Säugling geschütteltVater aus Ruppichteroth muss wegen Misshandlung in Haft

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DPA Landgericht Bonn Symbol

Das Bonner Landgericht (Symbolbild) 

Bonn/Ruppichterroth – Was in den frühen Morgenstunden des 9. November 2021 in ihm vorging, konnte der angeklagte Vater nur schwer erklären: Als sein kleiner Sohn gegen 6 Uhr wach wurde, wechselte er die Windeln und machte ihm ein Fläschchen, das das Baby auch trank. Danach legte er den dreimonatigen Säugling in die Wippe. Doch er quengelte und wollte wieder raus.

Aber der Vater wollte die Quengelei unterbinden: „Als erzieherische Maßnahme“, so hieß es am Montag in der Urteilsbegründung, nahm er das Kind aus der Wippe, packte es unter den Achseln und schüttelte es mehrfach. Dabei rotierte der Kopf ruckartig von vorn nach hinten, so dass die Nervenfasern rissen, Einblutungen in der Netzhaut waren die Folge. Als das Kind weinte, nahm der Vater es kurz an die Schulter, beruhigte es und legte es zurück in die Wippe. Da war es still.

Das Bonner Landgericht hat am Montag den 38-jährigen Vater aus Ruppichteroth wegen schwerer Misshandlung eines Schutzbefohlenen zu viereinhalb Jahre Haft verurteilt. Der Angeklagte, der die Tat zunächst bestritten hatte, legte am Ende des Prozesses überraschend ein Geständnis ab. Damit habe er, so die Kammervorsitzende Anja Johansson, „in letzter Sekunde noch Verantwortung übernommen“.

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Auch die Mutter des Babys geriet in Verdacht

Immerhin war auch die 26-jährige Mutter des Babys in den Verdacht geraten, das Baby misshandelt zu haben. Aber an dem Morgen hatte sie geschlafen – und als sie ihren Lebensgefährten beim Frühstück später fragte, ob irgendwas passiert sei, hatte er geschwiegen.

Zwei Tage lang war der 38-Jährige nicht eingeschritten, obwohl es dem Kind immer schlechter ging, es apathisch wurde, nichts mehr trinken wollte und krampfte. Erst am 11. November rief der Angeklagte den Notarzt.

In der Kinderklinik Sankt Augustin kam der Säugling sofort auf den Operationstisch. Durch den Noteingriff konnte das Leben gerettet werden. Wohl auch die Zukunft des Jungen, der heute, acht Monate später, „ein fröhliches und freundliches Kind“ sein soll. Möglicherweise, so der Stand der Ärzte heute, könne der Junge mit kleinen Einschränkungen ein normales Leben führen.

Kammer in Bonn sprach von „niedriger Gesinnung“

Das Verhalten des Angeklagten nach der Tat bezeichnete die Kammer als besonders gravierend und „von niedriger Gesinnung“, weil er zugesehen habe, wie der Sohn um sein Leben kämpfte und er aus Angst vor Entdeckung nichts gesagt habe. Die Hintergründe konnte das Gericht nicht aufklären. Denn überfordert sei der Angeklagte nicht gewesen, wie er es behauptet hatte.

Für die schwere Kindesmisshandlung hatte die Staatsanwältin knapp sechs Jahre Haft gefordert. Der Verteidiger hingegen vermutete, dass bei seinem Mandanten eine schwerwiegende psychische Störung vorliege. Als Kind sei der 38-Jährige vom Vater regelmäßig verprügelt worden, bis die ebenfalls misshandelte Mutter mit den Kindern in ein Frauenhaus flüchtete; mit dem Bruch der Familie sei er nie zurechtgekommen.

Der Verteidiger hatte Freispruch gefordert und in Zweifel gezogen, dass der Angeklagte der Täter war – trotz des Geständnisses. Doch für die Kammer steht fest, dass die Mutter das Kind nicht misshandelt hat: „Die Zeugin hat die Wahrheit gesagt“, hieß es im Urteil. Heute lebt der Junge mit ihr zusammen, geschützt in einer betreuten Einrichtung.

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