Veedels-CheckLongerich – aufgereiht wie eine Perlenkette

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Die Kirche St. Dionysius in Alt-Longerich

Longerich – Dort, wo Alt-Longerich ganz besonders kleinteilig ist, fühlen sich Eva und Josef Bernard pudelwohl. 1956 kehrte er aus Baden-Württemberg nach Longerich zurück und übernahm das Haus des Großvaters, im Sträßchen Auf der Bude. Es ist ein sehr altes Gebäude, das einst als Feuermeldestelle diente; im Zweiten Weltkrieg überstand es wie durch ein Wunder die Bombardements, denen die nahe Zugstrecke zuhauf ausgesetzt war und die viel im Viertel zerstörten. Die beiden schätzen ihr dörfliches Leben mitten in der Großstadt. „Zwischen uns und der Longericher Hauptstraße liegt viel Grün und unbebaute Fläche.

Und wir haben die S-Bahn vor der Tür, mit der wir im Handumdrehen in der Stadt sind, wir nutzen sie viel.“ Auch schätze man im Alltag die kurzen Wege. „Es ist selten, dass man alles so fußläufig hat wie wir: Wir haben noch einen Bäcker, Metzger und eine Bank in nächster Nähe. Und schöne Gastronomie mit Eiscafé, Pizzeria und dem Mühlenhof.“

Natürlich habe es früher noch mehr gegeben – gleich drei Metzger, einen Coop- sowie Schlecker-Markt; dafür gibt es jetzt das neue Edeka-Center in Laufweite. „Und unsere drei Radläden sind natürlich auch eine Besonderheit.“ Apropos Rad: Auf das jährliche „Cologne Classic“-Rennen an Pfingsten mit einem Rundkurs durch Alt-Longerich freue man sich jedes Mal; es bringe auch mal internationale Atmosphäre und Publikum ins Veedel. Was auch unbedingt stimme, sei die Nachbarschaft. „Hier wohnen noch viele Leute, die schon immer hier gelebt haben. Wir verstehen uns wunderbar in der Straße.“

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

Was auch für die Integration von jungen Leuten gelte, die herziehen. Gespannt sind die beiden auch wegen der geplanten gärtnerischen Neugestaltung des Kriegerplatzes. „Aber es ist ein sehr schöner Platz, egal wie das Projekt ausgeht. Und der nahe Grüngürtel ist ideal zum Joggen, Radfahren und Spazierengehen.“

Der Stadtteil Longerich bildet, zur Autobahn A1 hin, den Nordrand des Stadtbezirks Nippes. Seine Geografie ist kurios: Fast wie Perlen auf einer Kette reihen sich seine einzelnen Quartiere in Ost-West-Richtung aneinander; vom Lindweilerweg in Lützlongerich, schon westlich des S-Bahndamms gelegen, bis zum Lachemer Weg im äußersten Osten sind es drei Kilometer Luftlinie. Durch weites Grün vom Rest des Bezirks getrennt, verströmt Longerich ein eigenes, bürgerlich-entschleunigtes Flair.

Aktiv sind seine Brauchtums- und Sportvereine sowie die Kirchengemeinden. Auch ein großer Teil des Äußeren Grüngürtels gehört zu Longerich, unter anderem mit der Lüttich-Kaserne der Bundeswehr und der Jugendfarm Wilhelmshof.

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Östlich von Alt-Longerich, mit seiner mehr als 1000-jährigen Geschichte, liegt die viel jüngere Gartenstadt-Nord, die erst im 20. Jahrhundert entstand. In einem Hochhaus an der Schlackstraße, fast exakt in der geografischen Mitte des Veedels, lebt seit mehr als 30 Jahren Maria Herrig. Die gebürtige Berlinerin zog 1956 in die Gartenstadt-Nord; sie hat ihr Veedel lieb gewonnen und 2011 sogar ein Buch mit viel Ortsgeschichte, Anekdoten und Zeitungsartikeln aus der Gartenstadt veröffentlicht. „Jedes Mal, wenn ich mit dem Taxi in meine Siedlung einbiege, habe ich das Gefühl: Hier ist meine Heimat.“

Das A und O ist auch hier der Zusammenhalt. Das gilt auch für ihr Haus, wo sie regelmäßig Nachbarschaftsfeste mitorganisiert. „Und das Seniorennetzwerk ist ebenfalls ein wichtiger Teil des Angebots im Ort. Es gibt da viel; das hat sich richtig toll entwickelt.“ Für Senioren gebe es auch seit 2012 den Mehrgenerationen-Spielplatz im Park am Heilig-Geist-Klinikum, für den sie sich lange einsetzte – und der dann doch gebaut wurde, als sie schon nicht mehr damit gerechnet hatte. Von ihrem Balkon aus schaut sie direkt auf den Wochenmarkt, ebenfalls ein wichtiger Treffpunkt und Teil des Einkaufsangebots, mitsamt seinem alt eingesessenen Lokal „Marktklause“.

