Weltweit einmalige Praxiskonferenz für den Schutz verletzlicher Verkehrsteilnehmer in Bensberg setzt seit 20 Jahren Maßstäbe.
Internationale PraxiskonferenzWenn das Auto den Fußgänger in Bensberg selbst rettet

Praxiskonferenz Fußgängerschutz Bast Bensberg
Copyright: Christopher Arlinghaus
Mit ordentlich Tempo biegt der Wagen um die Ecke, als das Kind plötzlich losläuft. Eine brenzlige Situation. Die Menschen am Straßenrand bleiben dennoch ruhig, verfolgen aufmerksam interessiert, wie der Wagen plötzlich automatisch stehen bleibt und das Kind vor ihm über die Fahrbahn geht – wie am Morgen im Vortrag im Bergischen Löwen angekündigt. Einmal im Jahr treffen sich in Bergisch Gladbach Verkehrssicherheitsexperten aus aller Welt, um neue Entwicklungen für mehr Fußgängerschutz im Straßenverkehr auszutauschen.

Sieht gefährlich aus, doch das Unfallopfer ist ein moderner Dummy.
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Seit 20 Jahren veranstalten Dirk-Uwe Gehring und Helge Böhme mit ihrer auf dem Gelände der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen in Bensberg ansässigen BGS Böhme und Gehring GmbH in Kooperation mit der Carhs Training GmbH aus dem fränkischen Alzenau eine weltweit einzigartige Praxiskonferenz, um den Straßenverkehr für Fußgänger, aber auch für andere wenig geschützte Verkehrsteilnehmende etwa auf Pedelecs oder E-Scootern sicherer zu manchen.
2675 Teilnehmer aus aller Welt haben die Praxiskonferenz in den vergangen 20 Jahren besucht.
„Das ist ein Anfahrversuch“, erklärt Dirk-Uwe Gehring die Demonstration mit dem auf einer ferngesteuerten Plattform montierten Kind, das ausgerechnet dann auf die Fahrbahn läuft, wenn das Auto in die Seitenstraße einbiegt. Das in dem Wagen eingebaute automatische Fußgängererkennungs- und Notbremssystem müsse in jeder Situation zuverlässig arbeiten, erläutert Gehring. Deshalb werde ein Abbiegevorgang mit vorgeschrieben unterschiedlichen Kurvenradien und Geschwindigkeiten getestet.
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Nach dem simulierten Verkehrsunfall werden die Daten des Aufpralls aus den Sensoren des hochmodernen Crashtest-Dummys ausgelesen.
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Die Ingenieure, Entwickler und Vertreter aus Forschung, Behörden, von Automobilherstellern und Zuliefererunternehmen aus aller Welt verfolgen die Vorführungen gespannt. Auch Bernd Lorenz, der zuständige Referatsleiter für passive Fahrzeugsicherheit und Biomechanik der BASt, auf deren Gelände der praktische Teil der mehrtägigen Sicherheitskonferenz stattfindet, ist dabei. „Das ist Praxis zum Anfassen“, sagt er. Solche standardisierten Tests seien die Voraussetzung für die Zulassung von Sicherheitssystemen, erläutert sein Stellvertreter Oliver Zander.
In der 20-jährigen Geschichte der Bensberger Praxiskonferenz hat sich einiges getan
In 20 Jahren, da die Praxiskonferenz Fußgängerschutz in Bergisch Gladbach stattfindet, hat sich einiges getan. Allein was die bei Unfallsimulationen eingesetzten Testdummys heute alles erfassen ist enorm. Ein Motor heult auf, ein Kleintransporter fährt auf das Testgelände und erfasst den täuschend echt aussehenden „Testmenschen“ in voller Fahrt. Der wird auf die Motorhaube aufgeladen, fliegt durch die Luft und prallt auf den Asphalt. Statt Ersthelfern laufen Techniker mit einem Auswertungscomputer zu ihm hin, verkabeln das „Unfallopfer“ und können umgehend sehen, welche Verletzungen es erlitten hat.

