Bei der Bewältigung der Flutkatastrophe war das THW im Kreis Euskirchen ein wichtiger Faktor. Doch der Zivilschutz bietet weitere Aufgaben.
ÜbungenFlutkatastrophe, Brände, Drogen-Plantagen: Das THW-Euskirchen ist stets bereit

Sieht aus wie eine Müllhalde, ist aber eine Übungsstrecke, erläutert der stellvertretende THW-Ortsbeauftragter Raphael Maus.
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Auf dem Gelände des THW Euskirchen sieht man seltsame Dinge: ein altes ausgedientes Auto, Betonplatten, Holzbalken, Metallstreben in wilder Formation und zwei Schiffscontainer. Einer ist mit einem Fenster ausgestattet worden. Alles scheinbar sinnlos abgestellt.
Was wie die Schmuddelecke einer Müllhalde anmutet, ist in Wirklichkeit eine wichtige Übungsstrecke für die Einsatzkräfte. Hier wird getestet, wie man mit Atemschutz und Ausrüstung durch zerstörte Häuser kommt und sich durch chaotisches Gelände bewegt, erklärt Raphael Maus, stellvertretender Ortsbeauftragter des THW: „Wir üben unter möglichst realen Bedingungen. Gerne kommen auch die Feuerwehren aus dem Kreis Euskirchen zu Übungszwecken hierher.“
Beim THW in Euskirchen heißt es: Einfach mal machen!
Im Multi-Funktions-Container (MFC) könne man Rauch erzeugen und so eine Brandsituation nachstellen, so Maus: „Das Fenster dient dazu, den Umgang mit Leitern zu trainieren.“ An einer anderen Stelle des Hofes bindet ein THW-Team eine Puppe auf einer Trage fest, damit sie beim Transport gesichert ist – Bergungsübungen.
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Mit einer „Kiefer des Lebens“, einer Art riesiger hydraulischer Schere zum Schneiden und Spreizen, trainieren weitere Helfer, Holzpaletten zu bewegen, und schließlich stapelt ein dritter Trupp unter Anleitung eines Übungsleiters Getränkekästen mithilfe von Metallstreben übereinander.
Es sind permanente Trainings für den Ernstfall. Das Ausbildungsprogramm heißt EMMA. Das steht für Einfach-mal-machen-Ausbildung.
Etwa 30 Ehrenamtler trainierten in praktischen Übungen
Ihre Fähigkeiten erwerben die Helfer des THW in praktischen Übungen. Rund 30 der bis zu 90 örtlichen Einsatzkräfte sind an diesem Abend gekommen. Alles Ehrenamtliche. Alle ausgestattet mit Dienstkleidung und Helm. Das THW ist zwar eine Bundesbehörde, aber aktiv sind ausschließlich ehrenamtliche Helferinnen und Helfer.

Unter möglichst realen Bedingungen trainieren die Mitglieder des Technischen Hilfswerks in Euskirchen für den Ernstfall.
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Umso erstaunlicher ist das Engagement, das bei EMMA zu beobachten ist. Lauter fröhliche und zufriedene Gesichter widmen sich der Vorbereitung auf das eigentliche Ziel des THW: Zivilschutz. Das THW, so Maus, sei gegründet worden, um im Kriegsfall die Zivilbevölkerung zu schützen: „Zivilschutz ist unsere ureigene Aufgabe.“
Dennoch stehen die Einsatzkräfte des THW jederzeit bereit für verschiedenste Aufgaben der örtlichen Gefahrenabwehr – für Feuerwehren, Polizei und andere Sicherheitsbehörden. Auch im Ausland wird das THW im Auftrag der Bundesregierung tätig. Natürlich auch im Katastrophenfall wie bei der Flut im Juli 2021.
Wir üben unter möglichst realen Bedingungen. Gerne kommen auch die Feuerwehren aus dem Kreis Euskirchen zu Übungszwecken hierher.
Nicht jeder THW-Ortsverband verfolgt die gleichen Aufgaben. Es gibt einen modularen Aufbau. In Euskirchen befinden sich neben dem in allen Ortsverbänden üblichen Zugtrupp eine Bergungsgruppe, eine Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen und eine Fachgruppe Notversorgung und Notinstandsetzung. In Iversheim ist etwa noch eine Fußgängerbrücke des THW aus Metall über die Erft zu sehen – ein Relikt des Fluteinsatzes 2021.
Jede Gruppe hat ihre Einsatzfahrzeuge mit Ausrüstung. In anderen Ortsverbänden stehen andere Fahrzeuge und dort sind auch andere Fachgruppen aktiv. Gibt es einen Einsatzfall, entscheidet die Einsatzleitung vor Ort, was benötigt wird. Während und nach der Flut wurden beispielsweise von den örtlichen THW-Ortsverbänden Bedarfe an die Regionalstelle gemeldet.
