In Australien dürfen Jugendliche ab sofort erst ab 16 Jahren Soziale Medien nutzen. Keine schlechte Idee, finden Jugendliche im Rhein-Sieg-Kreis.
Australisches GesetzSocial Media erst ab 16? Das sagen Jugendliche, Sozialarbeiter und Lehrer aus Rhein-Sieg

Vor allem die App Snapchat ist nicht ungefährlich, finden Besucherinnen des Siegburger Kulturcafés.
Copyright: Lilian von Storch
Keine Sozialen Medien für unter 16-Jährige - in Australien ist das jetzt beschlossene Sache. Unter anderem auf TikTok, Snapchat, Instagram, Facebook, X, Reddit und YouTube müssen Jugendliche in Australien jetzt ihr Alter nachweisen, bevor sie sich Accounts erstellen können. Wie finden Jugendliche aus dem Rhein-Sieg-Kreis das Modell aus Down-Under?
„Ich bin ehrlich – ich frage mich manchmal, warum jüngere Leute überhaupt soziale Medien nutzen dürfen“, sagt Sam (17) aus Siegburg. „Mit 16 hast du vielleicht schon eine gewisse Reife – deswegen finde ich das gar nicht so verkehrt.“ Mason (17) und Melissa (18) aus Lohmar sehen das ähnlich. Gemeinsam mit Sam sitzen sie an einem Mittwochnachmittag im Siegburger Kulturcafé und spielen Karten. „Meistens hängen die Leute die ganze Zeit am Handy, auch in der Schule zum Beispiel“, sagt Mason. „Es ist nicht mehr so, dass die Leute einfach mal bei ihren Freunden vorbeigehen und fragen, ob die Zeit haben“.
Gefährliche TikTok-Trends: Zwölfjährige kippen in der Schule um
„Es gibt viele Trends auf TikTok, wie zum Beispiel dieser Pilotentest, die einfach krass gefährlich sind“, sagt Sam. In ihrer Schule sei das oft passiert. Den Test gebe es in mehreren Varianten, dabei gehe es darum, dass man sich körperlich extrem anstrengt und einem dann jemand anderes die Luft wegdrückt, sodass man umkippt. „Bei uns in der Schule waren das oft ungefähr Zwölfjährige, die sowas gemacht haben, und dann am Ende im Sani-Raum lagen“, sagt Mason. Auch beispielsweise die Verherrlichung von Essstörungen in sozialen Medien, genannt SkinnyTok, finden die Kulturcafé-Besucherinnen gefährlich.
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Sam (17), Mason (17) und Melissa (18) treffen sich im Siegburger Kulturcafé zum Kartenspielen. Viele Soziale Medien sollten sogar erst ab 18 sein, finden sie.
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In ihrer Schule müsse man die Handys abgeben, sagt Melissa, „und da merkst du halt, wie süchtig alle danach sind. Seit ich mein Handy im Unterricht nicht mehr bei mir hab, bin ich mündlich viel besser als vorher, weil mich das eben nicht mehr ablenkt“, sagt die 18-Jährige. Ein Verbot fände sie gut, fragt sich aber, wie man das umsetzen könnte: „Es ist ja wirklich nicht schwer, einen Account mit falschem Alter zu erstellen“.
100 Accounts blockiert: 18-jährige Lohmarerin über sexuelle Belästigung auf Snapchat
Viele Apps, finden alle drei, sollten sogar erst ab 18 Jahren erlaubt sein: Instagram, TikTok und vor allem Snapchat. Wenn man die öffentliche Funktion nicht ausschalte, kann einem hier jede fremde Person Bilder oder Videos schicken. Vor allem auf Snapchat werde sie oft von Fremden angefragt, erzählt Melissa. „Das sind dann so ältere Männer, die mir Snaps schicken – alles Mögliche. Schwanzbilder, Wichsvideos, alles. Meine Blockierliste ist lang“, so die 18-Jährige. Etwa 100 Accounts habe sie schon gemeldet und blockiert. „Ein Zwölfjähriges Kind kann mit sowas überhaupt nicht umgehen“.
