Kompetenzzentrum Bau eingerichtetTHW nimmt Flut-geschädigte Häuser unter die Lupe

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Erkennt gefährliche Stellen sofort: Baufachberater Marvin Fechler in einem Gewölbekeller in der Stumpfgasse.

Erkennt gefährliche Stellen sofort: Baufachberater Marvin Fechler in einem Gewölbekeller in der Stumpfgasse.

Bad Münstereifel – Björn Zanger klopft mit der Faust auf die Fassade. An manchen Stellen klingt die Wand des denkmalgeschützten Gebäudes in der Stumpfgasse dumpf, an anderen hohl. Nach wenigen Minuten gibt Zanger für die meisten Risse in der Fassade Entwarnung: Sie seien vermutlich harmlos und nicht Folge des Hochwassers, sagt Zanger – den Bewohnern droht also keine Gefahr.

Die Baufachberater Björn Zanger und Marvin Fechler sind im Auftrag des Technischen Hilfswerks (THW) in den Straßen von Bad Münstereifel unterwegs. Sie bilden eines von acht Teams, die die vom Hochwasser beschädigten Gebäude und Denkmäler prüfen. Koordiniert wird die Arbeit der Fachberater von der Willy-Brandt-Straße aus. Anfang vergangener Woche hat das THW dort, im Gebäude der Fachhochschule für Rechtspflege, das Kompetenzzentrum Bau eingerichtet.

Kurze Wege ins Katastrophengebiet durch das Kompetenzzentrum

„Die Schäden vor Ort sind enorm, manche Kollegen sind seit Tagen im Dauereinsatz“, sagt Hans Hoffmann, Baufachberater vom THW-Ortsverband Achim, der in Bad Münstereifel die Einsätze der Teams plant. „Deshalb sind wir froh, dass wir jetzt das Kompetenzzentrum als Koordinierungsstelle haben. So geht unsere Arbeit umso schneller.“ Die kurzen Wege in das Katastrophengebiet sind nicht der einzige Vorteil des Kompetenzzentrums.

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Weil alle Einsatzkräfte hier gebündelt werden, lassen sich deren Termine priorisieren. „Ein Haus an der Erft, bei dem ein Hangabrutsch droht, muss möglichst schnell von uns begutachtet werden“, erläutert Hoffmann. Das gelte auch für beschädigte Fabriken oder einsturzgefährdete Brücken.

Keine Gefahr in der Stumpfgasse

Unmittelbare Gefahr droht Zanger und Fechler in der Stumpfgasse nicht. Beim Besichtigen des Gewölbekellers des Baudenkmals können sie sich Zeit lassen. Obwohl die Eigentümer schon Boden und Stromanschlüsse vom Schlamm befreit haben, ist die Luft dort noch immer klamm.

Es riecht modrig. Gebückt drängen sich die Baufachberater durch den Keller und suchen mit Taschenlampen Decke und Wände nach Rissen ab. Die feuchte Bausubstanz des Fachwerkhauses fällt den beiden sofort auf. Da könne nur ein Spezialunternehmen helfen, sagt Zanger den Eigentümern. „Lehm lässt sich nur schwer trocknen.“

THW-Berater nur als Gutachter tätig

Die historischen Fachwerkhäuser sind aus Sicht der THW-Mitarbeiter eigentlich ein Glücksfall. „Die Häuser sind toll: Sind die Wände durch, bleibt das Haus trotzdem stehen“, sagt Hoffmann. Oft müsse nur das Holz getrocknet oder ein Balken ausgetauscht werden. „In Bad Münstereifel sind deshalb viele Häuser glimpflich davongekommen. Für manche der historischen Gebäude und Brücken ist es auch nicht das erste Hochwasser.“ Iversheim – wo es auch viele Fachwerkhäuser gibt – habe es deutlich schwerer erwischt. Woran das liege, das wisse er nicht.

In Iversheim sind dutzende Häuser mit einem X markiert. Die Bewohner dürfen sie nicht betreten. Ob die Häuser abgerissen werden oder nicht, wissen sie oft noch nicht. Die THW-Berater sind nämlich nur als Gutachter tätig. Nur in Ausnahmefällen teilen sie den Betroffenen sofort mit, wie es um ihr Haus steht. Für alles Weitere sind die Behörden zuständig.

Gruppen- oder Zugführerausbildung für die Fachberater

Bis zu 40 Häuser sind es täglich, die sich die Mitarbeiter des THW im Stadtgebiet ansehen. „Für manche Häuser brauchen wir nur zehn Minuten, für andere drei bis vier Stunden“, erklärt Hoffmann. Die Arbeit sei „hochgradig geistig“. Die Fachberater reihen eine Qualifikation an die andere: Sie brauchen mindestens eine Gruppen- oder Zugführerausbildung, auch der Speziallehrgang „Schadensituation unter Einsatzbedingungen“ ist nötig.

Doch ihr „Hauptwerkzeug“ ist die Erfahrung. Sie beschäftigen sich auch beruflich mit Bauten. Oft sind sie Architekten, Statiker, Brückenbauer. „Unsere Baufachberater müssen auch beurteilen können, ob ein Haus noch einen Einsatz aushält – oder ob es bald einstürzt“, sagt Hoffmann.

In Euskirchen gibt es keine Zwischenfälle zwischen Bewohnern und Einsatzkräften

Baufachberater wie Björn Zanger und Marvin Fechler erledigen nicht nur stur ihren Job im Katastrophengebiet. Für die Sorgen der Bürger haben sie immer ein offenes Ohr. Nicht nur in der Stumpfgasse werden sie deshalb freundlich empfangen. „Die Bürger versorgen uns auch schon mal mit Nudelsalat und Suppe“, erzählt Michael Philipp von der THW-Einsatzleitung Euskirchen. An die Spende einer älteren Frau erinnere er sich besonders gerne. „Sie hat uns mit einem Pappteller abgedeckte Kuchen gebracht. Und auf dem Pappteller hat sie uns eine kleine Nachricht hinterlassen.“

Doch nicht überall würden die Einsatzkräfte positiv aufgenommen. In Rheinland-Pfalz etwa sei die Situation angespannter als im Kreis Euskirchen. „Die Kollegen berichten uns von Leuten, die sich als Helfer oder Pressevertreter ausgeben, aber gar keine sind.“ Beleidigungen seien nicht selten.

Im Kreis Euskirchen ist so etwas laut Hoffmann bisher nicht passiert. Zwischen Bewohnern und Einsatzkräften stimmt die Chemie. „Die Katastrophe schweißt uns zusammen. Ich habe einen wahnsinnigen Respekt vor den Menschen hier. Es ist eine Ehre, für sie zu arbeiten.“ Noch etwa zwei Wochen sind die Baufachberater im Prüfeinsatz. Dann gehe die eigentliche Arbeit erst los, sagt Hoffmann. Doch nachdem er zwei Wochen die Mentalität der Eifeler kennenlernen durfte, ist er sicher: „Bad Münstereifel wird wieder eine schöne Stadt werden.“

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