Interview mit Thomas Kessler„Wir brauchen eine gesunde Gehaltsstruktur im Kader“

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Thomas Kessler FC Trainingslager

Thomas Kessler 

  • Thomas Kessler (35) ist im FC-Trainingslager in Donaueschingen als neuer Leiter der Lizenzspielerabteilung des Fußball-Bundesligisten ein gefragter Mann.
  • Martin Sauerborn sprach mit dem Ex-Torwart, dem schon länger klar ist, dass er Manager werden will.

Köln – Herr Kessler, Sie haben vor einem Jahr Ihre Karriere als Profifußballer beendet. Wie haben Sie es angestellt, nach wie vor so fit auszusehen?

Durch das Home-Office in der Pandemie-Zeit bin ich jeden Mittag laufen gegangen. Ich hätte nie gedacht, dass mir das gefallen würde. Ich hatte eine Challenge mit einem Freund: Wer schafft mehr Kilometer in einem Monat. Das Ziel lag bei mindestens 100. Wenn es nicht vorgegeben wird, dann macht es tatsächlich Spaß.

Wo schnell können Sie laufen?

5:30 Minuten den Kilometer, wenn ich keinen Berg hoch muss. (lacht)

Hand aufs Herz, wie lange würden Sie bei einer Einheit des neuen FC-Torwarttrainers Uwe Gospodarek durchhalten?

Ich glaube nach dem Aufwärmen würde ich mich verabschieden. Wenn man ein Jahr raus ist, ist das in einem Torwartleben eine lange Zeit. Ich habe meine Job geliebt, aber ich habe Zweifel, dass ich jetzt noch so geschmeidig wieder aufstehen könnte, wie zu meiner aktiven Zeit.

Wenn der 1. FC Köln Ihnen 2020 einen neuen Vertrag angeboten hätte, stünden Sie dann noch im Tor?

Ich hätte vielleicht ein Jahr drangehangen und war auch etwas enttäuscht, dass mit 34 Schluss ist. Eine Aufgabe, bei einem anderen Club hätte mich aber total reizen müssen - und ins Ausland zu gehen, ging aufgrund von Corona nicht. Dann kamen das Angebot vom FC zum Trainee-Programm und die Möglichkeit an dem Zertifikats-Lehrgang von DFL und DFB teilzunehmen. Ein besseres Zeichen aufzuhören, hätte es nicht geben können.

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Hatten Sie schon während Ihrer Karriere den Plan später ins Management eines Profi-Fußballclubs zu gehen?

Es hat mich schon immer sehr interessiert, wer auf der Managementebene wie und warum zu welchen Entscheidungen gekommen ist. Dann habe ich mir die Frage gestellt: Wie hätte ich es gemacht? Außerdem habe ich während meiner Karriere ein Fernstudium in Sportmanagement abgelegt. Auch um einen neuen Input für den Kopf zu bekommen, denn Fußballer zu sein ist zwar ein Traum, aber manchmal auch recht eintönig.

Ein starkes Interesse an den Zusammenhängen also?

Ja, und weil ich einfach glaube, dass ich solche Dinge gut kann.

Wo kommt dieser Glaube her?

Ich hatte keine klassische Karriere als Profi-Fußballer, weil ich meistens nicht gespielt habe und nicht Woche für Woche im Tunnel war. Ich konnte mir deshalb Gedanken über das Ganzheitliche einer Mannschaft machen, das Drumherum. Als Teil des FC-Mannschaftsrates konnte ich den Jungs unter der Woche auch Themen vom Hals halten, wenn ich wusste, dass ich am Wochenende nicht spiele. Das hat mich motiviert, nach meiner Karriere in diesen Bereich gehen zu wollen. Es hat Spaß gemacht und Wirkung erzielt. Ob mein Stil am Ende erfolgreich ist, wird sich zeigen. Aber ich hätte den Job nicht übernommen, wenn ich nicht überzeugt gewesen wäre, dass mir das liegt.

Aus dieser Beobachterrolle des Ersatztorwarts haben Sie beim FC die Arbeit einiger Manager hautnah erlebt. Was ist hängen geblieben?

Das ist ein bisschen so wie bei den eigenen Eltern. Man schaut sich Dinge ab, die super sind und dann gibt es Sachen, da versteht man nicht, dass die Eltern so entschieden haben. Für mich geht es darum den Weg zu gehen, der in der aktuellen Situation am besten zum Club und zu mir passt. Ich kenne den FC sehr gut und habe einiges gesehen, was ich anders gemacht hätte. Jetzt kann ich versuchen, das auf meine Art umzusetzen. Ich hoffe, dass meine Kinder gut erzogen sind, wenn sie groß sind und dass ich in ein paar Jahren sagen kann, dass ich gute Entscheidungen für den FC getroffen habe.

Welche gute Management-Entscheidung haben Sie als Spieler beim FC erlebt?

