0:3 in StuttgartDer 1. FC Köln verpatzt die Reifeprüfung

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Gil Bastiao Dias, VFB 31 scores, shoots goal , Tor, Treffer, Torschuss, 1-0 in the match VFB STUTTGART - 1.FC KÖLN 1.German Football League on Feb 18, 2023 in Stuttgart, Germany. Season 2022/2023, matchday 21, 1.Bundesliga, 21.Spieltag

Der Anfang vom Ende: Gil Dias erzielt auf der Baustelle Mercedes-Benz Arena die Führung für Stuttgart. FC-Torwart Marvin Schwäbe schaut dem Ball machtlos hinterher.

Der 1. FC Köln hat die Chance verpasst, sich in der Tabelle weiter nach oben orientieren zu können. Bei der 0:3-Pleite beim VfB Stuttgart ließ Steffen Baumgarts Team die übliche Intensität vermissen.

Der 1. FC Köln hatte große Pläne für den Karnevalssamstag 2023. Auf der Agenda des Fußball-Bundesligisten stand nicht nur der zweite Auswärtssieg der laufenden Saison, sondern auch die Sehnsucht nach Bestätigung und eine neue Orientierung in der Tabelle. Sportchef Christian Keller fasste das Vorhaben später als „eine Art Reifeprüfung“ zusammen. Welcher Art auch immer sie gewesen sein mag, der FC verpatzte die Prüfung trotz bester Voraussetzungen und kehrte nach dem verdienten 0:3 (0:1) beim stark abstiegsgefährdeten VfB Stuttgart mit einem ordentlichen Kater in das närrische Treiben nach Köln zurück.

Leistung von letzter Woche nicht bestätigt

„Wir haben letzte Woche gegen einen sehr guten Gegner ein sehr gutes Ergebnis erzielt“, spielte Keller mit dem 3:0-Heimsieg gegen Frankfurt auf die Ausgangslage an. „In Stuttgart hat uns ein Spiel erwartet gegen einen Gegner, der im Abstiegskampf steckt und sicherlich andere Tugenden auspacken würde. Wir wollten die Leistungen vom Frankfurt-Spiel bestätigen, das ist uns aber nicht gelungen“, fuhr der Sportchef vor. Bei der Suche nach den Ursachen teilte Keller die Partie in zwei Abschnitte. Bis zum 0:2 durch einen traumhaften Freistoßtreffer von Borna Sosa (59.) fand der 44-Jährige den FC nicht so schlecht: „Uns hat nur vom Anpfiff weg überall ein Tick von dem gefehlt, was uns auszeichnet.“ Also Intensität, Aggressivität, Tiefe und Präzision mit dem Ball.

Das 0:1 durch Gil Dias nach nur neun Minuten ließ früh erahnen, dass die Kölner auf der Großbaustelle Mercedes-Benz Arena nicht ihren besten Tag erwischen würden. Der Portugiese im VfB-Dress durfte sich jedenfalls zwischen Nikola Soldo, Jonas Hector und Jeff Chabot frei bewegen, mit Genki Haraguchi Doppelpass spielen und den Ball von der Strafraumkante zum 1:0 ins lange Eck schlenzen. Ein Paradespiel dafür, wie schön Fußball sein kann, wenn die verteidigende Mannschaft passiv bleibt. Oder wie es FC-Kapitän Jonas Hector formulierte: „Wir haben die Situationen schlecht verteidigt.“

Wir hätten den Abstand nach unten vergrößern und leichte Fantasien in Richtung Platz sieben entwickeln können. Das ist uns nicht gelungen.
Christian Keller, Sportchef 1. FC Köln

Mit Sosas Zauberschuss war die Partie entschieden, befand auch FC-Trainer Steffen Baumgart: „Wir haben viele Sachen nicht so gut gemacht, wie wir sie hätten machen müssen. Wir sind der verdiente Verlierer“, räumte der 51-Jährige zerknirscht ein. Christian Keller war nach dem Spiel sogar froh, dass die Geißböcke kein Karnevalsdebakel erleben mussten. Nur der eingewechselte Tanguy Coulibaly durfte sich zu seinem 22. Geburtstag noch mit dem 3:0 (74.) beschenken. „Nach dem 0:2 war es wild. Wir sind am Ende mit dem 0:3 noch gut bedient“, sagte der FC-Sportchef.

Die Frage, warum die zuvor in 2023 noch ungeschlagenen Kölner dem VfB den ersten Sieg im sechsten Bundesligaspiel unter dem neuen Trainer Bruno Labbadia erlaubten, war natürlich schwer zu beantworten. FC-Flügelspieler Florian Kainz fand, dass das erste Tor den Stuttgartern „in die Karten spielte“ und seine Kölner ihre Offensivaktionen „nicht konsequent genug zu Ende brachten“. Womöglich hatte auch eine taktische Umstellung damit zu tun, dass die Statik im Kölner Spiel nicht stimmte. Um gegen den Ball aus einem 4:1:3:2-System eine 4:2:2:2-Anlaufformation machen zu können, schob das FC-Trainerteam den zuletzt alles überragenden Ellyes Skhiri ein Stück weiter nach vorne.

„Ellyes und Eric Martel haben zuletzt gut gespielt und wir wollten keinen von beiden rausnehmen“, erklärte Baumgart. Skhiri fand sich in der veränderten Rolle aber nicht gut zurecht und verursachte mit einem für ihn ungewöhnlichen Ballverlust noch in der ersten Hälfte fast das 0:2 durch Silas (26.). „Das Spiel hat gezeigt, dass das nicht so seine Position ist“, gab Keller zu. Baumgart drückte es so aus: „Das Experiment ist nicht ganz so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt habe. Deswegen probieren wir Sachen ja aus. Wenn sie gut funktionieren, freuen wir uns. Und wenn nicht, brechen wir auch nicht gleich zusammen“, setzt der Chefcoach weiter auf Lerneffekte aus allem.

Youngster Jan Thielmann fällt erneut wochenlang aus

Als die Kölner in der Halbzeit inklusive zweier Wechsel umstellten, Skhiri auf die Sechs zurückzogen und Dejan Ljubicic für die Zehn brachten, sah es nach einer Wende aus. Sargis Adamyan kam als neue zweite Spitze nach einer Ljubicic-Flanke aber zu spät – und zwar nur um einen Tick (57.). „Mit den Umstellungen sah es bis zum 0:2 gut aus. Das Tor hat uns dann aber den Stecker gezogen“, sagte Christian Keller und benannte die Konsequenzen der ersten Niederlage im Jahr 2023: „Wir hätten den Abstand nach unten vergrößern und leichte Fantasien in Richtung Platz sieben entwickeln können. Das ist uns nicht gelungen.“

Die Kölner Blickrichtung geht bei nun sieben Punkten Vorsprung auf Relegationsplatz 16 also weiter nach unten. Weil ein Unglück selten allein kommt, musste der FC am Sonntag auch noch den erneuten Ausfall von Jan Thielmann kommunizieren. Der 20-Jährige zog sich nur 15 Minuten nach seiner Einwechslung erneut eine Muskelverletzung zu (79.) und muss länger pausieren. Dass sein Team nach fünf Wechseln die restliche Spielzeit in Unterzahl agieren musste, störte Steffen Baumgart viel weniger, als die erneute Verletzung seines Musterprofis: „Das sind sehr bittere Momente für uns, die bei Jan gerade zu oft kommen. Daher tut das sehr weh.“ Genau wie dieses 0:3 am Karnevalssamstag 2023.

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