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Umweltschützer besorgtRote Brühe läuft in Kerpen von den Hängen

Lesezeit 3 Minuten
Auf dem Foto ist rot gefärbtes Wasser zu sehen, bedingt durch Eisen- und Schwefelverbindungen, die in ein Rückhaltebecken gelangen.

Aus der Berrenrather Börde lösen sich Eisen und Schwefelverbindungen, sie färben das Wasser rot und lassen es sauer werden.

Es sei nicht auszuschließen, dass belastetes Wasser in die Erft fließe. Es handelt sich um schwermetall- und eisenhaltigen Schlamm.

Wenn es regnet, strömt eine rot-orange Brühe von den Hängen der Berrenrather Börde. Das Problem kennen die Türnicher seit Jahren. Regelmäßig entfernt der Erftverband den roten Schlamm, um die Schäden an der Natur so weit wie möglich einzudämmen.

Doch trotzdem fließt genug davon in das Rückhaltebecken im Gewerbegebiet an der Röntgenstraße. Naturschützer sorgen sich, dass der schwermetall- und eisenhaltige Schlamm das Becken verstopft – und fürchten Folgen für die Erft.

„Das Wasservolumen über dem Schlamm, der sich in den vergangenen Jahrzehnten im Becken abgesetzt hat, wird immer kleiner“, sagt Jutta Schnütgen-Weber vom BUND. „Von der Logik her müsste das Becken jedes Mal überlaufen, wenn es stärker regnet.“ Und dann sei nicht auszuschließen, dass belastetes Wasser in die Erft fließe. Ein Foto von Grünen-Politikerin Marion Küke, das der Redaktion vorliegt, scheint das zu belegen. Das Foto zeigt, wie rötliches Wasser aus einem Kanal in die Erft strömt.

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Verband nimmt jede Gefahr für die Erft ernst

Der Erftverband beobachte das Becken genau, sagt der Hydrogeologe Stephan Lenk, Experte für Grundwasser beim Erftverband. „Meine Kollegen sehen aktuell noch keinen Handlungsbedarf. Wenn aber in den nächsten Jahren ein kritischer Füllstand erreicht wird, gehe ich davon aus, dass wir das Becken frei machen würden.“

Jede Gefahr für die Erft nimmt der Verband ernst. Denn die Europäische Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet den Verband, die Erft sauber zu halten. Die Wasserqualität darf sich also nicht verschlechtern. Im Optimalfall verbessert sie sich sogar.

Wie das rote Wasser enthält auch der Schwamm Schwefelsäure

Untätig ist der Erftverband in den vergangenen Jahren nicht geblieben. Um zu verhindern, dass der eisenhaltige Schlamm die Natur belastet, säubert der Verband regelmäßig die Kanäle entlang der Berrenrather Börde. In der Nähe eines Betonwerks an der B 264 wird der Schlamm gelagert und gekalkt, damit er weniger sauer ist. Denn wie das rote Wasser auch enthält der Schlamm Schwefelsäure.

Verantwortlich dafür ist das Pyrit im Kies der Berrenrather Börde. Das auch als Narrengold bezeichnete Mineral ist ein natürlicher Bestandteil des Bodens im rheinischen Revier. Normalerweise liegt das Pyrit tief in der Erde. Weil es aber mit der Braunkohle abgebaggert wurde, landete es auf Kippen wie der Berrenrather Börde – und gerät dort in Kontakt mit dem Sauerstoff aus der Luft, der es oxidieren lässt. Dadurch werden Eisen und Sulfate frei. Das Eisen färbt den Schlamm rötlich. Die Sulfate und das Wasser reagieren zu Schwefelsäure.

Wir haben 500 Milligramm Eisen pro Liter an der Quelle gemessen
Stephan Lenk

Die Säure sorgt für eine zunächst paradoxe Beobachtung: Je mehr Eisen ausfällt, desto weniger Eisen fällt aus. „Wir haben 500 Milligramm Eisen pro Liter an der Quelle gemessen, aber auch 800 Meter entfernt, wo das Wasser viel klarer, aber saurer ist“, sagt Lenk. „Das heißt: Der überwiegende Teil des Eisens bleibt wegen der PH-Wert-Senkung im Wasser gelöst und lagert sich nicht ab.“ Lenk ist also zuversichtlich, weil das Metall die Böden nicht so stark wie befürchtet belastet.

Auch für Flora und Fauna sind die Auswirkungen nicht apokalyptisch. „Die Natur ist erstaunlich robust gegenüber diesem Wasser. Aber es kommt natürlich vor, dass Bäume absterben“, erläutert Schnütgen-Weber. Wasservögel wie Enten etwa schwimmen regelmäßig im Rückhaltebecken.

Lebewesen wie kleine Krebse, Algen und Amöben können in Wasser mit einem derart niedrigen PH-Wert allerdings nicht lange überleben. Der niedrige PH-Wert hat noch einen weiteren Nachteil: Durch ihn lösen sich Schwermetalle wie Arsen und Nickel. Beide Stoffe wies eine Untersuchung des Instituts Fresenius schon 2010 im Sediment der Börde nach.

Mit dem roten Wasser werden die Menschen im Umkreis der Berrenrather Börde noch lange leben müssen. Und das nicht nur in Kerpen, sondern auch in Erftstadt und Hürth. Erst nach 150 Jahren sind Stoffe wie das Sulfat vollständig aus dem Gestein gespült.

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