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Neunkirchen-SeelscheidWie Daouda Kaba den Weg aus dem Flüchtlingsheim an die Uniklinik schaffte

4 min
Daouda Kaba hat seine zweite Ausbildung abgeschlossen und ist nun Pflegefachmann an der Uniklinik, Dr. Joseph Lütke Entrup aus Neunkirchen-Seelscheid begleitet ihn seit elf Jahren.

Daouda Kaba hat seine zweite Ausbildung abgeschlossen und ist nun Pflegefachmann an der Uniklinik, Dr. Joseph Lütke Entrup aus Neunkirchen-Seelscheid begleitet ihn seit elf Jahren.

Ohne Fleiß kein Preis: Diese deutsche Redensart hat sich Daouda Kaba zu eigen gemacht. Seit elf Jahren lebt der Guineer in Deutschland.

Der Weg bis zum examinierten Pflegefachmann ist schon unter idealen Bedingungen kein Spaziergang, besonders nicht für Geflüchtete wie Daouda Kaba, der schon im Vorfeld zahlreiche Hürden überwinden musste. Ohne Dr. Joseph Lütke Entrup wäre er trotz Fleiß und Ehrgeiz wohl nicht so weit gekommen, meint der 27-Jährige. Kaba, der drei Jahre lang in der Geflüchtetenunterkunft in Neunkirchen lebte, besucht seinen „Paten“ regelmäßig.

An diesem Tag hat er das druckfrische Abschlusszeugnis dabei, zugeschickt von der Bezirksregierung. Zwischen ihrem Kennenlernen und seinem bislang größten beruflichen Erfolg liegen elf Jahre, unzählige Unterrichtsstunden in Deutsch, zahlreiche Anträge, Behördengänge, Eingaben, Widersprüche.

Seinen Paten besucht der 27-Jährige regelmäßig in Neunkirchen-Seelscheid

In dieser Zeit bestand der Westafrikaner alle Sprachprüfungen, er legte den Hauptschulabschluss ab, absolvierte ein Praktikum und soziales Jahr in der Uniklinik Bonn, danach eine Ausbildung zum Pflegeassistenten, sammelte drei Jahre Berufserfahrung, zuletzt in der Neurologie.

Jetzt ist er Krankenpfleger, so hieß der Beruf für männliche Absolventen ursprünglich, später umbenannt in Gesundheits- und Krankenpfleger und seit kurzem in Pflegefachmann. Seinen neuen Arbeitsvertrag hat er schon in der Tasche: Zum 1. September wechselt er in die Innere Medizin.

Dass er Lütke Entrup begegnete, auf der Hauptstraße in Neunkirchen, das war zugleich Zufall und Glück. „Ich spreche alle Schwarzen an“, erzählt der Pensionär mit einem Augenzwinkern. 30 Jahre lang arbeitete er für die Konrad-Adenauer-Stiftung in vielen Ländern Afrikas, in Sambia, Nigeria, Äthiopien, Kamerun und in Kenia, wo seine drei Kinder die Schule besuchten.

Zum Glück habe ich einige Jahre in Paris gearbeitet.
Dr. Joseph Lütke Entrup sprach Daouda Kaba zunächst auf Englisch, dann auf Französisch in Neunkirchen an

Die engen Verbindungen hielten bis heute, der 87-Jährige engagiert sich für Hilfsprojekte auf dem Kontinent und in der Flüchtlingshilfe im Bergischen. Die Kenntnis der deutschen Sprache war der Schlüssel zu Daoudas Erfolg, das weiß der promovierte Diplom-Landwirt, der auf einem Bauernhof im Münsterland aufgewachsen ist.

Als der Jugendliche auf seine englischen Worte nicht reagierte, versuchte es Lütke Entrup mit Französisch, „ich habe auch einige Zeit in Paris gearbeitet“. In Guinea in der Schule habe er Französisch gelernt, erzählt Kaba, dessen Muttersprache Susu ist. Mit 16 Jahren flüchtete der Vollwaise, erhebliche Streitigkeiten innerhalb seiner Familie hätten sich zu einer für ihn lebensgefährlichen Situation entwickelt.

Ihm blieb ein einziger Kontakt in der Heimat, sein bester Freund. Den werde er nun erstmals seit elf Jahren wiedersehen. In ein paar Tagen fliegt er nach Conakry, der Hauptstadt von Guinea. An eine solche Reise sei lange Jahre nicht zu denken gewesen, so Kaba, nicht nur wegen seines enormen Lernpensums.

Daouda Kaba will die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen

Seine seit 2021 unbefristete Niederlassungserlaubnis ermöglicht ihm die Ausreise und die Rückkehr nach Deutschland, seine zweite Heimat, die ihm Zuflucht gewährte, aber viele Jahre keine Sicherheit.

Als die Abschiebung von Daouda Kaba drohte und zwei Verfahren vor Gericht scheiterten, habe ihm die Kölner CDU-Abgeordnete Serap Güler den entscheidenden Hinweis gegeben, berichtet Lütke Entrup. Die Härtefallkommission des Landtags prüfte den Fall des fleißigen Auszubildenden und sprach die entscheidende Empfehlung aus.

Der nächste Schritt erscheint logisch: Der Pflegefachmann will die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Hat er weitere Ziel und Träume? Er wolle jetzt noch mehr Berufserfahrung sammeln, später auf die Intensivstation wechseln, dann soll die zweijährige Fachausbildung folgen.

Nach drei Jahren in der Geflüchtetenunterkunft Neunkirchen wohnt Kaba nun an der Klinik

Nachfrage: und privat? Er lächelt. „Irgendwann will ich eine Familie gründen.“ Und eine Wohnung finden. Bislang bietet ihm die Uniklinik eine Unterkunft, zunächst in dem Wohnheim für Auszubildende, jetzt in dem für Examinierte, „ein Appartement mit eigener Küche und Bad“, dafür sei er dankbar. Zu drei Kollegen pflegt er engeren Kontakt, ein Eritreer, ein Kameruner, verheiratet mit einer Deutschen, und ein Deutscher, verheiratet mit einer Kenianerin, „wir helfen uns gegenseitig“. 

Mit seinem „Paten“ geht der 27-Jährige regelmäßig wandern, einmal im Jahr nimmt ihn der 87-Jährige mit zu den großen Familientreffen im Münsterland. Die jüngsten politischen Entwicklungen, der Erfolg der AfD, erfüllen Lütke Entrup und Kaba wenn auch nicht mit Angst, so doch mit Sorge.

Dabei gehe es nicht in erster Linie um ihn, sagt der Guineer, sondern um alle Pflegekräfte, „die meisten kommen ja aus dem Ausland und bringen so viele Erfahrungen auch aus Kriegs- und Krisengebieten mit“. Ohne sie würde das deutsche Pflegesystem doch zusammenbrechen.      

Hat er selbst Rassismus erlebt? Nur einmal sei er offen verbal angegriffen worden, von einem älteren Patienten, „der war aber dement“. Der Sohn habe mit seinem Vater gesprochen, und dieser habe reagiert: „Er hat sich am nächsten Tag bei mir entschuldigt.“