Für unsere Serie besuchen wir den Einzelhandel im Rhein-Erft-Kreis. In dieser Folge: Das Schuhgeschäft Wirtz in Kerpen-Sindorf.
Serie „LadenLokal“Schuhgeschäft in Kerpen startete 1957 auf vier Rädern

Edith Wirtz, die Frau vom Fach, hier zusammen mit ihrem Bruder Herbert Wirtz.
Copyright: Margret Klose
Dass Schuhe glücklich und zufrieden machen können und sogar das Lebensgefühl heben, daran hat Edith Wirtz (63) nicht die leisesten Zweifel. „Wer einmal in zu engen Schuhen gelitten und Schmerzen ertragen hat, der weiß, was ich meine“, sagt sie. „Minuten können sich dabei schnell wie Stunden anfühlen“, berichtet ihr Bruder Herbert Wirtz aus eigener Erfahrung. „Heutzutage muss aber kein Mensch mehr für schöne Schuhe leiden“, stellt Edith Wirtz klar.
Und sie weiß sehr genau, wovon sie spricht. Edith Wirtz ist schließlich vom Fach. Schon als Kind hat sie lieber mit Schuhkartons gespielt als mit Bausteinen. Kaum aus der Schule ist sie nach einer Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau direkt ins elterliche Unternehmen eingestiegen – in deren Schuhgeschäft.
Kerpen: Schuhgeschäft Wirtz startete 1957 in Sindorf
Als ihre Eltern das Schuhgeschäft am 18. September 1957 in Kerpen-Sindorf in der Fuchsiusstraße eröffneten, war Edith Wirtz noch nicht geboren. „Sindorf war mit 1800 Einwohnern damals auch wirklich noch ein Dorf“, berichtet Herbert Wirtz. Das einzige Gewerbe sei die Glasfabrik gewesen, die damals Glasbausteine für Neubauten in ganz Deutschland herstellte.
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Sein Vater sei erst 1951 aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt. Zunächst habe er dann mit seinem Bruder eine Schuhmacherei in Berrendorf geführt. Schnell wollte er jedoch auf eigenen Beinen stehen.
„Ich weiß noch, wie er aus Holzbrettern Regale in den Kastenaufbau seiner Tempo Goliath baut“, berichtet der 72-Jährige. Als mobiles Schuhgeschäft sei er mit dem Fahrzeug zwischen 1953 und 1957 in die umliegenden Dörfer zu Arbeiterfamilien des Braunkohle-Tagesbaus gefahren – Fortuna, Oberaußem und Niederaußem etwa. Und überall habe man sich über sein Kommen gefreut. „Vater gewährte auch all seinen Kunden zinsfreie Kredite“, weiß Herbert Wirtz. Und: „Nicht ein einziger seiner Kunden ist ihm jemals auch nur einen Pfennig schuldig geblieben.“
Auswahl an Schuhen war 1957 noch begrenzt
Mit dem mobilen Schuhshop habe sich sein Vater das finanzielle Fundament für den Bau des Schuh- und Wohnhauses in Sindorf geschaffen. Für den Aushub mit dem Bagger sei allerdings kein Geld dagewesen. „Vater grub den Keller mit dem Spaten aus“, erklärt er.
Der Laden sei zunächst nur 80 Quadratmeter groß gewesen. „1957 war die Auswahl an Schuhen ja auch noch ziemlich übersichtlich“, berichtet Edith Wirtz. Es habe eigentlich nur braune und schwarze Schuhe gegeben – und Winter- und Sommerschuhe.
Das Wirtschaftswunder hat dann aber schnell Farbe und Vielfalt in die Läden gebracht, auch in die Schuhgeschäfte. Von zunächst 80 Quadratmetern wurde das Geschäft Anfang der 1970er-Jahre auf 140 Quadratmeter ausgebaut. Und sogar dieser Platz wurde fast ein bisschen eng, als Ende der 1970er-Jahre Edith Wirtz mit ins Unternehmen einstieg. „Meine Eltern ließen mir ja völlig freie Hand“, erzählt sie. So zogen bald auch passend zu den Schuhen Handtaschen, Schals, Jacken und Kleider ein. „Mein Augenmerk lag auf qualitativ guter und modischer, aber auch bezahlbarer Ware“, erklärt sie. Und an diesem Konzept hält sie bis heute fest.
Personalschwierigkeiten nach der Pandemie
In den 1990er-Jahren eröffnete sie sogar zwei weitere Filialen im EKZ in Hürth. Mit ihrem Lebenspartner Peter Flören, der viel zu früh gestorben ist, hat sie in den 1990er-Jahren auch eine Komplettsanierung und -modernisierung des Stammhauses in Sindorf geplant und mit Beginn des neuen Jahrtausends auch umgesetzt.
Heute sagt sie: „Es gibt eine Zeit vor Corona und eine Zeit danach.“ 18 Monate habe auch sie ihre Geschäfte bei laufenden Kosten geschlossen halten müssen. „Vielen Kollegen aus der Branche hat das das Genick gebrochen – die sind pleite gegangen“, berichtet sie. Auch sie musste drauflegen, die Folgen sind bis heute spürbar.
Personal sei nach der Pandemie kaum zu bekommen. „Wir mussten aus Mangel an Fachkräften den beratungsintensiven Kinderschuhverkauf einstellen“, erklärt sie. Auch ihre zweite Filiale im Hürth-Park hat sie aufgegeben. „Heute sind wir Spezialisten für Menschen mit besonderen Fußproblemen“, sagt sie stolz. Dazu gehören Übergrößen und besonders weite, aber auch weiche Schuhe, damit auch weiterhin kein Mensch mehr für schöne Schuhe am Fuß leiden muss.