Neuer Trainer des 1. FC KölnWie Timo Schultz mit der Transfersperre umgehen will

Lesezeit 6 Minuten
Der Neue legt los: Mit Optimismus, Gelassenheit und Fleiß will Timo Schultz den 1. FC Köln zum Klassenerhalt führen.

Der Neue legt los: Mit Optimismus, Gelassenheit und Fleiß will Timo Schultz den 1. FC Köln zum Klassenerhalt führen.

Timo Schultz überlegte nicht lange, als der abstiegsgefährdete Bundesligist anrief. Bei seiner Vorstellung erklärte der 46-Jährige, wie er den FC auch ohne Verstärkung zum Klassenerhalt führen will.

Vielleicht war es ja ein gutes Omen. Als Timo Schultz am Donnerstagvormittag seine Rettungsmission beim 1. FC Köln aufnahm, konnte er sich dem Beistand von ganz oben gewiss sein. Unter den mehreren Hundert Zuschauern, die zur ersten Übungseinheit des 46-Jährigen als neuem FC-Trainer ins Franz-Kremer-Stadion gekommen waren, weilten auch die Sternsinger der Pfarrei St. Stephan in Köln-Lindenthal. Auf die guten Wünsche, die Caspar, Melchior und Balthasar zu ihrer traditionellen Segnung des Geißbockheims mitgebracht hatten, dürfte Schultz gerne zurückgreifen wollen. Nicht grundlos sprach Sportchef Christian Keller bei der Präsentation des Nachfolgers von Steffen Baumgart von einer „großen Aufgabe“, die der durch eine einjährige Transfersperre gehandicapte Tabellenvorletzte der Fußball-Bundesliga im Jahr 2024 zu bewältigen hat.

Am Ende eines ausführlichen Auswahlprozesses zeigte sich Christian Keller überzeugt, den richtigen Mann für all diese Herausforderungen herausgepickt zu haben. Timo Schultz erfülle das Anforderungsprofil „in ganz vielen Punkten“, resümierte der FC-Sportchef. Er bringe „die Persönlichkeit und die Kompetenz mit, um das Leistungspotenzial unserer Mannschaft zu heben. Ich bin mir sicher, dass wir mit ihm in eine sehr positive Zukunft gehen können“, lobte Keller seinen neuen Chefcoach, der im September nach nur drei Monaten dem immensen Umbruch beim FC Basel zum Opfer gefallen war. Zuvor hatte er sich in mehr als 17 Jahren als Spieler, Nachwuchstrainer sowie Co- und Cheftrainer zur Vereinsikone des Zweitligisten FC St. Pauli aufgeschwungen. Und noch etwas war Keller ganz wichtig: „Er hat die Überzeugung, dass es mit dieser Mannschaft, mit diesen Rahmenbedingungen gemeinsam möglich ist, den Bundesliga-Erhalt zu sichern.“ 

Vertrag verlängert sich im Falle des Klassenerhalts wohl automatisch

Durchgesickert war die Personalie erst am Morgen, nachdem sich Timo Schultz seiner neuen Mannschaft vorgestellt hatte. Es spricht für die Qualität der Suche, dass die von Christian Keller geforderte Verschwiegenheit eingehalten worden war. Dieser blickte nach den vielen Tiefschlägen der Hinrunde kämpferisch nach vorn. Es sei nun wichtig, sich „mit voller Überzeugung und totaler Hingabe“ gegen den drohenden siebten Abstieg der Vereinsgeschichte zu stemmen. „Dann wird der Klassenerhalt gelingen“, verbreitete der FC-Sportchef den erforderlichen Optimismus.

Nach der Trennung von Steffen Baumgart hatte sich Keller exakt zwei Wochen Zeit gelassen, um mit der nötigen Sorgfalt einen Nachfolger für den zuletzt immer stärker ins Zweifeln geratenen Erfolgstrainer der vergangenen beiden Jahre zu finden. Aus den unzähligen Bewerbern filterten die Kölner Verantwortlichen einen sieben Trainer großen Kandidatenkreis heraus, der final auf drei Personen reduziert wurde. Danach ging es ausführlich ins Detail. Am Ende hatte sich die Trainersuche zu einem Zweikampf zwischen Timo Schultz und Matthias Kohler (32/zuletzt FC Volendam) entwickelt, der mit einer tiefgreifenden Analyse ebenfalls zu überzeugen wusste. Den Ausschlag für den 14 Jahre älteren Schultz, dessen Arbeitspapier sich im Falle des Klassenerhalts automatisch verlängern dürfte, gab letztlich die größere Erfahrung.

Nachdem der Gemeinsame Ausschuss am Mittwoch der Personalie einstimmig grünes Licht erteilt hatte, traf sich der neue FC-Chefcoach noch am Abend mit seinen künftigen Trainerkollegen zum Essen. Am Donnerstag folgte eine Zusammenkunft mit Kapitän Florian Kainz und dem Mannschaftsrat. Nicht mehr dabei waren neben Baumgart auch Co-Trainer René Wagner und Torwarttrainer Uwe Gospodarek, die wie berichtet freigestellt worden sind. Einen Assistenten wird Schultz dennoch nicht mitbringen. Das Trainerteam sei „sehr gut aufgestellt“. Insbesondere für Interims-Cheftrainer André Pawlak, der keine Ambitionen auf eine dauerhafte Beförderung gehegt hatte, bietet sich fortan die Möglichkeit, etwas mehr aus dem Schatten des omnipräsenten Lautsprechers Baumgart herauszutreten.

