Bonns Ex-OB Jürgen Nimptsch„Klüngel is em Prinzip jet Joodes“

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Nimptsch Cecilia

Jürgen Nimptsch (links) als Ge­fäng­nis­di­rek­tor Heinz Harald Eckstein, 'ne echte fiese Möpp.­

  • Der frühere Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (65) hat als Baas der Cäcilia Wolkenburg, der Spielgemeinschaft im Kölner Männer-Gesang-Verein, die Gesamtleitung des Divertissementchen 2020 „Fidelio am Rhing“ übernommen.
  • Dieter Brockschnieder sprach mit ihm über das Stück, in dem nur Männer mitwirken.

Herr Nimptsch, wenn man Sie nachts weckt und sagt: Sing das Zillche-Leed, das Vereinslied der Cäcilia Wolkenburg, dann könnten Sie das doch auswendig und ohne zu zögern singen, oder? Das stimmt. Kann aber sein, dass es morgens um 3 Uhr ohne Einsingen noch nicht so gut klingt.

Wie oft haben Sie es schon gesungen?

Etwa 500 Mal auf der Bühne, Proben nicht mitgerechnet.

Beethoven, dem die Cäcilia ihr diesjähriges Divertissementchen widmet, hat das Zillche-Leed zwar nicht komponiert, könnte es aber getan haben?

Na, ich weiß et nit. Das von ihm für den höfischen Karneval komponierte ,Ritterballett’ ist da doch etwas getragener.

Thomas Guthoff hat die Musik arrangiert und dabei viel auf Beethoven zurückgegriffen, dessen Vorlagen aber auch mit Schlagern aus den 70ern gemixt. Ist dieses „melodienreiche Springen“ für Laiensänger schwer zu bewältigen?

Das ,melodienreiche Springen’, so wie Thomas Guthoff das für uns arrangiert, ist für uns Sänger attraktiv. Großen Respekt haben wir in diesem Jahr eher bei den Musiknummern, in denen wir auf das ,Springen’ verzichten, weil wir den Beethoven-Chören fast mit Ehrfurcht begegnen und sie unangetastet lassen. Der „Gefangenenchor„ mit den Anfangsworten „Oh, welche Lust“ - bei uns: „Mer welle rus„ - verlangt höchste Konzentration und sorgt bei jedem Sänger jedes Mal für Gänsehaut - hoffentlich auch beim Publikum.

Im letzten Lied vor dem Finale hat Guthoff aus dem wunderschönen „Fidelio“-Quartett „Mir ist so wunderbar“ für zwei Sopran-, eine Tenor- und eine Bassstimme ein Sextett für reine Männerstimmen arrangiert, in dem jeder Sänger allein singt und trotzdem ein Gesamtwerk herauskommt. Wie ist das zu schaffen?

Das ist ein schweres Stück. Wir haben daraus ein Sextett gemacht, weil sich am Ende drei Paare jeweils für sich versöhnen und aus den insgesamt sechs Zerstrittenen eine Einheit entstehen soll. ,Zesammestonn in Kölle’ eben, wenn es ernst wird.

Was bedeutet das für die Bühne?

Wir wollen als Einheit klingen, aber jeder muss stur alleine zählen und darf sich bei seinem Einsatz nicht auf den anderen verlassen, obwohl wir natürlich mithören müssen, was der andere gerade singt. Jeder von uns schielt mit einem Auge immer auf einen der Dirigenten-Monitore und lauscht mit einem Ohr auf einen der Lautsprecher-Monitore, die über uns hängen. Das mussten wir oft proben. Für das Üben Zuhause hatten wir zusätzlich ein Playback von den Proben.

Sie spielen den Gefängnisdirektor Heinz Harald Eckstein, einen Klüngler vor dem Herrn und Wichtigtuer, also „ne fiese Möpp. Komisch, dass Ihnen diese Rolle so gelungen ist.

Gott sei Dank durfte ich im vergangenen Jahr als ,Offenbach’ zeigen, dass ich auch nette Typen spielen kann. Sonst glaubt am Ende noch die halbe rheinische Welt, der ,fiese Möpp’ würde vorzugsweise mit dem ,fiesen Möpp’ besetzt. Aber ich gestehe, dass ich gerne auch einen ,Bösen’ spiele – da kann man auch mal Züge zeigen, die sich im Alltag verbieten.

