- Die Fußballverbände Niederrhein und Westfalen rufen vor dem letzten Spieltag im Amateurfußball die Verantwortlichen zur Besonnenheit auf.
- Denn die Brutalität der Attacken habe zugenommen.
- Seit Jahren kommt es regelmäßig zu Ausschreitungen im Amateurfußball. Häufig werden Schiedsrichter beleidigt oder tätlich angegriffen, aber auch Spieler, Trainer, Betreuer und Zuschauer gehen aufeinander los.
- „Ein Abstieg oder ein verpasster Aufstieg ist absolut kein Grund für Beleidigungen oder Gewalt“, betont Manfred Schnieders, Vize-Präsident des westfälischen Fußball- und Leichtathletikverbandes.
Düsseldorf/Moers – Das Bezirksligaspiel zwischen dem gastgebenden VfL Repelen aus Moers und dem Dülkener FC ist bereits abgepfiffen, als Alexander B. am Sonntagnachmittag plötzlich vor Schmerzen schreit. Ein 22-jähriger Spieler des Gastgebers hatte dem 31-jährigen Torhüter mit dem Stollenschuh absichtlich in den Unterleib getreten. B. wird leicht verletzt und muss im Krankenhaus behandelt werden. Die Polizei ermittelt nun wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Schiedsrichter hatte den Platz zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen.
Schon während des Spiels, das 2:0 für Repelen endete, soll die Stimmung auf dem Platz auf geladen gewesen sein. Beide Mannschaften benötigten die Punkte; Repelen für den Aufstieg, Dülken für den Klassenerhalt. Landesweit kommt es in den unteren Amateurklassen sowie im Jugendbereich am Saisonende zu vielen hitzigen Duellen. „Ich mahne vor dem letzten Spieltag zur Besonnenheit. Gewalt schadet dem Bild des Fußballs in der Gesellschaft. Die Anerkennung für den Fußball sinkt dadurch“, sagt Manfred Schnieders, Vize-Präsident des westfälischen Fußball- und Leichtathletikverbandes.
„Ein Abstieg oder ein verpasster Aufstieg ist absolut kein Grund für Beleidigungen oder Gewalt“, betont Schnieders. Der Fußballverband Niederrhein (FVN) schließt sich dem Aufruf zur Besonnenheit an. Sicherlich gehörten Emotionen zum Fußball dazu, ganz besonders an einem letzten Spieltag im Amateurfußball, an dem es um Meisterschaft, Aufstieg oder Klassenerhalt gehe, so Jürgen Kreyer, Vizepräsident des Verbandes. „Aber trotzdem gilt es auch dann, G ewalt auf und um den Platz herum zu vermeiden. Im Fußball wird es immer Sieger und Verlierer geben und niemals dürfen die Emotionen zu Gewaltdelikten führen“, sagt Kreyer.
„Es wird direkt zugeschlagen”
Seit Jahren kommt es regelmäßig zu Ausschreitungen im Amateurfußball. Häufig werden Schiedsrichter beleidigt oder tätlich angegriffen, aber auch Spieler, Trainer, Betreuer und Zuschauer gehen aufeinander los. „Wir haben jedes Wochenende mindestens einen Fall mit Gewalttätigkeiten auf unseren Fußballplätzen“, sagt Schnieders. Die Brutalität habe deutlich zugenommen. „Wenn früher nur jemand beleidigt worden ist, wird heute oftmals direkt zugeschlagen“, sagt der Funktionär.
Diese laut Schnieders traurige Entwicklung bestätigte sich auch am Sonntag wieder einmal. Beim Spiel des Aplerbecker SC 09 gegen den FC Schalke 04 (Oberliga Westfalen) kam es seitens der Gelsenkirchener Anhänger zu Ausschreitungen. Die Polizei setzte Schlagstöcke und Pfefferspray ein.
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Beim Fußballverband Niederrhein hat man beobachtet, dass es bei Spielen in Ballungsgebieten deutlich öfter zu Vorfällen mit Gewaltdelikten als in den eher ländlich geprägten Kreisen kommt. Beide Verbandsfunktionäre betonen aber, dass es gemessen an der Zahl der Spiele sehr wenige solcher Delikte gebe – aber jeder Fall sei einer zu viel und werde nicht toleriert.
Acht Euro für Schiris bei Jugendspielen
Anzahl Etwa 2800 Schiedsrichter sind im Fußballverband Niederrhein im Einsatz.
Alter Das Schiedsrichter-Amt kann man ab dem 14. Lebensjahr ausüben.
Geld Die Aufwandsentschädigungen pro Spiel für einen Schiedsrichter liegen zwischen acht Euro bei Jugendspielen, 50 Euro (Oberliga Niederrhein) und 3800 Euro (Bundesliga).
Zudem haben Schiedsrichter freien Eintritt zu Bundesligaspielen.
Die Polizei sieht die Entwicklung auf den Amateurplätzen durchaus mit Sorge. „Die Zwischenfälle in den unteren Ligen kann man nur schwer vorhersehen, dennoch müssen wir dafür Kräfte einplanen“, sagt Erich Rettinghaus, NRW-Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Und diese würden dann wieder an anderer Stelle fehlen. „Daher kann man klar sagen: ,Die Gewalt in der Kreisliga belastet die Polizei.’“Der Schiedsrichterausschuss versucht an den letzten Spieltagen, möglichst erfahrene Spielleiter bei brisanten Begegn ungen einzusetzen.
„Regionalliga-Schiedsrichter können so auch mal in der Bezirks- oder Kreisliga pfeifen“, sagt Boris Guzijan, stellvertretender Vorsitzender des Schiedsrichterausschusses beim FVN. „Die Erfahrung kann deeskalierend wirken“, sagt er. Viel mehr als eine Aufwandsentschädigung bekommen die Schiedsrichter in den unteren Klassen nicht – und dafür müssen sie Kauf nehmen beschimpft zu werden.
Das Problem besteht laut FVN nicht darin, neue Schiedsrichter für die Lehrgänge zu gewinnen, sondern sie auch dann bei der Stange zu halten, wenn sie ihre ersten negativen Erfahrungen auf dem Platz gemacht haben. „Unser Schwerpunkt beim Verband muss und wird es sein, diese neuen, motivierten Jungschiedsrichter zu halten, also dafür zu sorgen, dass sie auch weiterhin Freude daran haben, Amateurspiele zu leiten“, sagt Vizepräsident Kreyer.