Es ist noch nicht mal die Hinrunde vorbei. Es ist genug Zeit, das wieder geradezurücken. Das Potenzial dafür ist vorhanden.
Timo Schultz, neuer Trainer des 1. FC Köln

Es dürfte nicht wenige Trainer geben, die eine Anfrage des 1. FC Köln in seiner momentanen Lage dankend abgelehnt hätten. Timo Schultz hat sein Handy dagegen ganz bewusst in die Hand genommen, als ihn Christian Keller am 27. Dezember zum ersten Mal kontaktierte. „Wenn der 1. FC Köln anruft, muss man nicht lange überlegen“, betonte der 46-Jährige. Das Gesamtpaket aus Mannschaft, Standort, Stadion und Fans habe „eine Anziehungskraft auf uns Trainer“. Der gebürtige Wittmunder ist sich der Schwere der Aufgabe bewusst („Wir haben nur zehn Tore, nur zehn Punkte. Diese Bilanz müssen wir aufpolieren“), mit ostfriesischer Gelassenheit legt er den Fokus aber lieber auf die noch zahlreich vorhandenen Möglichkeiten, die Krise zu entschärfen: „Es ist noch nicht mal die Hinrunde vorbei. Es ist genug Zeit, das wieder geradezurücken.“ Das Potenzial dafür sei vorhanden: „Es waren viele Spiele dabei, die Spitz auf Knopf waren. Wir sind nicht meilenweit weg, Spiele zu gewinnen.“ Baumgarts Spielidee – „aktiv, aggressiv, vorwärtsdenkend“ – plant er weiterzuverfolgen.

Die Baustellen in der Kölner Mannschaft will Timo Schultz mit größtmöglichem Fleiß angehen. „Ich will hier das maximale Engagement an den Tag legen“, kündigte er an, „viel Zeit am Geißbockheim zu verbringen“. Es gehe darum, „die Spieler, die da sind, besser zu machen. Darauf liegt mein Hauptaugenmerk“. Neuzugänge, um dem Kader eigentlich dringend erforderliche Verstärkung zuzufügen, sind nach der vom Internationalen Sportgerichtshof (CAS) bestätigten Transfersperre bis Januar 2025 nämlich nicht möglich. „Das ist jetzt nun mal so, aber ich habe die Überzeugung, dass wir trotzdem eine gute Mannschaft haben, die die Fähigkeit hat, die Richtung zu ändern. Ich habe Spaß daran, ich habe Lust darauf“, sagte Schultz, der sich mit den Eindrücken von der ersten Einheit sehr zufrieden zeigte: „Jeder brennt und hat Lust.“

Timo Schultz will beim 1. FC Köln kein „Baumgart 2.0“ sein

Sich selbst bezeichnet Timo Schultz, dessen Familie zunächst in Hamburg wohnen bleiben wird, als „kommunikativ, ehrgeizig, motiviert“. Er sei „kein typischer Feuerwehrmann, der von Woche zu Woche guckt. Ich weiß, dass wir kurzfristig Ergebnisse brauchen. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, was vielleicht in einem Jahr da sein soll.“ Auf dem Weg dorthin soll dem Einbau vereinseigener Talente eine noch größere Bedeutung zukommen. „Ich arbeite gerne mit jungen, motivierten Spielern zusammen. Die Tür ist für sie hier vielleicht noch weiter auf als bei anderen Vereinen. Aber durchgehen müssen sie selbst. Dafür müssen sie den notwendigen Biss und Ehrgeiz zeigen. Dann haben sie hier alle Chancen der Welt“, sagte Schultz, der beim FC St. Pauli als U17- und U19-Coach Erfahrung im Umgang mit jungen Spielern sammelte.

Vor den Fußstapfen von Steffen Baumgart hat er derweil keine Angst. Dass sein Vorgänger in Köln verehrt wurde, sei „zurecht“ so gewesen. „Steffen hat hier fantastische Arbeit geleistet. Er hat in zwei Jahren viel bewegt und war für den Verein eine Galionsfigur“, lobte Timo Schultz. Doch jetzt sei es an der Zeit, den Blick nach vorne zu werfen: „Ich bin sicher kein Baumgart 2.0. Es geht jetzt von vorne los. Auch für die Spieler. Es ist für jeden die Chance, sich zu zeigen.“ Bis zum richtungsweisenden Heimspiel am 13. Januar gegen Aufsteiger Heidenheim bleibt zunächst nur eine Woche Zeit. „Wir wollen mit kleinem Aufwand eine große Wirkung erreichen“, skizzierte Schultz den Weg aus der Krise.

Rundschau abonnieren