Zelt-Restaurant in Nettersheim„Freistaat Eifel“ wagt nach Flut-Zerstörung Neustart

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Recky Reck begrüßt seine ersten Gäste im Freistaat-Zelt.

Recky Reck begrüßt seine ersten Gäste im Freistaat-Zelt.

Nettersheim – Es war gleichermaßen ein Abend der Herausforderungen und der Esskultur. Geräucherte Forelle aus dem Krebsbachtal, Carbonade à la Flamande, Coq au Vin de pomme und als Abschluss eine Schokoladentart – dieses Menü hatte sich Andreas Reck, allgemein als Recky bekannt, für den Neustart seines Lokals „Freistaat Eifel“ vorgenommen. Nichts außergewöhnliches – abgesehen von der Tatsache, das Reck das alles auf zwei Gaskochern für 15 Gäste punktgenau in Restaurantqualität zubereitete.

Improvisation ist angesagt: Mit einem Grill und zwei Gaskochern arbeitet Andreas „Recky“ Reck derzeit.

Improvisation ist angesagt: Mit einem Grill und zwei Gaskochern arbeitet Andreas „Recky“ Reck derzeit.

Diese Aufgabe klingt eher nach einem weiteren Auswuchs des telemedialen Kochshowunwesens als nach gastronomischem Alltag. Doch von letzterem kann im Freistaat sowieso nicht mehr die Rede sein. Nach vielen Monaten Corona-Lockdowns gab es gerade einen Neustart, doch dann kam die Flut. Genau zwei Wochen habe er nach Corona wieder aufgehabt, bevor die Katastrophe über die Eifel hereingebrochen sei. Von den Wassermassen wurde nicht nur das Lokal an der Steinfelder Straße zerstört, auch ein Familienmitglied verlor sein Leben.

Neueröffnung im nächsten Jahr

Knapp zwei Monate nach der Katastrophe steht Reck wieder an einem, wenn auch improvisierten, Herd. Den Freistaat, wie seine Gäste ihn kannten, gibt es nicht mehr. Theke, Tische, Küche, alles ist raus. In dem alten Bruchsteinhaus beherrschen nun Bautrockner das Bild. „Immerhin muss der Estrich nicht raus“, sagt Reck. Er muss warten, bis die Grundsubstanz des Gebäudes wieder intakt ist, bevor er daran gehen kann, neue Geräte zu bestellen und eine neue Einrichtung aufzubauen. „Es muss trocknen, trocknen, trocknen. Eine zeitliche Perspektive habe ich bisher nicht“, so Reck. Er habe zwar eine Versicherung. Doch die werde nicht ausreichen. Zudem habe er viele Spenden erhalten. Er rechne er mit einer Neueröffnung im nächsten Jahr.

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Die Vorspeisen richtet Noa Mey an, die in der Zeltküche hilft.

Die Vorspeisen richtet Noa Mey an, die in der Zeltküche hilft.

Und bis dahin? Hände in den Schoß und abwarten ist nicht Recks Lebensmotto. „Ich habe vor Langeweile englische Kochvideos gesehen“, erzählt er. Dort sei auch ein Bericht über eine Frau gewesen, die in Paris in ihrer Wohnung jeden Abend vier Gäste bekocht habe. Von dieser Inspiration war es nicht mehr weit bis zu den zwei Zelten, die nun im kleinen Garten vor dem Restaurant stehen. Es ist das wohl erste Pop-up Restaurant in der Eifel, und die Idee kommt gut an. „Wir sind bis Ende Oktober ausgebucht“, freut sich Reck.

Bedienung in Eigeninitiative

Rund vier Meter lang ist das Zelt, in dem die Gäste zusammensitzen. Service gibt es nicht, bedient wird sich am Getränkekühlschrank in Eigeninitiative. Direkt daneben steht das Küchenzelt, in dem ein Grill und zwei Gasflammen sowie eine kleine Anrichte bereitstehen. „Ich arbeite mit begrenzten Mitteln“, so Reck. Er müsse Sachen vorbereiten, könne nicht backen und müsse improvisieren.

Gewinn spenden

Nur mit Anmeldung ist es möglich, an den samstäglichen Essen im Freistaat-Zelt teilzunehmen. Das Menü wird über Facebook mittwochs bekanntgegeben, dann ordern die Gäste den Hauptgang. Bis Ende Oktober ist das Zeltrestaurant bereits ausgebucht, so Reck.

Der komplette Gewinn der Abende im Zeltrestaurant geht als Spende an die Hilfsorganisation „Eifel für Eifel“. 25 Euro hatte Reck als Preis für das Menü festgelegt, doch darum gebeten, dass auch darüber hinaus gespendet werden möge. Und so hätten die Gäste meist knapp das Doppelte gegeben, teilte er nach der ersten Abrechnung mit. (sev)

Auch verfügt er nur über einen Kühlschrank – eine Tatsache, die auch beim Premierenabend am Samstag in die Speisenfolge grätschte. „Der ist so vollgestopft, dass ein Großteil des Salates gefroren ist und nicht verwendet werden kann“, gestand er schmunzelnd das Missgeschick. Da er nichts kühlen könne, gebe es auch nur einen Termin in der Woche. Dabei wird ein Menü angeboten, die Hauptspeise muss vorbestellt werden, damit Reck zielgenau einkaufen kann. Auch eine vegetarische Alternative könne bestellt werden. „Es gibt mir etwas zu tun, ich kann wieder kochen“, so Reck: „Und man kommt auf Ideen wie die, Brot auf dem Grill zu backen.“

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Unterstützt wird er von Noa Mey. Eigentlich habe sie bei Reck anfangen wollen, erzählt die ausgebildete Köchin, doch dann sei die Flut gekommen. Jetzt mache sie das Fachabi und helfe Recky als Hobby aus. Auch Lieferanten unterstützen Reck. So waren die Hähnchenkeulen eine Spende der Firma Lapinchen und der Frischkäse eine Gabe der Hofkäserei Bauer. Mehrere Kästen „Eifeler Helles“ hatten die Blanq-Bier-Initiatoren Mario Olzem und Kai Janssen mitgebracht, die auch gleich zum Essen blieben. „Wir waren die ersten, die sich für heute angemeldet haben“, erzählt Olzem. Natürlich sei das Essen gut, aber dazu sei das Restaurant im Zelt eine super Idee, sagte er.

Das Pop-up-Restaurant: links Gastraumzelt, rechts Küchenzelt.

Das Pop-up-Restaurant: links Gastraumzelt, rechts Küchenzelt.

Schön häufig war Julia Steuer aus Nettersheim, die mit Freunden gekommen war, zu Gast im Freistaat – und da sei es selbstverständlich, dass sie wiederkommen. Kooperation war angesagt im Zelt, denn einen Service gab es nicht. Schon vor der Hauptspeise hatten die Gäste sich bekanntgemacht, die Gespräche gingen wie die Getränke kreuz und quer. Die gefüllten Teller wurden im Fließbandverfahren in den hinteren Bereich und wieder zurück transportiert. Und schließlich halfen Besucher auch noch beim Abwasch.

Während der Hauptgang in den Topfen schmorte, zeigte sich bei Reck die erste Erleichterung über den gelungenen Abend. „Das Kochen auf den zwei Flammen ist gewöhnungsbedürftig“, sagte er. Diese könnten nur mittel oder groß, auf kleiner Flamme zu kochen sei schwierig. Und auch die Gäste waren es zufrieden. „Super, es schmeckt hier immer gut“, schwärmte Steuer.

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