VerhandlungenWas wird aus dem Kaufhof-Grundstück in Siegburg? Entscheidende Klausel fehlt

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Blick auf die Kaiserstraße. Einige Autos parken am Straßenrand. Der Kaufhof ist noch eingerüstet. (Archivbild)

Der Kaufhof an der Kaiserstraße kurz vor der Fertigstellung im Jahr 1974. (Archivbild)

Warum die Stadt Siegburg das Kaufhof-Grundstück nicht zurückfordern kann – entscheidende Klausel in den Akten nicht zu finden.

Was wird aus dem Kaufhof? Das ist eine überaus ernste Frage, die sich nicht nur Siegburger stellen: Auch Uwe Göllner (78), von 1993 bis 1998 Bürgermeister von Troisdorf und Bundestagsabgeordneter von 1996 bis 2005, interessiert sich für die Zukunft des Warenhauses, dem zum 31. Januar 2024 die Schließung droht. Er wandte sich mit einer interessanten Frage an die Redaktion: „Hat die Stadt Siegburg eine Rückfallklausel für das Grundstück vereinbart, falls der Kaufhof geschlossen wird?“

Bei den derzeitigen Verhandlungen zwischen Galeria, den neuen Eigentümern und der Stadt könnte eine solche Klausel sehr hilfreich sein. Denn die Kreisstadt investierte damals viel Geld, um den Grund für die Ansiedlung zusammenzukaufen. Die Redaktion hakte nach.

Rückfallklausel in den Akten nicht zu finden

Stadtarchivar Jan Gerull nahm sich die Akten vor und befragte Akteure von damals, doch eine solche Klausel konnte er nicht ausfindig machen. Ein eher schwacher Passus findet sich in einem Vorvertrag vom 4. Dezember 1970: „Die Kaufhof AG verpflichtet sich, nach Erwerb der abgeräumten und baureifen Grundflächen innerhalb von 12 Monaten mit dem Bau eines Warenhauses zu beginnen und die Baudurchführung zügig voranzutreiben. Sie ist ferner verpflichtet, ein Warenhaus in der bei ihr üblichen Art und Größenordnung unter Beachtung wirtschaftlicher Grundsätze auf Dauer zu betreiben.“

Der Rest ist Stadtgeschichte und über viele Jahrzehnte auch eine Erfolgsgeschichte. Wie wichtig das Kaufhaus für die Stadt ist, kann Gerull anhand des digitalisierten Dokumentenbestands im Archiv nachvollziehen. Mit der Sucheingabe „Kaufhof“ erzielt er 15.000 Treffer.

Kaufhof-Eröffnung im Jahr 1974 – Ansturm der Siegburger

Im aktuellen Heft der „65er Nachrichten“ für Siegburger Senioren erinnert sich Edda Streitz, langjährige Sekretärin der Kaufhof-Geschäftsführung, an die Eröffnung am 8. August 1974: „Prominenz und Presse nahmen an dem Ereignis teil“, schreibt sie, „sogar der Michaelsberg war vertreten durch Abt Placidus Mittler.“ Besonders gezählt habe aber der Ansturm der Siegburger. „Tausende Kunden kauften ganze Ballen Stoff, durchstreiften die nagelneuen Hallen und gingen mit reichlich Einweihungsschnäppchen nach Hause.“

Der Kaufhof selbst wurde zu einer zentralen Adresse im gesellschaftlichen Leben Siegburgs. Zu Autogrammstunden kamen unter anderem Ilse Werner, Rosi Mittermaier und Christian Neureuther, DJ Ötzi und Harald Juhnke. Auch die britischen Postzugräuber von 1963 kamen zu einer Autogrammstunde, was durchaus auf Protest von Kunden stieß. „Wie können Sie diesen Verbrechern eine Plattform geben?“, wurde gefragt, indes: „Ihr Buch verkaufte sich sehr gut.“

Wichtiger: Nach dem „Einstellungsmarathon“ zur Eröffnung hatte der Kaufhof 150 Arbeitsplätze geschaffen. Edda Streitz erinnert sich aber auch an den schleichenden Niedergang. Erst wurde die Möbelabteilung geschlossen, dann der Lebensmittelverkauf eingestellt. Den größten Einschnitt habe die Schließung des Saturnmarkts 2021 bedeutet.

