Konzert „Unger Uns“Roter Teppich für Musiker und Publikum in Bergisch Gladbach

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Das Publikum bei „Unger Uns“

Das Publikum bei „Unger Uns“

Bergisch Gladbach – Der Berufsverkehr rauscht über den Lerbacher Weg. In der Alten Kirche ist er kaum zu hören, so dick sind die Mauern des früheren Gotteshauses, das seit dem Neubau der Kirche auf der anderen Straßenseite Ende der 1950er Jahre als Pfarrsaal genutzt wird. Frank Lohmar und seine Mitarbeiter von „Show-Equipment“ rollen Kisten und Koffer herein, proppenvoll mit Scheinwerfern, Lautsprechern und Kabeln.

In nicht mal 36 Stunden steigt hier ein Konzert, auf das sich auch die Techniker freuen. „Das sind hier immer Super-Musiker und die Stimmung ist unglaublich“, sagt Frank Lohmar. „Da toben wir uns mal etwas aus und bauen auch mal was mehr auf“, ergänzt Jan Wester. 40 Meter Traversen, an die 50 Scheinwerfer und Moving-Lights, 400 Meter Kabel und 20 000 Watt Front-Ton sind vorgesehen. „Die fahren wir natürlich nicht ganz aus“, sagt Wester schmunzelnd. Der Overather Karnevalsprinz der vergangenen Session weiß, wie man Stimmung macht. Das beginnt in der Alten Kirche von Heidkamp schon beim effektvollen Ausleuchten der Saalwände.

Einen Traum erfüllt

Thomas Mersch nimmt die Schonbezüge von den gerade angelieferten Barhockern. Der Refrather hat die „Unger-Uns“-Konzerte vor drei Jahren ins Leben gerufen und sich damit einen Traum erfüllt. „So klein, dass man aus der letzten Reihe noch die Instrumente stimmen kann . . .“, hat er mal selbst gesagt. Diesmal gibt es nicht mal Reihen, zumindest keine Stuhlreihen. „tanzbar“ prangt auf den Plakaten, heißt: weniger Stühle, mehr tanzbare Rhythmen.

Wolf Simon, der musikalische Leiter, hat für den nächsten Abend wieder eine spannende Mischung von Musikern zusammengebracht von: BAP-Gitarrist Helmut Krumminga über Rockröhre Yvonne Rüller bis zu Nico Gomez, der den Heidkamper Saal schon zusammen mit Klaus Lage gerockt hat. Der Rest ist Session und der Spaß, gemeinsam etwas auszuprobieren, und das Publikum ist hautnah dabei.

24 Stunden vor Konzertbeginn ist nur einer im Saal: Mario Kesteleyn richtet das Licht ein. „Jetzt habe ich Ruhe“, sagt er. Erst spät am Abend zieht er die alte Kirchentür hinter sich zu. Am nächsten Morgen werden die letzten Wandvertäfelungen mit schwarzem Stoff kaschiert, der Saal ist kaum noch wiederzuerkennen: Metallträger ragen in den Bühnenhimmel, Kerzenleuchter rahmen die Szenerie, selbst an den Waschbecken der Toiletten verteilt Thomas Mersch Kerzen. Anja Keller hängt die neue T-Shirt-Kollektion am „Unger-Uns“-Büdchen auf. „Hier steppt der Wolf“, steht darauf – mal schauen, wie Wolf Simon darauf reagieren wird. . . Keller und ihre Kollegin Cordula Hellmann haben als „Anziehbar & Wandelbar“-Team noch weitere Entwürfe parat: Zwischen „Unger-Uns“-Schlüsselanhängern und Schals gibt es auch „Die mit dem Wolf tanzt“ im Kurz-Ärmel-Look oder die „Dancing Queen“.

Didi Schopp und Dominik Kremer rollen vor dem Saal schon mal den roten Teppich aus. „Alles für unsere Gäste“, sagt Schopp lächelnd. Zusammen mit Mersch führt er in Köln die Agentur „sem4u“. Die Konzerte in Heidkamp sind ihre private Leidenschaft.

Bassist Marius Goldhammer ist der erste Musiker, der am Nachmittag in den Saal kommt, Instrument und Konzertgarderobe geschultert. Schlagzeuger Wolf Simon hat seinen Sohn Max mitgebracht. Der 16-Jährige will das Konzert am Abend für den Vater auf Video aufnehmen. Der Lehrer seines Bruders steht mit auf der Bühne: Martin „Schmiddi“ Schmidt soll mit seiner Rockstimme am Abend einen Überraschungseffekt landen. Merschs Sohn Phil hilft Didi Schopp beim Verkleiden der Mischpult-Rückwand – „Unger-Uns“ ist Familiensache.

Die Musiker spielen „Feeling Good“ an, Soundcheck, Jan Wester regelt das Mischpult ein. Yvonne Rüller sitzt barfuß auf einem Barhocker und hört zu. In der Pause packt Keyboarder Christian Frentzen Brötchen aus, die er eben im Supermarkt geholt hat . Thomas Mersch schleppt Getränke in den ersten Stock. Die frühere Kirchenempore wird heute zur Musikergarderobe. Eine eigene Toilette gibt es nicht, die Musiker gehen aufs Gäste-WC am Saal, Star-Allüren gibt es nicht, man ist ja „Unger-Uns“. Nichts, was hier nicht zusammenpasst: Michael Jaegers vom Partyservice Schmitz baut den Reibekuchenbräter neben dem Roten Teppich auf.

„Ich glaube, ich brauch jetzt mal fünf Minuten, um zu überlegen, was ich nachher auf der Bühne sagen will“, überlegt Mersch, doch erst muss noch eine Türklinke gerichtet werden. Mitarbeiterin Alexandra Doering weist die 22 Helfer für die Theken im Saal ein. Garderobier Stefan Coninx wird an dem lauen Sommerabend wohl wenig zu tun haben.

Liedtexte zum Mitsingen

Petra Suchard wartet noch auf die handgeschriebene Set-List aus der Musikergarderobe. Vom Logo bis zum Getränkechip hat die Grafik-Designerin „Unger-uns“ entworfen. Den Ablaufplan benötigt sie für die Songtexte, die sie per Video-Beamer auf der Leinwand über der Bühne einblendet, damit die Konzertbesucher mitsingen können. Die ersten Gäste stehen in der Tür. Thomas Mersch atmet durch, alles steht. „Verdammt schön, dass ihr hier seid“, begrüßt er die Gäste von der Bühne.

Mehr als 200 sind im Saal, das ist gut, die Hälfte der Karten sind erst in der letzten Woche verkauft worden. Immer noch finden nur wenige Einheimische den Weg zu den außergewöhnlichen Konzerten. Iris ist an diesem Abend zum ersten Mal da und sofort angetan: „Ich singe selbst in einer Band, aber diese Stimmen...“ Nico Gomez lebt den Soul in jedem Ton von „Feeling Good“, Yvonne Rüller rockt „Who Knew“ und Martin Schmidt „Walking in Memphis“ – im Saal bleibt kaum ein Fuß neben dem anderen. Helmut Krumminga greift beim Stones-Klassiker „Stop Breaking Down“ zum Mikro und spielt sich bei Soli insbesondere mit Christian Frentzen ein übers andere Mal musikalisch die Bälle zu. Vom Barkeeper bis zur Grafik-Designerin neben dem Mischpult feiern auch die Organisatoren mit. Die Stimmung ist ausgelassen, das Publikum hin und weg. „Ganz unger uns eben“, strahlt Thomas Mersch.

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