Haushalt im MinusWas sich Ruppichteroth wegen leerer Kassen nicht leisten kann

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Sanierung der Hauptstraße in Winterscheid.

Die kleinste Gemeinde des Rhein-Sieg-Kreises steht finanziell mit dem Rücken zur Wand.

Deutschlandticket, Glasfaserausbau: Die kleinste Gemeinde in Rhein-Sieg muss wegen der klammen Haushaltslage viele Projekte auf Eis legen.

Ein Deutschlandticket wird es für die Kinder im Schulverkehr der Gemeinde Ruppichteroth nicht geben, solange nicht feststeht, dass das Land die Kosten übernimmt. Die arme Bröltalgemeinde kann sich den Eigenanteil nicht leisten, und Düsseldorf bleibt offenbar bei vagen Versprechungen.

Auch für das Programm „Graue Flecken“ des Rhein-Sieg-Kreises, das den Glasfaser-Gigabit-Ausbau im Kreis vortreiben soll, fehlt das Geld. Einen Förderantrag für die Neugestaltung des Dorfplatzes kann Ruppichteroth nur stellen, weil der örtliche Heimatverein sich bereiterklärt hat, den Eigenanteil der Kommune als Spende zu übernehmen.

Ruppichterother Verwaltung ruderte bei Erhöhung der Grundsteuer zurück

Als der Haushalt für das laufende Jahr 2023 am Dienstag im Gemeinderat einstimmig verabschiedet wurde, war die Stimmung gedämpft. Mehrmals hatte die im Frühjahr eingerichtete Finanzkommission beraten. Herausgekommen war eine geringfügige Verbesserung im Zahlenwerk. Stellen werden nicht besetzt. Das Defizit beträgt nun knapp unter drei Millionen Euro.

Im Frühjahr hatte Kämmerer Klaus Müller 3,3 Millionen Euro Minus ausgerechnet und Bürgermeister Mario Loskill, Bürger und Politiker fast auf die Barrikaden getrieben, als er vorschlug, die Grundsteuer B für bebaute Grundstücke auf 1550 Punkte fast zu verdreifachen. Das hätte den Etat ausgeglichen.

Nach heftiger Kritik beschloss der Rat im Mai 745 Punkte. Im Haushalt nach wie vor eingeplant sind Investitionen in Höhe von 13,2 Millionen Euro, unter anderem die Fertigstellung der Hauptstraße in Winterscheid und der Bröltalhalle, sowie der Bau und die Erweiterung von Kindergärten. An freiwilligen Ausgaben sieht der 23,7 Millionen Euro starke Verwaltungshaushalt gerade einmal 4070 Euro vor.

CDU-Fraktionschefin übt scharfe Kritik an Bürgermeister Loskill

„In meinen fast 40 Jahren im Rat dieser Gemeinde habe ich derartige Haushaltsberatungen noch nicht erlebt“, hielt die CDU-Fraktionschefin Rita Winkler fest. Viel Vertrauen der Bürger in Bürgermeister und Politik sei verloren gegangen. Loskill warf die ansonsten als versöhnlich bekannte Politikerin katastrophale Kommunikation und mangelhaftes Krisenmanagement vor.

Davon abgesehen stehe der Haushalt „vor dem Kollaps“, die kommunale Selbstverwaltung sei gefährdet, sagte die Grande Dame der Union im Bröltal. Allerdings sei Ruppichteroth kein Einzelfall. Es gelte jetzt, gemeinsam zu handeln. Für Projekte wie die alte Synagoge müssten Sponsoren gesucht werden, auch für den Dorfweiher in Winterscheid.

Ruth Kühn von den Grünen forderte von allen Ratskollegen, noch aufmerksamer und kritischer zu sein und nachzufragen. „Förderungsgetriebenes Vorwärtslaufen“ sei nicht mehr drin. Kreativität und Offenheit seien gefragt.

SPD fordert freies Budget für die Kommunen von der Landesregierung

„Ruppichteroth ist nicht allein, aber alleingelassen“, stellte Dirk Düster (SPD) fest. Die Ziele des Haushaltssicherungskonzepts seien nicht erreicht worden. Von der Landesregierung forderte er ein freies Budget für die Kommunen und eine Altschuldenlösung. „Diese fehlt nach wie vor“, betonte er.

Ein strukturelles Finanzproblem machte Alexander Herking von der FDP aus. Der Rat müsse wieder stärker Bürger und Gemeinde statt Parteiinteressen im Blick haben. Jetzt gelte es alles zu vermeiden, das die Bürger weiter belastet. „Da ist eine Grenze erreicht.“

Hans-Ralf Voigt vom „Bündnis soziale Gerechtigkeit Ruppichteroth“ sah neben Bund, Land, Kreis und Landschaftsverband die Schuld für das Desaster bei der CDU-Mehrheit im Rat. „Wir haben Jahrzehnte über unsere Verhältnisse gelebt.“ Aktuell könne kein Bürger verstehen, dass Straßenunterhaltung freiwillig und damit nicht zu finanzieren sei, die Unterhaltung von Flüchtlingsheimen aber Pflichtaufgabe und damit von der Gemeinde ohne Ausgleich von Land oder Bund bezahlt werden müsse. Die Gemeinde könne weitere Zuweisungen nicht mehr finanzieren.

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