Bedburg – Eine neue Kirche in einem alten Gotteshaus: Dieses Phänomen gibt es künftig in Bedburg. Die Alt-Heilig-Katholische Kirche richtet in den Räumen an der Robert-Koch-Straße eine Filialkirche der St. Paulus Gemeinde Köln-Ehrenfeld ein – die Kirche St. Franziskus. Es sei ein Glücksfall gewesen, dass er bei der Immobiliensuche im Internet auf das Angebot der neuapostolischen Kirche gestoßen sei, berichtet Kaplan Raymond Hamacher. Die Kirche war schon lange nicht mehr für Gottesdienste in Gebrauch, hatte sich doch die neuapostolische Gemeinde mit der in Bergheim zusammengetan.
Nun ist die St. Paulus Gemeinde Mieterin des Gebäudes und räumt kräftig auf. Draußen werden Büsche, Bäume und Sträucher gerodet, drinnen wird der Kirchraum mit den Gegenständen eingerichtet, die es für einen katholischen Gottesdienst braucht: Altar, Tabernakel, Taufbecken, ewiges Licht – alles soll spätestens zur Einsegnung am 22. Juni an seinem Platz stehen. Eine neue Orgel, Bänke und Gebetbücher sind bereits da.
„Für einen Kreuzweg“, berichtet Hamacher „wollen wir künftig in der Gemeinde Spenden sammeln.“
Auch ansonsten ist die Alt-Heilig-Katholische Kirche auf freiwillige Gaben der Gläubigen angewiesen, da sie keine Kirchensteuer erheben darf. In der Rechtsform ist die Gemeinde daher ein Verein. Ohne Mitgliedsbeiträge und Verpflichtungen, wie Hamacher betont: „Jeder ist willkommen, sich bei uns umzuschauen.“ Die Geistlichen haben wegen dieser Struktur auch alle weltliche Berufe. Der Bedburger Hamacher etwa ist Heilpraktiker und Psychotherapeut.
Wer bei „Alt-Heilig-Katholisch“ an lateinische Messen und eine besonders strenge Auslegung des Glaubens denkt, liegt falsch. Die Hauptunterschiede zur römisch-katholischen Kirche, auf die die Alt-Heilig-Katholische zurückgeht – die Abspaltung der ursprünglichen Altkatholischen Kirche erfolgte nach dem 1. Vatikanischen Konzil 1870, die Alt-Heilig-Katholische Kirche formierte sich in den 1970er Jahren –, liegen zum einen darin, dass die Unfehlbarkeit des Papstes nicht anerkannt wird und er nicht Oberhaupt der Kirche ist. Zum anderen gibt es den Zölibat nicht, Pastoren dürfen verheiratet sein. Ansonsten gelten aber für die Seelsorger die gleichen Bestimmungen, wie in der römisch-katholischen Kirche auch: Ein Theologiestudium ist notwendig, ebenso eine Weihe in apostolischer Sukzession. Das heißt, nur wer selbst geweiht wurde, darf später andere weihen. Der rote Faden lässt sich so bis zum Apostel Petrus zurückverfolgen. Ebenfalls gleich sind die Sakramente, von der Taufe bis zur Krankensalbung.
„Wer zu unseren Gottesdiensten kommt, wird kaum einen Unterschied bemerken“, ist Hamacher überzeugt. Einzig in einigen Gebeten gebe es Abweichungen, der liturgische Ablauf sei hingegen gleich. Auch gelten die Sakramente jeweils in beiden katholischen Kirchen: getauft ist getauft.
Bei manchen Auslegungen gönnt sich die Alt-Heilig-Katholische Kirche aber mehr Freiheiten: Die Kommunion etwa darf jeder Christ empfangen, egal welcher Konfession und ob geschieden oder nicht. „Wir schließen niemanden aus“, sagt Hamacher.
Zweite Heirat
möglich
Auch sei unter besonderen Umständen eine zweite kirchliche Heirat möglich, etwa wenn jemand in der ersten Ehe Opfer von Gewalt geworden sei, erklärt der Kaplan. Homosexuelle Paare erhalten auf Wunsch einen kirchlichen Segen. „Uns darf jeder seelsorgerisch in Anspruch nehmen“, betont Hamacher. Dies gelte auch für Sterbebegleitung oder sonstige Notsituationen.
Bisher gibt es in Deutschland nur sechs Alt-Heilig-Katholische Gemeinden. „Auf den amerikanischen Kontinenten ist unsere Kirche viel verbreiteter“, sagt Hamacher. Der zuständig Erzbischof, Rainer Laufers, residiert daher auch in Kanada und wird zur Weihe der Kirche nicht anreisen.
Die Einsegnung und den Gottesdienst am 22. Juni um 15 Uhr übernimmt Pastor Manfred Amon als Bischofsvikar. Er und seine insgesamt drei Kapläne werden künftig die Gottesdienste in St. Paulus und St. Franziskus abhalten. In der neuen Kirche finden bis zu 120 Gläubige Platz.
Künftig treffen sich alle Interessierten sonntags um 9.30 Uhr zum Frühstück in den Gemeinderäumen, der Gottesdienst beginnt um 11 Uhr. Wenn sich die Gemeinde etwas etabliert hat, kann sich Raymond Hamacher gut vorstellen, die Kirche auch für Kulturveranstaltungen wie Konzerte zu öffnen und offene Gemeindeabende mit Vorträgen anzubieten.