Rasant steigende Corona-ZahlenStadt Köln stellt Kontaktnachverfolgung weitgehend ein

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PCR Tests 2

Symbolbild 

Köln – Die Stadt Köln schlägt im Kampf gegen das Coronavirus einen neuen Kurs ein. Ab Montag kontaktiert das Gesundheitsamt infizierte Personen (Indexfälle) nicht mehr wie bisher persönlich. Positiv Getestete und deren Haushaltsangehörige erhalten keine Ordnungsverfügung mehr durch die Mitarbeiter.

Positiv Getestete müssen sofort in Quarantäne

Sobald das positive Test-Ergebnis bekannt ist, sind die Getesteten dazu verpflichtet, sich zu isolieren. Das gilt sowohl für einen PCR-Test als auch für einen Schnelltest, wenn die betroffene Person keinen PCR-Kontrolltest vornimmt.

Das teilte die Stadt am Freitag mit und macht damit Gebrauch von der neuen Corona-Test- und Quarantäneverordnung des Landes, die seit Donnerstag gültig ist. Das Ende der Isolierung erfolgt ab Montag ebenfalls ohne behördliche Anordnung.

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Frühestens durch eine Freitestung nach sieben Tagen, ansonsten nach zehn Tagen. Haushaltsangehörige von Infizierten müssen in Quarantäne, es sei denn, sie sind geboostert, frisch genesen oder vor maximal 90 Tagen doppelt geimpft worden.

Bei Bedarf schaltet sich das Gesundheitsamt ein

Infizierte können ihre Symptome über ein Online-Portal angeben und werden bei Bedarf gezielt vom Gesundheitsamt kontaktiert.

Auch Kontaktpersonen werden ab Montag nicht mehr durch das Gesundheitsamt kontaktiert. „Infizierte sollen ihre engen Kontaktpersonen außerhalb ihres Haushalts laut neuer Landesverordnung selbstständig kontaktieren“, heißt es in der Mitteilung der Stadt. Die Eigenverantwortung, an die die Verwaltung auch in der Vergangenheit immer wieder appelliert hatte, wird nun also noch wichtiger. Kontaktpersonen sollen sich im Anschluss „bestmöglich isolieren“ und sich testen lassen.

Lange hielten die Kölner an der Kontaktverfolgung fest

Der neue Kölner Weg im Umgang mit Index- und Kontaktpersonen ist nicht weniger als eine 180-Grad-Wendung. Während andere Gesundheitsämter – auch im Kölner Umland – die Kontaktverfolgung teilweise oder ganz eingestellt haben, hielt die Kölner Verwaltung an ihrem Kurs fest. Dies sei ein wichtiges Instrument, um die Pandemie zu bekämpfen und Infektionsketten zu brechen, betonte Gesundheitsamtsleiter Johannes Nießen immer wieder.

Um die Verfolgung aufrecht zu erhalten, drehte die Stadt in den letzten Monaten an vielen Stellschrauben. Dauerhaft stellte das Gesundheitsamt neue Mitarbeiter ein, beschleunigte die Schulungen der neuen Kräfte und versuchte, die Anrufdauer bei der Kontaktierung der Indexfälle zu verkürzen. „Köln gibt nicht auf“, fasste Gesundheitsdezernent Harald Rau die Bemühungen Mitte Dezember zusammen, als der Stapel der nicht kontaktierten Indexpersonen bereits mehrere Tausend Fälle umfasste.

Die Omikron-Welle macht einen Strich durch die Rechnung

Nachdem neben den zwischenzeitlich steigenden Zahlen im November und Dezember auch noch ein Softwarefehler für Chaos sorgte, bekam das Gesundheitsamt die Lage Mitte Dezember weitestgehend wieder in den Griff. Doch schon in den vergangenen Tagen zeichnete sich ab: Für die Omikron-Welle reichen die Maßnahmen nicht. Bei mehreren Tagen in Folge mit über 2000 Neuinfektionen ist die Grenze des Machbaren überschritten.