Sehr zu schätzen weiß sie das viele Grün, dem die Gartenstadt letztlich ihren Namen verdankt. Inzwischen seien die beim Siedlungsbau gepflanzten Bäume höher als die meisten Häuser, wie Herrigs Nachbar Rolf Kemp ergänzt. Noch schöner wäre es, gäbe es noch mehr Vorgärten, die leider häufig zugunsten von Pkw-Stellplätzen weichen mussten. „Und im Viertel verändert sich durch Verkauf und Erbschaften die Zusammensetzung, junge Familien ziehen nach.“

Das ist zugleich ein gutes Stichwort für die „Katholikentagssiedlung“, deren Grundstein 1956 zum namensgebenden Großereignis in Köln gelegt wurde und zeitweise als kinderreichste Siedlung Europas galt – die Reihenhäuschen rund um die Kirche St. Bernhard waren gezielt für große katholische Familien gedacht. Rosi Fetten zog hier 1957 mit ihren Eltern und lediglich einem älteren Bruder ein; in der Siedlung damals eine Ausnahme. „Die meisten hatten um die vier Kinder, eine Familie in unserer Straße sogar neun.“ Mit ihrem Mann Heijo Fetten bewohnt sie heute das Haus ihrer Eltern. Und auch hier scheint der „Longericher Mix“ zu stimmen. „Man wohnt sehr ruhig hier, und trotzdem stadtnah. In 22 Minuten sind wir mit der KVB am Dom.“

Der weitläufige Grüngürtel und die Parks würden das Veedel auszeichnen, was er auch als Langstreckenläufer zu schätzen weiß. Eine gute Nachbarschaft wird hier ebenfalls groß geschrieben. „Die »Ureinwohner« haben ein Super-Verhältnis untereinander, sie blieben aber über die Jahrzehnte trotzdem beim Sie“, erzählt er lächelnd.

Mittlerweile wohnt teils die dritte Generation der Erstbezieher-Familien hier; einige kehrten ins Veedel ihrer Jugend zurück. Im Vorjahr feierte die Georg-Fuchs-Straße, wo die beiden Fettens wohnen, mit einem großen Fest den 60. Jahrestag.

Auch diese Siedlung habe zwar früher mehr kleine Läden und Kneipen gehabt. Durch den neuen Edeka-Supermarkt sei die Grundversorgung aber gesichert. „Für Senioren waren aber die zwei Jahre, als es gar keinen Markt mehr hier in der Ecke gab, schon eine schwere Zeit. Wer kein Auto hatte, war ziemlich aufgeschmissen.“

Auch die Fettens wissen den nahen, besonders samstags vollen Wochenmarkt und das aktive Gemeindeleben im Ort zu schätzen. „Wir wohnen immer noch gern hier“, resümieren die beiden.

Die Geschichte des Veedels Longerich

Mit Stolz blickt Longerich auf seine lange Geschichte zurück. Bereits 927 wurde in einer Urkunde die fünf Jahre zuvor erfolgte Schenkung der allerersten St.-Dionysius-Kirche samt einem Hofgut „in villa Lunrike“ durch den Erzbischof bestätigt – hiervon leitet sich auch der kölsche Orts-Eigenname „Lunke“ ab. 1794 machten die Franzosen den Ort zur selbstständigen „Mairie de Longerich“, die den heutigen Stadtbezirk Nippes und einige angrenzende Gebiete mit zusammen mehr als 2000 Einwohnern umfasste; die Preußen führten sie ab 1815 als „Bürgermeisterei Longerich“ nahtlos weiter.

Im Jahr 1888 erfolgte die Eingemeindung nach Köln. 1913 eröffnete das Dr.-Dormagen-Guffanti-Haus für Menschen mit Behinderung am Lachemer Weg, das heute zu den Sozial-Betrieben Köln (SBK) gehört. In den 1930er Jahren begann der Bau der „Gartenstadt-Nord“. 1956 war Grundsteinlegung für die „Katholikentagssiedlung“, die einst die kinderreichste Siedlung Europas war; im gleichen Jahr entstand die „Ungarnsiedlung“ an der Meerfeldstraße, für die nach dem dort gescheiterten Aufstand geflüchteten Menschen. 1964 eröffnete der Cellitinnen-Orden das Heilig-Geist-Krankenhaus. (bes)

Die Baustellen des Veedels Longerich

Vor allem Verkehrsprobleme bestimmen das Bild. Über eine Strecke von mehr als drei Kilometern führt der Militärring an Longerich vorbei; von dort gibt es Lärm und Emissionen – gerade durch den Lkw-Verkehr, der durch das neue Güterterminal Geestemünder Straße, Firmen-Ansiedlungen im Umkreis und die Lastwagen-Sperrung der Leverkusener Brücke noch zunimmt.

Innerörtlich hat die Ansiedlung der Gesamtschule an der Paul-Humburg-Straße für An- und Abreiseverkehr sowie zugeparkte Seitenstraßen gesorgt. Voraussichtlich 2019 geht das neue Schulhaus an der Ossietzkystraße in Betrieb; die Paul-Humburg-Straße soll als Zweitstandort bleiben. Ein schlüssiges Verkehrskonzept für die Zeit steht noch aus. Spannend ist auch, wie es auf dem Kriegerplatz weitergeht: Der derzeit unspektakuläre Platz soll landschaftsgärtnerisch umgestaltet werden, so dass die Umrisse der Vorgängerkirche von St. Dionysius – deren Fundamente unter dem Platz liegen – erahnbar werden. Seit Beginn des Jahrtausends gibt es Pläne, das Areal zu verschönern, inzwischen liegen endlich Mittel bereit und ein Gestaltungsentwurf ist in Arbeit. Der Kirchenvorstand muss dem Projekt jedoch noch zustimmen. (bes)

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