Behörde wirft Andreas Erdmann erhebliche Verstöße vor. Ein Jurist äußert ethische Bedenken gegen seine Art der Wahlkampfführung.
Umstrittenes GewinnspielKerpener BBK-Bürgermeisterkandidat hat Stress mit Datenschützern

Der parteilose Andreas Erdmann (l.) tritt in Kerpen für das BBK als Bürgermeisterkandidat an. Vorsitzender des Bündnisses ist David Held.
Copyright: Bürgerbündnis Kerpen
Bürgermeisterkandidat Andreas Erdmann hat ein Problem mit der Datenschutzbeauftragten des Landes (LDI). Bettina Gayk wirft dem Bewerber des Bürgerbündnisses Kerpen (BBK) mehrere Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vor. Er hatte in Kerpen Flyer verteilt, worauf Bürgerinnen und Bürger nach ihrer Meinung zu lokalpolitischen Themen gefragt werden. Die Teilnahme an der Befragung ist mit einem mit 800 Euro dotierten Gewinnspiel verknüpft, bei dem personenbezogene Daten wie Name, Anschrift und weitere Angaben (unter anderem Geschlecht, Stadtteil) erhoben werden.
Die Datenschützer bemängeln, dass die Angaben an Dritte gelangen könnten: Die ausgefüllten Fragebögen sollen unter anderem bei Frisören, Metzgern und Gastwirten in Boxen geworfen werden. Dies berge das Risiko, dass Unbefugte Zugriff darauf erhalten können, teilte ein LDI-Sprecher auf Anfrage dieser Redaktion mit. Es fehlten Angaben zu technischen und organisatorischen Maßnahmen zum Schutz der Daten.
Wir Politikerinnen und Politiker haben die Aufgabe, die Stimme der Bürgerinnen und Bürger auf ehrliche und respektvolle Weise einzuholen
Insgesamt weise der Wahlkampf-Flyer nebst Gewinnspiel sechs datenschutzrechtliche Defizite auf – insbesondere in Bezug auf Transparenz, Datenminimierung, Zweckbindung und Datensicherheit. Der Sprecher versicherte, seine Behörde nehme „den geschilderten Fall selbstverständlich ernst“ und werde sich an Erdmann persönlich oder das BBK wenden.
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Erdmann, der politisch bisher nicht in Erscheinung getreten ist und keiner Partei oder Wählergruppe angehört, bedauert die Versäumnisse. Er habe die erforderlichen Schritte umgehend veranlasst, nachdem er vonseiten dieser Redaktion auf die fehlenden Angaben aufmerksam gemacht worden sei. Er habe „die fehlenden Informationen zur Datenverarbeitung, Speicherung und zu den Rechten der Teilnehmer transparent auf der Website und in weiteren Kommunikationskanälen nachgereicht“.
Und weiter: Alle bereits eingegangenen Rückläufer würden vertraulich behandelt und nach den Vorgaben der DSGVO verarbeitet. Er werde die Teilnehmer, die bereits den Flyer zugesandt haben, nachträglich über die genauen Datenschutzbestimmungen informieren und ihnen die Möglichkeit geben, der Datenverarbeitung zu widersprechen oder ihre Teilnahme zurückzuziehen, teilte der Geschäftsführer einer Firma für Sportbekleidung und -zubehör mit. Er betont, er habe den Flyer ohne Absprache mit dem BBK drucken lassen.
Erdmanns Konkurrenz um das Bürgermeisteramt betrachtet die Verknüpfung von Bürgerbefragung und Gewinnspiel skeptisch. Politische Überzeugung entstehe durch Dialog, durch das Ringen um die besten Argumente – nicht durch materielle Anreize, sagt beispielsweise Dr. Christian Pohlmann (FDP): „Wir Politikerinnen und Politiker haben die Aufgabe, die Stimme der Bürgerinnen und Bürger auf ehrliche und respektvolle Weise einzuholen. Wenn wir dafür auf Gewinnspiele zurückgreifen müssen, läuft etwas Grundlegendes falsch.“
Kerpen: Bürgermeisterbewerber von SPD und CDU äußern sich nicht
Er bemängelt zudem das Fehlen der Datenschutzhinweise. Das sei kein bloßes Detail: Wer politische Verantwortung übernehme, müsse sich an dieselben Regeln halten, die er oder sie von der Gesellschaft einfordere. Annika Effertz, Bürgermeisterkandidaten der Grünen, schlägt in dieselbe Kerbe: „Alle Kandidatinnen und Kandidaten haben einen anderen Stil und unterschiedliche Schwerpunkte im Wahlkampf. Wir Grünen setzen dabei eher auf konkrete Inhalte mit lokalem Bezug.“
Harald Stingl (CDU) sagte, er bewerte den Wahlkampf der anderen Kandidatinnen und Kandidaten nicht: „Das entspricht zum einen meiner Grundhaltung, aber auch der Absprache zwischen uns Kandidatinnen und Kandidaten, einen fairen Wahlkampf zu führen.“ Thomas Jurczyk (SPD), ließ die Anfrage um eine Stellungnahme unbeantwortet.

Dr. Christian Pohlmann (FDP) kritisiert Flyer und Gewinnspiel.
Copyright: Elena Pintus
Der Kerpener Wahlleiter Thomas Marner sieht keinen Handlungsbedarf, Erdmanns Wahlkampf-Flyer zu beanstanden. Der Inhalt des Gewinnspieles sei, Feedback der Bürgerinnen und Bürger einzuholen und so aktuelle Themen zu erfassen. Es finde keine Verbindung zur Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger statt, teilte der Erste Beigeordnete in Vertretung des erkrankten Bürgermeisters Dieter Spürck mit. Wählerinnen und Wähler würden nicht in ihrer Wahlfreiheit beeinträchtigt oder beeinflusst.
Zudem „sind die Teilnahmebedingungen transparent dargestellt, auch der Jugendschutz ist eingehalten“. Alle notwendigen Regeln für Gewinnspiele seien berücksichtigt worden.

Der Jurist Markus Ogorek erhebt ethische Bedenken gegen die Wahlwerbung des BBK-Kandidaten.
Copyright: Universität Köln
Professor Dr. Markus Ogorek von der Universität zu Köln ist Experte für Kommunalrecht. Er bewertet Erdmanns Aktion als „ungewöhnliche Form der Wahlwerbung“. Wie Marner sieht auch er den Grundsatz der freien Wahl nicht gestört. Auch einen möglichen Vorwurf des Stimmenkaufs sieht er nicht gegeben. Verfassungs- und verwaltungsrechtlich sei Erdmanns Kampagne daher nicht zu beanstanden.
Gleichwohl äußert der Jurist ethische Bedenken: „Das Ganze hat ein Geschmäckle und zeigt Tendenzen zum Populismus. Ich hielte es für problematisch, wenn es Schule machen würde, dass Wahlkämpfer solche finanziellen Anreize schaffen.“ Es sei ja nicht auszuschließen, dass Bewerber anderer Parteien über größere finanzielle Mittel verfügten und noch ganz andere Anreize schaffen könnten, sagt Ogorek.
Der BBK-Vorsitzende David Held räumt ein, dass die fehlenden Angaben bezüglich des Datenschutzes ein „bedauerliches Versäumnis“ seien. Er verweist gleichwohl darauf, dass Wählergruppierungen wie das BBK keinen juristisch geschulten Apparat im Rücken hätten wie die etablierten Parteien: „Für so was sind wir zu klein“, sagte der erfahrene Kommunalpolitiker. Beruflich ist Held als Datenschutzbeauftragter der Gemeinde Wachtberg bei Bonn beschäftigt.