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Am Freitag meldete das Robert-Koch-Institut für Köln 2029 Neuinfektionen, Schätzungen zufolge dürften eher 3000 sein. Wenn man davon ausgeht, dass jede Indexperson durchschnittlich drei Kontakte angibt, ergeben sich täglich 9000 Kontaktpersonen. Dieser Zahl hinterherzukommen, die jeden Tag größer wird, ist für das Gesundheitsamt nicht mehr möglich.

Nur 253 der Fälle fielen auf den Vortag. Der Rest waren Nachmeldungen. Positive PCR-Test-Ergebnisse also, die die Labore teilweise schon vor über einer Woche gemeldet hatten. Der Rundschau sind aktuelle Infektionsfälle bekannt, in denen Indexpersonen auch sechs Tage nach dem positiven Laborbefund nicht persönlich vom Gesundheitsamt informiert wurden. Die hohe Zahl der Nachmeldungen führt zu kaum aussagekräftigen aktuellen Sieben-Tages-Inzidenzen. Der Wert war laut Gesundheitsdezernent Harald Rau zuletzt erst sechs Tage im Rückblick einigermaßen aussagekräftig. Dass Labore mit der Masse an PCR-Test-Ergebnissen aktuell nur schwer hinterherkommen, verzögert den Prozess zusätzlich. Und wieder stellte sich die Frage: Wie viel Sinn macht es noch, Infizierte persönlich zu informieren, wenn die Quarantäne möglicherweise bereits vorbei ist, wenn das Gesundheitsamt anruft?

Schon zu Beginn der Woche beriet die Stadt wie berichtet darüber, wie es weitergehen soll. Jetzt ist klar: Es gibt keine Wahl. Den Kurs so beizubehalten wie bisher, ist mit Blick auf die steigenden Zahlen schlichtweg nicht mehr möglich. Denn die Zahlen steigen weiter.

Hintergrund: So funktioniert das digitale Symptomtagebuch

Wer ein positives Testergebnis erhält, kann sich im Digitalen Kontaktmanagement-Portal (DiKoMa) der Stadt selbstständig eintragen. Bisher bekamen Infizierte dazu den Link per Mail, in der kommenden Woche wird dieser öffentlich zugänglich freigeschaltet.

In dem Portal können Infizierte ihre Gesundheitsdaten, Vorerkrankungen und ihren Impfstatus eintragen. Ein Teil des DiKoMa-Portals ist das digitale Symptomtagebuch.

Eine wichtige Funktion ist die sogenannte Verschlechterungsmeldung. Gibt ein Infizierter an, seine Situation habe sich im Vergleich zum Vortag verschlechtert, meldet sich zeitnah eine Ärztin oder ein Arzt telefonisch, um persönlich über die Symptome zu sprechen und zu beraten. „Die Verschlechterungsmeldung ist ein Instrument, dass uns extrem wichtig ist und das aus meiner Sicht sehr gut genutzt wird“, sagte Gesundheitsdezernent Harald Rau der Rundschau.

Die Arbeitszeit der Ärzte, die sich um die Betreuung der Infizierten kümmern, entspricht laut Stadt etwa 15 Vollzeitstellen. „Dem Gesundheitsamt geht es vor allem darum, diejenigen zu kontaktieren, die gerade dringend Hilfe brauchen“, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Mit der Erfahrung von zwei Jahren sei gut zu erkennen, wer wirklich Hilfe benötigt. Der ärztliche Rat lässt dann nicht lange auf sich warten. Rund um den Jahreswechsel dauerte es nach der Meldung keine fünf Minuten, bis sich ein Arzt meldete.

Die im Symptomtagebuch eingegebenen Daten ermöglichen der Stadt zusätzlich eine Einschätzung der Gesamtlage. „In bestimmten Fragestellungen erfolgen wissenschaftliche Auswertungen. Diese erfolgen jeweils, nachdem ein Ethikvotum eingeholt wurde, und werden ausschließlich anonymisiert genutzt“, teilt die Stadt mit.

Eine rote Warnmeldung in der Corona-Warn-App berechtigt zukünftig nicht mehr zu einem kostenlosen PCR-Test im Infektionsschutzzentrum im Gesundheitsamt am Neumarkt. Die Stadt fordert in diesem Fall stattdessen zu einem Bürgertest auf. Dies soll der Überlastung der Labore entgegenwirken. (sim)  

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