Auch für die Räumung von Cannabis-Plantagen ist das THW zuständig
Von dort ging die Anfrage nach speziellen Geräten wie Bagger weiter an einen der acht Landesverbände, und schließlich koordinierte die Leitung in Bonn, dass aus Bayern Gerät ins Flutgebiet gelangte. „Rund 88.000 Helfer sind in 669 Ortsverbänden aktiv“, erläutert Maus.
Zum Einsatz kommen die Euskirchener Einsatzkräfte nicht nur bei großen Katastrophen. Häufig arbeiten sie mit Feuerwehr und Polizei zusammen. Bei einem Hausbrand in Weilerswist wurde der Baufachberater des THW Euskirchen von der Feuerwehr angefordert, um einzuschätzen, ob ein Gebäude noch gefahrlos betreten werden konnte.
Die Polizei forderte das THW wiederholt an, um Cannabis-Plantagen zu räumen oder Unfallstellen auszuleuchten. Zivilpersonen können das THW nicht anfordern.
Einsatzfahrzeuge bereiten Kindern glänzende Augen
Sven Biesecke, der am Übungsabend zum stellvertretenden Helfersprecher gewählt wurde, ist erst seit drei Jahren im THW. Beruflich in der Verwaltung unterwegs, suchte er einen Ausgleich im technischen Bereich. Den fand er beim THW: „Mir gefällt am THW, dass hier jeder gefragt ist und seine Stärken einbringen kann.“
Ob im Bereich Küche, bei Verwaltungsaufgaben, in der Jugendarbeit oder in den verschiedenen Fachgruppen – jeder finde einen Platz, an dem er nützlich sein könne und der ihm entspreche.
Lukas Heinen ist seit diesem Jahr der Ortsbeauftragte und schon seit seinem zehnten Lebensjahr im THW: „Das Reizvolle für mich ist, neue Menschen kennenzulernen und aus dem Komfortsessel herauszugehen. Lange habe ich Jugendarbeit gemacht“, erzählt er: „Mich haben die glänzenden Augen der Kinder und Jugendlichen begeistert, wenn sie sich stolz in die Einsatzfahrzeuge setzen durften. Ich möchte den Ortsverband voranbringen und an die Spitze im Regionalbereich Aachen bringen.“
Mir gefällt am THW, dass hier jeder gefragt ist und seine Stärken einbringen kann.
Im Mittelpunkt aller Tätigkeiten des THW stehe das Ziel, Mitmenschen zu helfen und mit dem eigenen Tun eine hilfreiche Wirkung zu entfalten. Während normalerweise 200 bis 220 Stunden von jedem Helfer jährlich geleistet werden, waren es bei Heinen auch schon mal über 1000. Und das neben seinem Hauptberuf im Familienbetrieb.
Er ist seit der Gründung 1953 erst der vierte Ortsbeauftragte. Ein Amt, das scheinbar sehr erfüllend ist. Heinen freut sich, dass auch sein Vorgänger Dirk Preehl noch aktiv dabei ist und jetzt als Kreisbeauftragter die THW-Zusammenarbeit im Kreis koordiniert.
Heinens Wunsch ist es, vermehrt junge Frauen für die Arbeit des THW zu gewinnen. In der 30 Personen starken Jugendgruppe sind bislang nur wenige Mädchen dabei. „Wir freuen uns immer wieder über neue Helfer in unserem Ortsverband. Wir sind noch nicht voll“, bestätigt auch sein Stellvertreter Raphael Maus.
Mindestvoraussetzung für die Mitarbeit als Einsatzkraft ist lediglich, dass man 18 Jahre alt sein muss. Grundausbildungen und Fachausbildungen erfolgen dann im Laufe der Zeit. In die Jugendgruppe kann man schon ab dem zehnten Lebensjahr einsteigen. Dort setzt man sich spielerisch mit den Themen des THW auseinander.
Das THW investiert in seine Einsatzkräfte, damit ihre Taten Wirkung haben. Der EMMA-Abend endete darum auch ganz genüsslich mit Reflexion und Grillen.
Seit 1953 gibt es den THW-Ortsverband in Euskirchen
Das Technische Hilfswerk wurde 1950 bundesweit zum Zweck des Zivilschutzes gegründet. Es ist eine Bundesbehörde. Inzwischen ist es auch im Bereich der öffentlichen Gefahrenabwehr im In- und Ausland aktiv.
Der Ortsverband Euskirchen entstand im Jahr 1953, deutschlandweit organisieren sich aktuell 88.000 Einsatzkräfte in 669 Ortsverbänden.