1. FC KölnEin furioser und faszinierender Sturmlauf

Lesezeit 5 Minuten
Köln, Deutschland, 1. Fussball Bundesliga 16. Spieltag 1.FC Köln : Werder Bremen 7-1 21. 01. 2023 im Rhein Energie Stadion in Köln Steffen TIGGES FC li.- freut sich über seinen Treffer zum 3-0, dahinter Ellyes SKHIRI FC re.- *** Cologne, Germany, 1 Football Bundesliga 16 Matchday 1 FC Köln Werder Bremen 7 1 21 01 2023 at Rhein Energie Stadion in Cologne Steffen TIGGES FC left is happy about his goal to make it 3 0, behind him Ellyes SKHIRI FC right

Der überragende Steffen Tigges freut sich über seinen Treffer aus 47 Metern zum 3-0, dahinter freut sich Ellyes Skhiri mit.

Der 1. FC Köln hat in der Winterpause seine mentale und körperliche Frische wieder gefunden. Das bekam am Samstag Werder Bremen beim 7:1-Triumph der Geißböcke zu spüren. Als Nächstes geht es für den FC am Dienstag zu den Bayern nach München.

Die Erinnerung fällt schon schwer, denn es ist einfach so verdammt lang her. Der Blick in die Geschichtsbücher verrät, dass der 1. FC Köln am 29. Oktober 1983 vor 11 000 Zuschauern im Müngersdorfer Stadion Eintracht Frankfurt mit 7:0 abfertigte und es seitdem keinen höheren Sieg der Geißböcke mehr in der Fußball-Bundesliga gab. 39 Jahre und vier Monate später kamen die Geißböcke diesem Ergebnis zum ersten Mal wieder richtig nahe. An einem unfassbaren Fußballabend stürmte das entfesselte Team von Trainer Steffen Baumgart historisch zu einem furiosen und faszinierenden 7:1 (5:1)-Kantersieg gegen den SV Werder Bremen.

50.000 staunende Zuschauer in Müngersdorf

Es gab Mitte November 2022 einige Zweifel. Nicht offen ausgesprochen, aber fühlbar. Der FC war nach dem unglücklichen Aus in der Europa Conference League und fünf sieglosen Spielen in der Bundesliga in die Abstiegszone abgerutscht und hatte viel von dem Schwung verloren, der den Club in der vergangenen Saison und auch zu Beginn der Spielzeit 2022/23 in ungeahnte Höhen versetzt hatte.

Frische lautete das allgegenwärtige Thema. Mentale und körperliche. Die brauchen die Kölner nun mal für ihr aufwendiges Spiel, mit dem sie ihre Gegner von der ersten bis zur letzten Minute bearbeiten. „Wir haben immer gesagt, wenn die Jungs den Akku wieder voll haben, dann kommen wir wieder in die Spur“, erklärte Baumgart nach der FC-Gala am Samstag. Was ein frischer und dadurch im Kopf klarer FC anrichten kann, bekamen die bemitleidenswerten Bremer vor 50 000 staunenden Zuschauern im eiskalten Rheinenergiestadion schmerzhaft zu spüren. Die Kölner hatten keine Zweifel, waren hellwach und bis unter die Haarspitzen motiviert. Und sie glaubten an all ihre Fähigkeiten, die sie nach einem Halbjahr voller Spielbelastung in der zehnwöchigen Winterpause im Training wieder ausgraben und vor allem weiter entwickeln konnten.

Alles zum Thema Steffen Baumgart

Lintons Entwicklungsfelder sind das Passspiel im letzten Drittel und der präzise Abschluss.
Christian Keller, Geschäftsführer Sport

Wie Linton Maina, der zum ersten Mal seit seinem Sommerwechsel aus Hannover sein   prall mit Talent gefülltes Paket komplett öffnete. Heraus kam als Erstes das 1:0 (9.), mit dem der Hochgeschwindigkeits-Flügelstürmer alle Kritiker verstummen ließ, die ihm eine chronische Abschlussschwäche attestieren wollten. „Vor der Pause hat bei mir der Abschluss gefehlt, aber wir arbeiten jeden Tag, genau das zu verbessern“, berichtete der 23-Jährige. Danach war Maina von nichts und niemanden mehr zu bremsen, beteiligte sich am 3:0, 4:0 sowie am 6:1 und erzwang Marco Friedls Eigentor (76.) zum 7:1. „Lintons Entwicklungsfelder sind das Passspiel im letzten Drittel und der präzise Abschluss“, sagte FC-Sportchef Christian Keller. Maina hat sich weiter entwickelt, kann man getrost so sagen.

