Euskirchener Trinkwasserprojekt„Mama Lydia“ hat noch viel vor in Tansania

Lesezeit 5 Minuten

Euskirchen – Hahn auf, Hahn zu – Wasser ist für uns Menschen in Deutschland eine Selbstverständlichkeit. Wie sehr sich Leben verändert, wenn man keinen Zugang zu Wasser oder nur zu solchem mit schlechter Qualität hat, konnte man jüngst im Zusammenhang mit der Ebola-Katastrophe beobachten, die in Afrika Tausende dahinraffte. Dort, wo sauberes Trinkwasser und die einfachsten hygienischen Voraussetzungen fehlen, gibt es kaum eine Chance, Epidemien wie diese einzudämmen.

Im Umkehrschluss verändert sich das Leben in vielfältiger Weise, wenn Wasser plötzlich zur Verfügung steht. So geschehen nahe der Stadt Himo in der Region Kilimanjaro in Tansania. Die große Dürre der letzten Jahre führte in der Region nicht nur zu Missernten und Hungersnot, sondern auch zu gesellschaftlichen Veränderungen: Mädchen konnten nicht mehr in die Schule gehen, weil sie nachts zu den Wasserlöchern geschickt wurden, die in 25 bis 30 Kilometer Entfernung liegen. Immer wieder passierten dabei Unfälle – zwei junge Frauen starben durch Kobra-Bisse, eine andere wurde von einem Löwen getötet.

Als Lydia Lehan-Fisk, Musikpädagogin aus Euskirchen, vor bald fünf Jahren durch den tansanischen Pater Landelini Makiluli von dieser Not erfuhr, beschloss sie, zu helfen. Im Frühjahr dieses Jahres vermeldete die 69-Jährige nach Jahren nervenaufreibender Verhandlungen, großem organisatorischen Geschick und einer grandiosen Beharrlichkeit Erfolg: Ein 95 Meter tiefes Bohrloch schuf Zugang zu Unmengen von qualitativ hochwertigem Wasser, das sich dort in dem vulkanischen Erdreich sammelt und laut hydrogeologischem Gutachten für mindestens 50 Jahre rund 10 000 Menschen versorgen kann.

Alles zum Thema Jürgen Roters

Der Bericht des „Kölner Stadt-Anzeiger“, der im Mai dieses Jahres das Engagement von Lydia Lehan-Fisk vorstellte, weckte die Aufmerksamkeit von Sebastian Schiffer in Paderborn. Der Diplom-Ingenieur, der aus Firmenich stammt, hat sich spezialisiert auf erneuerbare Energien, dezentrale Energieversorgung und Infrastrukturlösungen, die vor allem auf dem afrikanischen Kontinent von großem Wert sind. „Sebastian Schiffer ist der größte Glücksgriff in der ganzen Geschichte“, schwärmt Lehan-Fisk über den Mann, der im November mit seinem Team nach Tansania reiste, um eine Tiefbrunnenpumpe zu installieren und ein zwei Kilometer langes Leitungsnetz zu verlegen. Das versorgt nun das von Pater Makiluli geleitete Ausbildungscenter mit seinen 850 Studenten sowie rund 10 000 Einwohner umliegender Ortschaften und der kleinen Stadt Himo mit Trinkwasser.

Zusätzlich wurden Bewässerungsanschlüsse für die Felder und Tierfarmen installiert – und ein drei Kubikmeter fassender Druckwasserbehälter. Bisher wurde Wasser in großen Plastiktanks gelagert, die ungeschützt in der Sonne standen, so dass sich innerhalb kürzester Zeit eine stark Keimbelastung entwickelte. „Nun findet fünf bis achtmal am Tag ein kompletter Austausch des Wassers statt. Und es hat eine sehr gute Qualität, ich habe selber schon davon getrunken“, erzählt Sebastian Schiffer.