Die ewigen Kölner Bauprobleme sind ein fortwährendes Thema in den Divertissementchen, auch diesmal. Sie müssten als ehemaliger Oberbürgermeister von Bonn doch wissen, dass nicht alles so schnell geht, wenn die öffentliche Hand baut. Haben Sie kein Mitleid mit der Verwaltung der Domstadt?

Unser Stück spielt ja zu Beginn der 70er Jahre und da war es so, dass in Köln tatsächlich schnell und viel gebaut wurde: Hochhäuser, Straßen, Parkhäuser, Domplatte, Flughafen und anderes. Der Rat bestand aus drei Parteien, die Verwaltung war auf Linie und die Bauvorschriften waren nicht so stark einschränkend. Der Bürgerwille wurde nur alle paar Jahre bei den Kommunalwahlen abgefragt. Da konnte man Tempo hinlegen. Aber ob das mit dem ,Beton-Brutalismus’ so gut war? Heute stehen wir vor der Sanierung genau der Bauten und auch Bausünden, die damals in hohem Tempo hochgezogen wurden. Ein Teil davon ist längst abgerissen, wie in Köln zum Beispiel das Lufthansa-Hochhaus und in Bonn die Südüberbauung.

Auch der kölsche Klüngel, speziell im Karneval, wird aufs Korn genommen. Aber kann ein Verein wie der Kölner Männer-Gesang-Verein ohne Klüngel solch ein Projekt wie das „Zillche“ überhaupt auf die Bretter bringen?

Klüngel is em Prinzip jet Joodes und steht für unkomplizierte Beteiligung vieler Menschen und schnelles Umsetzen. Manchmal wird daraus ein schlechter Klüngel, wenn Korruption, neudeutsch Compliance, eine Rolle spielt. Deswegen formuliert in unserem Stück die Schlichterin am Ende den Vorwurf ,Ihr habt aus dem guten Klüngel einen schlechten Klüngel gemacht’. Der ,böse Klüngler’ Eckstein verlangt daraufhin uneinsichtig und trotzig, so behandelt zu werden, wie das seines Erachtens dem Präsidenten eines bedeutenden Karnevalsvereins zusteht und wie wir es zuletzt bei Uli Hoeneß erlebt haben: komfortables Gefängnis, Einzelzelle, Freigang, vorzeitige Entlassung.

Die Produktionskosten liegen bei 900 000 Euro. Wie kann der Verein eine solche Summe stemmen?

30 000 Zuschauerinnen und Zuschauer bringen bei einem durchschnittlichen Eintrittspreis von 50 Euro rund 1,5 Mio. Euro Einnahmen. Die teilen wir nach einem Schlüssel zwischen unserem Verein und der Oper auf. Im Vertrauen auf das ,Ausverkauft’ haben wir uns diesmal sogar für 15 000 Euro einen neuen roten Hauptvorhang geleistet, den es bislang im Staatenhaus noch nicht gab und den die Oper natürlich für ihre Produktionen nutzen darf. Wir haben uns damit erkennbar in unserem 145. Jahr darauf eingerichtet, das 150. Jubiläum wahrscheinlich noch nicht in der Oper am Offenbachplatz zu feiern.

Nach Offenbach 2019 und Beethoven 2020 – welchem Komponisten wird als nächstem ein Stück gewidmet?

Nächstes Jahr kommt ein anderer wichtiger Mensch dran, der 2019, trotz seines 250. Geburtstages, wegen des 200. Geburtstages von Jacques Offenbach nicht berücksichtigt werden konnte. Er ist allerdings so passend gestorben, dass wir 2021 seinen 200. Todestag zum Anlass für unser ,Zillche’ nehmen können: Napoleon Bonaparte. Wir werden an die Entwicklung Kölns erinnern, das zu Napoleons Zeit zu Frankreich gehörte und in den französischen Jahren einen radikalen Umbruch hinsichtlich seiner Verfassung und Verwaltung erlebte.

Noch bis Karnevalsdienstag zeigt die Cäcilia Wolkenburg „Fidelio am Rhing“ im Kölner Staatenhaus. Die Vorstellungen sind alle ausverkauft.

Der frühere Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (65) hat als Baas der Cäcilia Wolkenburg, der Spielgemeinschaft im Kölner Männer-Gesang-Verein, die Gesamtleitung des Divertissementchen 2020 „Fidelio am Rhing“ übernommen. Dieter Brockschnieder sprach mit ihm über das Stück, in dem nur Männer mitwirken. 

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