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WettbewerbBergisch Gladbacher Schülerin schreibt über Wohnpark Bensberg und gewinnt Preis

Lesezeit 4 Minuten
Die Preisträgerin und ihr Lehrer stehen nebeneinander vor einem Bücherregal und halten ein Geschichtsbuch in der Hand.

Alva Juraschek, Schülerin Otto-Hahn-Gymnasium in Bergisch Gladbach, und Lehrer Fabian Bien freuen sich über den zweiten Platz beim Bundesgeschichtswettbewerb.

In „Zwischen Luxus und Ghetto“ räumt die 17-jährige Alva Jurascheck mit Vorurteilen auf. Sie erhält den Preis des Bundesgeschichtswettbewerbs.

Die 17-jährige Schülerin Alva Jurascheck vom Otto-Hahn-Gymnasium hat einen der zweiten Bundespreise des renommierten Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten 2022/2023 gewonnen. In ihrer Arbeit „Zwischen Luxus und Ghetto“ räumt sie auf mit Vorurteilen zum Wohnpark Bensberg. Ein Ergebnis ihrer Recherchen lautet: „Die abwertenden Begriffe Klein-Manhattan oder Ghetto sollten nicht mehr genutzt werden.“

Aus der Ferne wirkt die Bockenberg-Siedlung wie ein Großstadt-Ghetto. Fast bedrohlich ragen die Hochhäuser mit bis zu 19 Geschossen 54,5 Meter hoch in die Luft und verdecken den Blick auf die Welt dahinter, in die die Preisträgerin in ihrem Beitrag eintaucht.

Negativer als Ruf als Ghetto

„Der negative Ruf des Wohnparks hat mich schon immer fasziniert. Ich wollte wissen, was es damit auf sich hat“, erklärt Alva Jurascheck, warum sie sich dazu entschieden hat, auf Spurensuche in die Nachbarschaft zu gehen.

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Für ihre mehr als 30-seitige Arbeit recherchierte sie nicht nur im Stadtarchiv, sondern lässt vor allem ehemalige und jetzige Bewohner zu Wort kommen. Sie nahm Kontakt zum Bergischen Geschichtsverein, Abteilung Rhein-Berg auf: „Das hat mir sehr geholfen.“

Weitere Quellen waren Zeitungsartikel und Bücher über die Stadtgeschichte, die unterhaltsam angereichert durch Anekdoten und Zitate von Zeitzeugen ausgewertet werden. „Es war aufregend, wie sich nach und nach neue Möglichkeiten auftaten“, sagt die Schülerin.

Den Untersuchungszeitraum habe sie auf den Zeitraum zwischen den 1960er bis Ende der 1980er Jahre begrenzen müssen. Die meisten der Archivquellen für die Zeit danach unterlägen noch einer Sperrfrist, berichtet sie. „Vielleicht trägt der Beitrag dazu bei, dass sich die Sicht auf das Quartier verändert“, sagt Geschichtslehrer Fabian Bien, der die Forschungen der Schülerin begleitet hat. „Bei mir ist das auf jeden Fall so“, betont die Preisträgerin.

Hohe Kriminalität, viele Bewohner mit Migrationshintergrund lauten die Vorurteile, die auch Alva Jurascheck immer wieder zu hören bekommt. „Wenn bei uns am Otto-Hahn-Gymnasium ein Fahrrad gestohlen wird, kommt gerne mal der Spruch: Guck doch mal in Klein-Manhattan, ob es da rumsteht“, berichtet die Schülerin des Abiturjahrgangs in ihrer Einleitung.

Plattenbauten mit 1000 Wohnungen war als Luxusanlage angelegt

Vor Beginn des Projekts ist sie selbst noch nie im Wohnpark gewesen, obwohl sie nicht weit entfernt in Bensberg-Kaule aufgewachsen ist. „Es war für mich ein ominöser Ort, wo ich nicht sein wollte“, sagt sie.

Spannend fand sie, dass die Wohnblöcke mit fast 1000 Wohnungen geradezu als Luxusanlage unter anderem mit Sauna und Schwimmhalle angelegt war. Der Frage nach dem Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Luxus und Ghetto geht sie ihrer Arbeit nach.

Statistiken weisen keine höhere Kriminalität aus

Aufgrund der Massivität der Gebäude habe es schon damals Kritiker in der Bensberger Bevölkerung gegeben. Das Schlechtreden des Wohnprojekts verbunden mit dem Namen Klein-Manhattan sei erst im Nachhinein aufgetreten, berichten Zeitzeugen, als später Eigentumswohnungen in Sozialwohnungen umgewandelt wurden.

Erstaunt habe sie nach den vielen Gesprächen, die sie führte, dass sehr viele Menschen Berührungsängste mit dem Viertel hätten. Dabei weisen Statistiken der Polizei keine erhöhte Kriminalität aus, wie Alva Jurascheck in Erfahrung brachte.

Am Ende kommt die Schülerin zu dem Fazit, dass in Bezug auf den Wohnpark nicht von einem Ghetto gesprochen werden kann. „Hier sieht man deutlich, wie lange sich ein schlechter Ruf halten kann.“ Dazu hätten auch die Bensberger selbst ihren Teil mit beigetragen. „Leider hat mich das fremdenfeindliche, das viele Bensberger von der Siedlung haben, nicht überrascht.“

Sie findet es traurig, dass mit der Wohnsituation Vorurteile und Klischees verbunden sind. „Als ich das erste Mal im vermeintlichen Klein-Manhattan war, war ich sehr überrascht, wie anders alles war, als ich es mir vorgestellt habe und wie viele freundliche und hilfsbereite Bewohner ich getroffen habe.“


Der Wettbewerb

Der Geschichtswettbewerb der Hamburger Körber-Stiftung und des Bundespräsidenten „Mehr als ein Dach über dem Kopf. Wohnen hat Geschichte“ haben sich dieses Jahr 1651 Schülerinnen und Schüler beteiligt. Rund 800 Tutoren begleiteten die Teilnehmer bei ihren Arbeiten. Auf Bundesebene wurden jeweils fünf erste Preise (je 2.500 Euro), 15 zweite Preise (je 1.500 Euro) und 30 dritte Preise (je 750 Euro) vergeben.

Der Beitrag von Alva Jurascheck zum Wohnpark Bensberg, ist in Auszügen im 28. Band der Jahresschrift des Bergischen Geschichtsvereins, Abteilung Rhein-Berg, erschienen. „Das ist mir eine große Ehre“, sagt die junge Autorin. Auch ihr Tutor Lehrer Fabian Bien freut sich über den Erfolg seiner Schülerin. (ub)

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