Eine Kopfnachbildung, mit der sich Aufprallszenarien auf Motorhauben oder Windschutzscheiben simulieren lassen, zeigt Dirk-Uwe Gehring, der die Praxiskonferenz Fußgängerschutz mit veranstaltet.
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Ob Motorhauben, die sich bei einem Aufprall so schnell verformen, dass sie einen großen Teil der Aufprallenergie aufnehmen können, oder Windschutzscheiben, die zielgenau zersplittern, sobald ein Körper auftrifft – auch bei den Fahrzeugen selbst wurde viel unternommen, um die Folgen eines Unfalls abzumildern. „Die tödlichsten Unfälle sind noch die, bei denen das Unfallopfer gegen die A-Pfosten links und rechts der Windschutzscheibe prallt“, weiß Dirk-Uwe Gehring.
In ihrem Unternehmen verwenden er und sein Compagnon Helge Böhme Nachbildungen von Köpfen, Hüften oder Beinen, sogenannte Impaktoren, mit denen sich tausendfach wiederholbar in Versuchsanlagen bestimmte Aufprallsituationen auf Motorhauben, Stoßstangen oder Windschutzscheiben testen lassen. Die in ihnen verbauten Sensoren erfassen genau, wie gut eine Fahrzeugfront nachgibt, wie hoch die verbleibenden Kräfte sind, die auf Kopf, Bein oder Hüfte einwirken und welche Verletzungen sie verursachen können.
Prüflabore der BASt stehen ebenso auf Konferenzprogramm wie Crashtestanlagen
Die Prüflabore der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen stehen ebenso auf dem Konferenzprogramm für die mehr als 120 Teilnehmenden aus 14 Nationen, darunter China, Korea und Mexiko, wie die Crashtestanlagen der BASt. Eine bislang lediglich als Prototyp existierende Motorhaube eines großen deutschen Automobilherstellers, die sich bei einem Unfall noch vor einem Aufprall leicht aufstellt und so die Energie des Aufpralls zu einem Teil abfangen kann, ist hier ebenso zu sehen wie die Einteilung von Windschutzscheiben für standardisierte Tests in unterschiedlichen Feldern, auf denen Aufprallszenarien simuliert werden.

Oliver Zander von der BASt erläutert die Anprallbereiche von Fußgängern und Radfahrern an einem Pkw.
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In Vorträgen im Bergischen Löwen liefern Experten der BASt, von Automobilherstellern, Forschungseinrichtungen, Dienstleistern und Universitäten nach der Begrüßung durch BASt-Präsident Prof. Dr. Markus Oeser den theoretischen Hintergrund zum Praxisteil und brandneue Forschungsergebnisse.
„Diese Praxiskonferenz, die wir seit 2006 auch während der Corona-Jahre immer haben stattfinden lassen können, ist nach wie vor die weltweit größte Konferenz zum Thema Sicherheit von verletzlichen Verkehrsteilnehmern wie Fußgängern, Radfahrern und Fahrern von motorisierten Zweirädern“, freut sich Dirk-Uwe Gehring: „Ein Drittel der Teilnehmer sind in der Regel Stammgäste, ein Drittel kommt über die Jahre immer mal wieder und ein Drittel sind jedes Mal neu.“ Die Praxiskonferenz Fußgängerschutz aus Bensberg zieht auch im 20. Jahr immer noch weitere Kreise.
Was die Welt zu Gast im Rheinland am Abend zu sehen bekommt
Wie bringt man Sicherheitsexperten aus aller Welt Land, Leute und Region in einer Praxiskonferenz in Bergisch Gladbach näher? Mit einem Abendprogramm, das auch vor dem Elften im Elften einen Einblick in die fünfte Jahreszeit im Rheinland gibt.

Für ihren Auftritt vor internationalem Publikum erhielt die Rösrather Bürgergarde stürmischen Applaus. Gehring
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Konferenz-Mitorganisator Dirk-Uwe Gehring, der privat in Rösrath zu Hause ist, organisierte kurzerhand die Tanzgruppe der Rösrather Bürgergarde für das Abendprogramm, zu dem das internationale Fachpublikum, ins „Joseph's“ im Kölner Rheinauhafen eingeladen war. Die Gäste, die aus Ländern von Mexiko bis Japan angereist waren, zeigten sich begeistert von den Tanzkünsten der auch in der Region weithin geschätzten Tanzgarde. (wg)