Genau wie Steffen Tigges. Der Mittelstürmer erhielt von Baumgart den Vorzug vor Neuzugang Davie Selke und rechtfertigte das Vertrauen mit zwei Treffern (15./21.) und zwei Vorlagen zum 4:0 von Ellyes Skhiri (30.) und 5:0 von Denis Huseinbasic (36.). „Ich habe mir im Winter vorgenommen, mehr in die Abschlusspositionen zu kommen“, erklärte der 24-Jährige. Das gelang ihm beeindruckend und selbst aus 47 Metern, als er eine Fußabwehr des weit heraus geeilten Werder-Keepers Jiri Pavlenka aufnahm und ihn überlegt ins verwaiste Bremer Tor schlenzte. „Ich wusste nicht, ob ich überhaupt schießen oder noch weitergehen soll. Aber dann musste ich ihn einfach nehmen“, beschrieb Tigges sein Traumtor zum 3:0. „Den macht er so nur einmal im Leben“, unkte sein Trainer und machte noch einmal deutlich, dass der Neuzugang aus Dortmund sich nur Schritt für Schritt über Training weiter entwickeln könnte.

Kölner laufen sagenhafte 126,6 Kilometer

Zurück zu den Traumtoren der nie nachlassenden und am Ende sagenhafte 126,6 Kilometer gelaufenen Kölner. Als der wunderbare Ellyes Skhiri eine Maina-Flanke artistisch per Seitenfallzieher zum 6:1 ins Netz setzte (54.) war das Publikum zurecht völlig entzückt. Der Tunesier, der als Musterprofi ohnehin über jeden Zweifel erhaben ist, fügte seinen vielen guten Auftritten im FC-Trikot eine Weltklasse-Leistung hinzu. Die Geißböcke zeigten bis auf Eric Martels Unaufmerksamkeit beim 5:1 von Niclas Füllkrug (38.) keine Schwächen und eine in allen Mannschaftsteilen überragende Vorstellung. „Das war ein Spiel, das du nicht so oft haben wirst. Jeder weiß das aber einzuordnen, ab sofort geht es wieder ganz ruhig und sachlich nach vorne“, schraubte Steffen Baumgart allzu hohe Erwartungen nach dem Kölner Bilderbuchstart ins Bundesliga-Jahr 2023 gleich wieder runter.

Den Coach freute das Ergebnis und noch viel mehr, dass seine Mannschaft alle Vorgaben nahezu perfekt umsetzte und „immer wieder die zweiten Bälle gewann“. Baumgart war aber natürlich nicht entgangen, dass Werder einen rabenschwarzen Abend erwischt hatte und die Gastgeber zum Toreschießen einlud. Zudem erarbeitete sich der FC gegen den Wiederaufsteiger das nötige Spielglück und zeigte eine brutale Effizienz.

Mit dem Glauben an das eigene Können und der Gewissheit, es auch wieder auf den Platz bringen zu können, geht es für die Geißböcke direkt zur   Nagelprobe schlechthin. Am Dienstag ist der FC in München zu Gast. „Da haben wir genau die Mannschaft vor der Brust, die solche Spiele wie wir gegen Bremen öfter hat“, ordnete Baumgart die Partie sachlich ein. Gewinnen will er selbstverständlich trotzdem, zumal ihm das als Trainer gegen den FCB noch nicht gelungen ist. „Ich glaube, die Bayern werden sich angucken, wie wir spielen und uns nicht auf die leichte Schulter nehmen“, fahren Steffen Tigges und der FC auf jeden Fall mit breiter Brust gen Süden.

Rundschau abonnieren