Analyse zum Auftakt1. FC Köln gewinnt gegen Hertha – Kainz wird zum Matchwinner
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Matchwinner: Kölns Florian Kainz (2.v.r.) wird von den Kollegen zum Doppeltreffer beglückwünscht.
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Köln – Alle Entbehrungen der vergangenen 18 Monate waren in diesem Moment am Sonntagabend vergessen. Mit der lang ersehnten Rückkehr der Zuschauer ins Rheinenergiestadion und dem neuen Trainer Steffen Baumgart als Antreiber an der Seitenlinie hat der 1. FC Köln auch das Fußball-Spektakel wieder für sich entdeckt. Die Geißböcke feierten in einem mitreißenden Spiel zum Saisonauftakt der Bundesliga-Saison 2021/22 vor 16500 überglücklichen Zuschauern einen verdienten 3:1 (1:1)-Heimsieg gegen Hertha BSC Berlin und machten Appetit auf mehr.
Es passte ins emotionale Bild dieses ersten Spieltags, dass der lange aufs Abstellgleis geratene Anthony Modeste das erste FC-Tor dieser Saison erzielte. Florian Kainz veredelte das 1:1 des Franzosen mit einem Doppelpack zum ersehnten Auftaktsieg.
Baumgart wechselt doppelt nach Pokalspiel
Die Frage nach den personellen Veränderungen im Vergleich zum Pokalspiel in Jena beantwortete Baumgart mit zwei Wechseln. Ellyes Skhiri übernahm wie erwartet die Position des Sechsers von Salih Özcan. Etwas unerwartet schaffte auch Neuzugang Dejan Ljubicic den Sprung in die Startelf. Der laufstarke Österreicher besetzte nominell das Zentrum vor Skhiri. Kapitän Jonas Hector spielte als Linksverteidiger. Dafür musste Rechtsverteidiger Kingsley Ehizibue zurück auf die Bank und Ondrej Duda wie in Jena zunächst dort sitzen bleiben.
Baumgart setzte in seinem etwas wild anmutenden System auf hohe Flexibilität und enorme Laufbereitschaft. „Wir wollen den Gegner aggressiv anlaufen, das Spiel mit Mut angehen“, hatte der FC-Coach im Vorfeld der Partie gefordert.
Mit markanter Schiebermütze und Entschlossenheit: FC-Trainer Steffen Baumgart
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Seine Spieler waren gewillt die Marschroute umzusetzen, standen hoch und attackierten giftig. Nach den ersten Ballgewinnen in der Berliner Hälfte und einem Kopfball vom Mark Uth (2.) sorgte frenetischer Beifall von den Rängen für Gänsehaut. So sehr die Kölner sich von Beginn an reinwarfen, so fehleranfällig war ihr Auftritt zunächst aber auch. Nach einer umstrittenen Freistoßentscheidung gegen Uth zirkelte Marvin Plattenhardt den Standard von der rechten Seite auf Matheus Cunha. Rafael Czichos und Benno Schmitz ließen eine zu große Lücke, die der brasilianische Olympiasieger zum Kopfball nutzte. Timo Horn parierte, aber so unglücklich, dass der Abpraller über Cunha zu Stevan Jovetic kam, der nur noch einzuschieben brauchte (5.). „Wir waren am Anfang etwas unruhig und haben ein paar Fehler gemacht. Wir sind aber bei unserem Plan geblieben. Die Mentalität passt“, erklärte Baumgart.
Das frühe 0:1 und die anfänglichen Unsicherheiten, die sich vor allem der nervöse Innenverteidiger Timo Hübers leistete, brachte die Kölner also nicht von ihrer Haltung ab. Horn war nach einem Hübers-Fehler gegen Suat Serdar zur Stelle (10.), dann fand der FC mehr und mehr Sicherheit und in sein Spiel. Die Anzahl der schnellen Kölner Ballgewinne tief in der gegnerischen Hälfte nahm monströs zu. Mark Uth hätte einen von Florian Kainz bereits zum Ausgleich nutzen können, wurde aber im letzten Moment geblockt (18.).
Baumgart baut Modeste auf und der trifft direkt
Das erste Kölner Tor der neuen Bundesliga-Saison war irgendwie auch für Anthony Modeste reserviert. Ausgerechnet der französische Torjäger, der in der vergangenen Saison so viel hatte leiden müssen und den Baumgart in der Vorbereitung behutsam und mit Vertrauen wieder aufgebaut hatte. Nach einer Flanke von Jan Thielmann verschaffte sich der 33-Jährige gegen Greenhorn Marton Dardai den nötigen Platz und köpfte aus fünf Metern wuchtig ein (41.). Es war Modeste erstes Bundesliga-Tor seit dem 7. Juni 2020 beim 1:1 in Augsburg. Kainz hätte noch vor dem Pausenpfiff beinahe auf 2:1 gestellt, scheiterte mit einem Schlenzer aber am aufmerksamen Alexander Schwolow (45.+2). Das Publikum tobte und sang beim Halbzeitpfiff. So viel Unterhaltung hatte der FC zuletzt vor Corona geboten. Es sollte noch besser kommen.
Baumgart hielt die Spannung in der Pause hoch und seine Mannschaft setzte angetrieben vom Publikum weiter bedingungslos auf Attacke. Ellyes Skhiri scheiterte nach einem Uth-Freistoß per Kopf noch an Schwolow (48.). Dann kam Modestes zweiter Auftritt. Der Torjäger ließ sich nach einem Ballgewinn von Rafael Czichos gegen Cunha auf den rechten Flügel fallen und flankte. Trainer-Sohn Dardai fälschte so unglücklich ab, dass Schwolow den Ball nur noch auf den Kopf von Florian Kainz abwehren konnte, von wo aus er zum 2:1 ins leere Tor flog (52.). Keine drei Minuten später stürmte Außenverteidiger Benno Schmitz im Zusammenspiel mit Thielmann die rechte Seite herunter und bediente Kainz, der diesmal mit links zum 3:1 ins lange Eck grätschte (55.). Das Rheinenergiestadion war längst ein Tollhaus. Auch 16500 Fans können einen Höllenlärm veranstalten.
Anfeuerungen, die die aufopferungsvoll kämpfenden Kölner so lange vermissen mussten und die ihre müder werdenden Beine bis ins Ziel trugen. Die Berliner konnten den Sieg der Baumgart-Elf nicht mehr gefährden, auch weil Santiago Ascacibar bei seinem Treffer knapp im Abseits stand (81.). 13 Minuten später kam der Moment des Jubels und der Erleichterung. Endlich wieder mit Fans, die ihr Glück kaum fassen konnten, bei diesem Spiel dabei sein zu dürfen.