Konkurrenz in Troisdorf: Stadt Siegburg musste sich als Einkaufsstadt etablieren

Vor all dem standen Anfang der 70er Jahre ungeheure Anstrengungen der Stadt, den Kaufhof nach Siegburg zu locken. Rolf Krieger, damals noch nicht Bürgermeister, aber Vorsitzender des Planungs- und stellvertretender Vorsitzender des Liegenschaftsausschusses, schildert in seinen 2012 erschienenen Erinnerungen, warum die Ansiedlung so wichtig war.

1970 habe in der Nachbarstadt Troisdorf ein Hertie eröffnet und „die unangefochtene Stellung der Stadt Siegburg als Einkaufsstadt in der Region“ bedroht. Für die Errichtung eines Warenhauses in Siegburg gelte es, alle anderen Dinge hintanzustellen und alle kommunalpolitischen Kräfte zu bündeln. Krieger, der zuständige Beigeordnete und der Liegenschaftsamtsleiter machten sich an die Arbeit, um die Grundstücke zusammenzubekommen, die der Kaufhof zur Bedingung gemacht hatte.

Schwarz-weiße Aufnahme der Baugrube. (Archivbild)

Baugrube für den Kaufhof im März 1973. (Archivbild)

Dabei sei es um 16 bebaute Liegenschaften gegangen, darunter das alte Heimatmuseum, das Kino Metropolis und die kurz zuvor durch Stiftungsgeld der Unternehmerfamilie Keller erbaute Stadtbücherei. Das Trio ging von Eigentümer zu Eigentümer, in der Aktentasche mitunter ein paar Flaschen Wein, was sich etwa als hilfreich erwies, als sich ein Ehepaar von seinem Wohnhaus trennen sollte. Ein Notar saß am Telefon in Bereitschaft und konnte noch am gleichen Abend alles besiegeln.

Millionenverlust wurde zum Gewinn für Siegburg

Schließlich war der Grunderwerb geschafft. Ein Schreiben von 1976 zur Abwicklung der Grundstücksverträge vermerkt eine Summe von 5.048.910 Mark für 6917 Quadratmeter in bester Siegburger Innenstadtlage. Krieger schreibt, die Stadt habe rein rechnerisch einen Millionenverlust gemacht.

Aber: „Dieser Verlust war (...) der größte Gewinn, den die Stadt in den vergangenen Jahren erzielen konnte“, so Krieger. Der Bau, daran erinnert Stadtarchivar Jan Gerull, fiel in ein Jahrzehnt, in dem ohnehin Großprojekte das Gesicht der Kreisstadt auf Jahrzehnte prägen sollten: mit dem Schulzentrum Neuenhof, dem Amtsgericht, dem Anno-Gymnasium und dem Kreishaus.

Kaufhaus Hertie schloss nach 14 Jahren

Troisdorf musste schon sehr viel früher schmerzhafte Erfahrungen mit seinem großen Kaufhaus an der Ecke Kirchstraße/Kölner Straße machen als die Siegburger. „Hertie schloss nach 14 Jahren schon wieder“, berichtet Göllner.

Grund seien keine wirtschaftlichen Gründe gewesen, sondern die Entscheidung Herties, sich aus Mittelstädten zurückzuziehen. Danach folgten viele Nutzer, darunter Massa, die Stadtbücherei, H&M, Müller und ein Adler-Textilmarkt. Derzeit plant ein Investor ein Vergnügungscenter namens „Happy Franky“ mit verschiedenen Attraktionen.

Göllner: „Ich hoffe, dass es den Siegburgern gelingt, den Kaufhof zu erhalten“

Das Prinzip Rückfallklausel lernte Göllner als Bürgermeister Anfang der 80er Jahre kennen. Damals habe die Stadt von einer Familie Grünland gekauft, auf dem später das Bürgerhaus Spich gebaut werden sollte. Für den Fall, dass sich der Status des Grundstücks ändern könnte, hätten die Verkäufer die Klausel vorgesehen. „Für die Differenz zwischen Grünland und Bauland mussten wir zahlen“, sagt Göllner. Die Stadt habe daraus gelernt.

Den Nachbarn wünscht Göllner das Beste. „Ich hoffe, dass es den Siegburgern gelingt, den Kaufhof zu erhalten. Das wäre auch gut für die Region.“

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