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Trotz ErfolgsGemeinde Neunkirchen-Seelscheid schließt Musikschule

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Schild der Musikschule in Neunkirchen-Seelscheid.

Fast Geschichte: Die Musikschule wird Ende des Jahres dicht gemacht.

Die Bilanz zeigt steigende Schülerzahlen, dennoch macht die Gemeinde ihre Musikschule dicht. Der Rat stimmte bedauernd zu. Was sind die Hintergründe? 

Ein Erfolgsmodell wird dichtgemacht. Wer ein Instrument erlernen oder Gesangsunterricht nehmen will, kann dies ab dem kommenden Jahr an der Musikschule der Gemeinde nicht mehr tun. Diesem Vorschlag der Verwaltung folgte der Rat einstimmig – wobei alle Fraktionen ihr Bedauern äußerten.

Neunkirchen-Seelscheid wird vermutlich mit diesem Schritt nicht allein stehen in Deutschland. Denn hier wie dort stellt sich die Frage: Wer soll das bezahlen?

Musikschule Neunkirchen-Seelscheid macht schon jetzt ein Minus von 123.000 Euro

Musikschulen brauchen Zuschüsse der öffentlichen Hand, und das zunehmend. Das sogenannte Herrenberg-Urteil zwingt alle Kommunen dazu, für Honorarkräfte künftig Sozialversicherungsbeiträge abzuführen, das muss 2026, nach einer Übergangsfrist spätestens 2027 umgesetzt werden. Das würde an der Musikschule der verschuldeten bergischen Gemeinde 18 Lehrerinnen und Lehrer betreffen, die 19. Lehrkraft, die Leiterin, ist fest angestellt.

Das Ziel: Freiberufler sozial abzusichern. Doch Städte und Gemeinden in der Haushaltssicherung dürfen, grob gesagt, nur noch Pflichtaufgaben finanzieren. Und der Musikunterricht ist eine freiwillige Leistung. Das Defizit liegt derzeit schon bei etwa 123.000 Euro, durch das Urteil würde es sich nach Hochrechnungen um weitere 50.000 Euro erhöhen.

Die Schülerzahlen so zu steigern, dass aus dem Minus zumindest eine schwarze Null würde, sei nicht machbar, das hatte Swantje Rietz-Wildenberg, die seit drei Jahren die Musikschule leitet, im Kulturausschuss erläutert.  

Zahl der Lehrkräfte in Neunkirchen-Seelscheid von 34 auf 19 zurückgegangen

1473 Personen nahmen im Jahr 2024 das Angebot wahr, die Mehrzahl davon, etwa 1200, Kinder und Jugendliche. Die Kurse musikalische Früherziehung und musikalische Grundausbildung waren am besten besucht, danach folgen Holzblas-, Zupf- und Tasteninstrumente.

Die Schülerzahlen waren im Vergleich zum Vorjahr (1344) um mehr als zehn Prozent gestiegen; die Zahl der Lehrer hatte sich hingegen fast halbiert: von 34 auf 19. Das hing mit der gemeinsamen Trägerschaft mit dem Antoniuskolleg zusammen, aus der das katholische Gymnasium unter dem Dach des Malteserordens Ende 2023 ausstieg.

Swantje Rietz-Wildenberg leitet seit drei Jahren die Musikschule in Neunkirchen-Seelscheid.

Swantje Rietz-Wildenberg leitet seit drei Jahren die Musikschule in Neunkirchen-Seelscheid.

Die Abschaffung der Musikschule bedeute nicht das Auslaufen aller Angebote, betonte die Verwaltung. Durch die Projekte „Jekits“ und „Kultur macht stark“ des Landes Nordrhein-Westfalen könnten Kinder im Kindergarten- und Grundalter weiterhin an die Musik herangeführt werden. Diese Angebote seien entweder kostenlos oder kostengünstig und sollten zum 1. Januar nahtlos anschließen. 

Die Finanzierung dieser Programme sei so bemessen, dass nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlte Lehrkräfte eingesetzt werden könnten. Diese erhielten allerdings nur befristete Arbeitsverträge, da die Teilnahme an den Landesprogrammen in der Regel an eine Projektdauer geknüpft sei oder (bei Jekits) die Eltern die Teilnahme aufkündigen könnten.

Koordiniert würden diese und weitere kulturelle, auch generationenübergreifende Aktivitäten idealerweise in einem neuen Fachbereich Kultur, so die Verwaltung. Der oder die Kulturbeauftragte solle auch lokale Vereine und Künstler miteinbinden. Das Ziel einer „kulturellen Teilhabe“ und einer „strukturellen Kulturentwicklung“ sei laut Gemeinde auch ohne Musikschule zu realisieren. Die bisherige halbe Stelle würde aufgestockt, die Mehrkosten über die Bildungsprogramme des Landes refinanziert.

Der Rat votierte einstimmig für diese Lösung. Die Verwaltung kann nun fristgerecht Verträge kündigen, nicht nur mit den 18 Honorarkräften, sondern unter anderem auch mit der GEMA.  

Wer künftig ein Instrument erlernen oder Gesangsunterricht nehmen will, hat zum einen die Möglichkeit, an eine Musikschule benachbarter Kommunen zu wechseln, falls dort Kapazitäten frei sind. Zum anderen gebe es Privatlehrerinnen und -lehrer. Diese könnten über ihr Angebot auf der Homepage der Gemeinde informieren, denkbar sei ein Button ähnlich dem Angebot „Praktikum und Ausbildung“ unter der Sparte „Bildung & Soziales“. Eine Vermittlung erfolge hierbei jedoch ausdrücklich nicht.