Das macht mental natürlich was mit einem, wenn man so runtergemacht wird.
„Einen Chat und Fotos muss man speichern, sonst wird das automatisch gelöscht und ist dann auch nicht mehr nachweisbar“, sagt die Kulturcafé-Mitarbeiterin Chiara Lüddemann (23). Ihre Kollegin Sonja Höfer (34) spricht auch das Thema Mobbing in Bezug auf Snapchat an: „Der Chat verschwindet wieder – aber die Worte, die da geschrieben wurden, bleiben ja im Kopf. Dadurch, dass es anonym ist, ist es aber auch erstmal einfacher, solche Dinge zu schreiben.“ Sam stimmt ihr zu: „Wenn dein Account öffentlich ist, kann ja auch jeder unter deine Beiträge schreiben und dich richtig bashen. Das macht mental natürlich was mit einem, wenn man so runtergemacht wird.“

Chiara Lüddemann (23) und Sonja Höfer (34) arbeiten im Siegburger Kulturcafé.
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Auch Thomas Nolden, Leiter des Eitorfer Jugendcafés, würde vor allem Positives in einem Verbot sehen. „Wenn ich hier Kinder mit elf, zwölf Jahren habe, die unkontrolliert mit dem Handy rumlaufen und was man da alles so mitbekommt, was da gezeigt wird – das macht ja was mit Menschen, wenn man da auch schlimme Inhalte sieht und dann nicht die Möglichkeit hat, darüber zu sprechen.“ Auf der anderen Seite hält er es nicht für unproblematisch, Jüngeren den Umgang mit sozialen Medien komplett zu verbieten. Auch das Erlernen von Medienkompetenz hält er für wichtig, „und die fängt nicht erst mit 16 Jahren an“.
Auch der 16-jährige Felix Wierschem, Sprecher des Niederkasseler Kinder- und Jugendparlaments, betont, dass der Umgang mit sozialen Netzwerken früh gelernt werden sollte. Soziale Medien können auch zu Bildungszwecken genutzt werden: „Ein perfektes Beispiel dafür sind zahlreiche Acounts von Nachrichtensendern.“ Ein gänzliches Verbot sieht Wierschem kritisch, ist aber der Ansicht, dass bezüglich der Risiken mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden muss.
Leiter des Eitorfer Jugendcafés: Schulen müssen flächendeckend aufklären
Aber wer ist hier in der Verantwortung? Eltern kümmern sich oft nicht darum, sagt Thomas Nolden. Im Eitorfer Jugendcafé suche man das Gespräch zur Thematik, aber eher, wenn es konkrete Anlässe gebe - beispielsweise als ein jugendlicher Besucher ein Video geschickt bekam und dann sah, dass es heftige Gewalt zeigte. „Wir können da immer nur Einfluss auf den Einzelfall nehmen – Schulen haben da natürlich ganz andere Möglichkeiten, flächendeckend aufzuklären“, sagt Thomas Nolden. Auch die mangelhafte Kontrolle der Betreiber von Social-Media-Plattformen sieht er als Problem.
Entscheidend ist, dass wir Schülerinnen und Schüler befähigen, digitale Medien verantwortungsvoll, reflektiert und sicher zu nutzen.
Ein reines Verbot halte er für weder wirksam noch zeitgemäß, sagt Keno Schulz, kommissarischer Schulleiter an der Gesamtschule Windeck: „Entscheidend ist, dass wir Schülerinnen und Schüler befähigen, digitale Medien verantwortungsvoll, reflektiert und sicher zu nutzen.“ Das Thema greife man in verschiedenen Unterrichtsfächern wie Deutsch, Politik und praktischer Philosophie systematisch auf.
Dabei thematisiere die Schule Chancen und Risiken sozialer Netzwerke, Datenschutz, digitale Identität, Cybermobbing, Medienwirkungen und den verantwortungsvollen Umgang mit Informationen. „Wir möchten jungen Menschen die Kompetenzen vermitteln, die sie benötigen, um Social Media souverän und selbstbestimmt zu nutzen – statt sie durch Verbote lediglich vom realen Lernfeld abzuschneiden“, sagt Keno Schulz.

