzt haben, solle eine Blaupause für uns alle sein.“ Deutliche Zustimmung erntete er, als er seine Forderung nach einer „bürgerfreundlichen Verwaltung“ mit der Bemerkung „noch viel Luft nach oben“ versah. Sein Ziel ist es, auch bei der Bauverwaltung, durch die enge Kommunikation zwischen Landwirten und Politik, Verbesserungen zu erreichen.
Erleichterungen beim Bauen können aber auch zurückschlagen, wie der Meckenheimer Bürgermeister Holger Jung anmerkte. Gerade bei den privilegierten Fotovoltaikanlagen entlang der Autobahn oder zweigleisigen Bahntrassen seien die Kommunen und auch die Kreise machtlos. „Wie bei der Windenergie ist den Kommunen die Planungshoheit weggenommen worden. Die Dinge verselbstständigen sich langsam.“ Jung sagte bei diesem Treffen auch zu den Bauern: „Flächen sind endlich. Sie müssen die Möglichkeit haben, Geld zu verdienen.“ Er hält die Landwirte für kreativ und innovativ.