Der 36-Jährige Ingenieur zeigte sich beeindruckt, wie gut Pater Makiluli die Schüler des Kilacha Production & Training Centers ins Boot geholt hatte. Nach Schiffers Ankunft in Tansania standen gut 100 Schülerinnen und Schüler mit Schaufeln und Schippen bereit, um den zwei Kilometer lange Graben für die Wasser- und Stromleitung zu graben. „Die Stimmung war gut, wir sind super aufgenommen worden. Und immer wieder kamen Bewohner der Region vorbei, um sich persönlich zu bedanken.“

Wie groß die Sorge war, dass die sprudelnde Wasserquelle vielleicht doch wieder versiegen könnte, zeigte sich an dem Tag, als Schiffer die Dichtigkeit der Leitung prüfen wollte. „Dafür muss man den Druck auf der Leitung auf sechs Bar erhöhen, was uns aber nicht gelang. Selbst der Vorratsbehälter wurde einfach nicht voll. Bis wir schließlich dahinter kamen, dass die Menschen vorsichtshalber auf Vorrat nonstop Wasser zapften.“ Es blieb nichts anderes übrig, als vorübergehend die Wasserhähne abzumontieren, damit der Drucktest durchgeführt werden konnte. „Ein schönes Bild bot sich auch an den Tagen nach dem Anschluss an die Leitung“, schmunzelt Schiffer. Kilometerlang zogen sich die Leinen mit frisch gewaschener Wäsche durch die Landschaft.

Mädchen können wieder zur Schule

Lydia Lehan-Fisk ist überglücklich, dass so viele Menschen in der Region nun Zugang zu etwas so Elementaren wie Wasser haben. „Und damit auch zu Bildung, denn nun können vor allem die Mädchen wieder in die Schule gehen“, freut sich die 69-Jährige, die die gesamte Organisation von Euskirchen aus gemanagt hat. Jeden Tag verbrachte sie viel Zeit am Telefon, die Rechnungen der letzten Jahre gehen mittlerweile in die Tausende Euro. „Man muss eine Person vor Ort haben, auf die man sich 100 Prozent verlassen kann, und das ist für mich Father Makiluli. Trotzdem kann es vorkommen, dass ich hier in Euskirchen sitze und einem Lkw-Fahrer in Tansania durchs Telefon klar mache, dass er jetzt nicht eigenmächtig durch die Gegend fährt, sondern ganz flott zur Baustelle kommt.“ Glücklicherweise kennt die Euskirchenerin die afrikanische Mentalität gut, war sie doch sieben Jahre mit einem Kongolesen zusammen.

70 000 Euro hat das Projekt bis jetzt gekostet, einen Großteil davon hat der Kölner Unternehmer Dr. Björn Stüwe übernommen. Die persönliche Schirmherrschaft, die Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters über das Projekt übernommen hat, sei ein Segen, sagt Lehan-Fisk. Sein Name schaffe das nötige Vertrauen, um großzügige Spender ins Boot zu holen. Und ohne die gehe es eben nicht: Von der tansanischen Regierung wurde langfristig keine Lösung des Wasserproblems in Aussicht gestellt.

Wer Lydia Lehan-Fisk kennt, weiß, dass sie keine halben Sachen macht. „Mama Lydia“ wie die Menschen in Tansania sie nennen, steckt bereits in der Planung für ein Baumprojekt: Dort, wo jetzt Ödland ist, stand früher dichter Wald. Zusammen mit dem Ausbildungszentrum von Father Makiluli soll wieder aufgeforstet werden. „Neben den alten Sorten pflanzen wir auch in großer Zahl Fruchtbäume, um die Bewohner mit Nahrung zu versorgen. Die Bewässerung der Setzlinge ist dank des Bohrloches und der Leitung ja gesichert.“

Erste Anträge auf Fördergelder hat die Euskirchenerin bereits geschrieben. „Es gibt noch viel zu tun!“, sagt Lehan-Fisk. Und aus ihrem Mund klingt es wie ein Versprechen.

Rundschau abonnieren