In der Saison, als wir uns für Europa qualifiziert haben. Es war die Art und Weise des Umgangs miteinander auf allen Ebenen. Ich möchte durch meine Arbeit Stellschrauben so drehen, dass es sich wieder in solch eine Richtung entwickelt.

Dazu braucht es eine gute Menschenkenntnis. Was ist noch nötig?

Man muss auf die Kaderstruktur achten. Mit elf Messdienern gewinnt man keine Meisterschaft, aber mit elf Chaoten bleibt man auch nicht in der Liga. Unsere Aufgabe ist es, den richtigen Mix zu finden. Und wir brauchen leitende Angestellte, die zum Club und zum Standort passen. Das war in den vergangenen Jahren ein großes Thema bei uns. Wir hatten zwar gutes Personal, aber es hat nicht immer zur Stadt und zum FC gepasst. Köln ist ein besonderer Standort. Damit muss man zurechtkommen.

Warum?

Oder ich darf den Job nicht antreten.

Wenn ein neuer Trainer wie jetzt Steffen Baumgart kommt, sprechen Sie mit ihm über die Wucht, die hinter dem Club 1. FC Köln steckt?

Das ist genau meine Rolle als Bindeglied zwischen Mannschaft, Trainerteam, Staff und Geschäftsführung. Ich bin ständig im Austausch mit allen. Alle die hierhin kommen, besitzen die Ambition erfolgreich zu sein. Da kann die eine oder andere Information vorab nicht schaden. Steffen muss sicher seine eigenen Erfahrungen mit dem FC machen, aber er weiß genau, auf welchen Club er sich da einlässt. Ich finde, dass er so wie er ist, hervorragend zum FC passt.

Wie erleben Sie Ihn bislang?

Authentisch, aufrecht, laut und mit einem klaren Plan. Das erste Feedback aus der Mannschaft ist absolut positiv. Die Jungs wissen, woran sie sind. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wertvoll das ist.

Steffen Baumgart ist ein Trainer klarer Worte? Sie auch?

Das ist ein Stück weit meine Rolle. Die Rolle hatte ich auch als Spieler schon, mit dem einer oder anderen klärende Worte zu finden. Am Ende geht es darum, dass sich der Spieler weiter entwickelt.

Das ist auch viel „learning by doing“. Was leistet das DFL und DFB-Programm „Management im Profifußball“, an dem Sie noch bis Mai 2022 teilnehmen?

Vor allem ist er sehr praxisnah und interdisziplinär, also breit gefächert. In dem Kurs haben wir eine Superrunde mit Jungs wie Marcel Schäfer, Christian Gentner, Max Vollmar oder Sascha Riether. Der Austausch ist auf allen Ebenen extrem wertvoll. Ich kann das Programm nur jedem Kollegen empfehlen.

Wir beurteilen Sie den aktuellen Spielerkader des FC?

Der Kader wird in der Größe sicher nicht so bleiben. Wir haben aber einen guten Stamm, mit dem ich keine Sorge hätte, morgen in die Bundesliga zu starten. Es wird sich aber noch etwas tun. Es geht darum Spieler zu finden, die dem FC weiterhelfen.

Sie teilen sich die Aufgaben im Lizenzspielerbereich mit Lukas Berg. Er verantwortet den administrativen, Sie den sportlichen Bereich. Man hört, dass die Chemie stimmt.

Lukas habe ich in meiner Zeit als Trainee kennengelernt. Da haben wir uns schon in einen Raum eingeschlossen und uns intensiv ausgetauscht. Es ist eigentlich witzig, dass wir jetzt beide nach so kurzer Zeit in diesen Jobs so zusammenarbeiten. Wir sitzen in einem Büro, reden über alles miteinander und treten auch genauso nach außen hin auf. Die Zusammenarbeit ist bislang sensationell. Wenn er noch nicht auf diesem Posten gewesen wäre, hätte ich dafür gesorgt, dass er dort hinkommt.

Großes Ziel ist es, den 1. FC Köln gemeinsam nachhaltig in der Bundesliga zu etablieren. Was ist dafür besonders nötig?

Wir brauchen eine gesunde Gehaltsstruktur im Kader, allein schon wegen der finanziellen Auswirkungen von Corona, die den FC besonders treffen. Das wird die Kaderstruktur verändern. Wir werden immer wieder junge Spieler in den Lizenzbereich integrieren. Sie müssen dann entweder zu Stammkräften in unserem Team reifen oder wie im Fall Iso Jakobs den nächsten Schritt machen verbunden mit einer Ablöse, die dann auch einen Mehrwert für den Club hat. Zum anderen müssen wir dringend etwas an unserer Infrastruktur ändern, denn aktuell sind wir kilometerweit entfernt von dem, was andere Clubs zu bieten haben. Das ist ein Riesenproblem für uns und ich hoffe, dass wir beim Ausbau des Geißbockheims so schnell wie möglich eine Lösung finden.

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