Nahverkehr in Rhein-SiegFahrgastbeirat sieht Verspätungen als größtes Problem

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Zwei mit der Lizenz zum Meckern: Ingo Valentin und Maria Vleugels vom RSVG-Fahrgastbeirat.

Rhein-Sieg-Kreis – Schon wieder steht der Linienbus vor der Schranke. Ingo Valentin wird seinen Zug am Hennefer Bahnhof verpassen, nicht zum ersten Mal. Das ist Vergangenheit, der 59-Jährige hat es geschafft, den Bus zur Mittelstraße an der Bahnhofsrückseite umzuleiten. „Und das ging erstaunlich schnell“, berichtet der Mann mit der Lizenz zum Meckern erfreut.

Beschwerden sammeln und Ideen vorbringen

Der Angestellte aus Uckerath ist ÖPNV-Nutzer, Job-Ticket-Inhaber – und gern pünktlich. Das hat er mit seinen Mitstreitern aus dem Fahrgastbeirat gemein, dem Valentin seit sechs Jahren vorsitzt. Das Gremium wurde vor rund 20 Jahren auf Anregung des Aufsichtsrats der Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft gegründet. Ein Anlass für die Redaktion, mit Valentin und seiner Vorstandskollegin Maria Vleugels über die alltäglichen Ärgernisse zu sprechen und ihre Erfolge.

Noch Platz für zwölf Mitstreiter

Der Fahrgastbeirat sollte ursprünglich die Kunden-Perspektive bei geplanten Veränderungen des Liniennetzes einbringen, erklärt Frank Wiedemann, Betriebsleiter Fahrdienst. Kritik und Anregungen sind heute breiter gefasst, richten sich auch an die Kommunen, zum Beispiel bei undichten Haltestellendächern. Viermal im Jahr tagt das derzeit 13-köpfige Gremium (in der Corona-Pause lief die Kommunikation nur per E-Mail), es gibt Platz für zwölf weitere Mitstreiter. Kontakt per E-Mail. (coh)

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Der ehrenamtliche Beirat sei unabhängig und nicht weisungsgebunden, das betont der gelernte Fernmeldehandwerker und Telekom-Angestellte Valentin direkt. Ihm habe mal ein Jurist vorgeworfen, doch nur Sprachrohr der RSVG zu sein, empört er sich. Die insgesamt 13 Mitglieder hätten eine Mittlerfunktion, leiteten Kundenbeschwerden an die Verkehrsgesellschaft weiter, weil nicht jeder Passagier den direkten Kontakt wolle. Zum anderen hätten sie als regelmäßige Nutzer selbst ein waches Auge auf den Öffentlichen Nahverkehr, wo vieles besser laufen könne.

Meckern sei gut, konstruktive Kritik besser, findet Ingo Valentin. Dass sein Vorschlag, den Bus zum Hennefer Bahnhof am beschrankten Übergang vorbeizuführen, in nur knapp drei Wochen umgesetzt wurde, verwundert ihn noch heute. Ebenfalls schnell umgesetzt wurde die Ausstattung von den zwei stockdunklen Haltestellen Käsberg und Hossenberg an der B8 mit kleinen Kästen. Nach dem Vorbild von Lichtenberg können die Wartenden per Knopfdruck zwei Leuchtdioden aktivieren als Signal für den Busfahrer, erklärt der Vorsitzende. „Damit dieser nicht im letzten Moment, wenn er die Leute erkennen kann, abrupt stoppen muss. Oder gar vorbeifährt.“

Maria Vleugels, auf den Rollator angewiesen, schildert Probleme, die vor allem die große Gruppe von Senioren und Gehbehinderten betreffen. Ausstiege blockiert von Werbetafeln, hilfsbereite Fahrer, die ihren Rollator im Übereifer zusammenklappen und die Einkäufe zerquetschen, Taxibusse auf selten genutzten Linien, die keinen Platz haben für Rollstühle oder Kinderwagen. Und, das Schlimmste, Busse, die nicht fahren. „Derzeit gibt es wohl den höchsten Krankenstand aller Zeiten“, sagt die frühere Bundeswehrbeschäftigte im Ruhestand.

Die Sensibilität bei der Führungsspitze des Unternehmens zu erhöhen, das hat sich die 71-Jährige zum Ziel gesetzt. „Bei der letzten Sitzung habe ich 45 Minuten von meinen Erfahrungen erzählt.“ Vielleicht habe sie den einen oder anderen genervt, sie hoffe nun aber, dass sich ein Verantwortlicher mal Zeit nehme, um sie an einem Tag auf ihren Fahrten zu begleiten.

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Für Valentin, den gebürtigen Berliner, ist der ausgedünnte Fahrplan am Rosenmontag ein Ärgernis: „Auch dann müssen doch Menschen arbeiten. Und sicher nicht jeder Busfahrer feiert Karneval.“ Die dynamische Fahrtanzeige, zum Beispiel am Siegburger Bahnhof, zeige die Busse mit Erreichen der Abfahrtszeit nicht mehr an – auch wenn diese noch gar nicht losgefahren seien. „Da weiß doch niemand, ob sein Bus schon weg ist oder vielleicht noch kommt.“ In Hennef seien die Tafeln, für die eine Fremdfirma zuständig ist, lange defekt gewesen – und niemand von den Verantwortlichen habe es bemerkt.

Wie weit ist der ÖPNV in der Region vom Idealzustand entfernt? „Wir sind bei etwa 65 Prozent“, sagt Valentin. Die Schnellbusse, das neue Abruf-Angebot in Neunkirchen-Seelscheid, die engeren Taktungen, ziemlich gut. Und die Preise? Die seien vergleichsweise hoch, ja. Aber da könne der Fahrgastbeirat nichts ausrichten.

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