Serhou Guirassy hat von 2016 bis 2019 für den 1. FC Köln gespielt. Der Stürmer des VfB Stuttgart führt aktuell die Bundesliga-Torschützenliste an.
Ex-FC-Spieler beim VfBSerhou Guirassy ist in Stuttgart durchgestartet

Serhou Guirassy jubelt über sein zweites Tor beim 3:1 des VfB Stuttgart gegen Darmstadt 98.
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Letztlich war es nur eine Frage der Zeit. So verkündete zu Beginn der Woche die in Transferangelegenheiten stets gut unterrichte „Gazzetta dello Sport“ ein erstes Interesse der beiden Mailänder Topclubs sowie von Juventus Turin an Serhou Guirassy. Eigentlich eine Nicht-Nachricht. Schließlich dürften sich derzeit sämtliche europäische Topclubs mit dem Stürmer des VfB Stuttgart, der am Samstag (15.30 Uhr/Sky) bei seinem Ex-Club 1. FC Köln antritt, mehr oder weniger vorauseilend beschäftigen.
Zehn Tore in den ersten fünf Spielen, insgesamt 21 in 27 Bundesligaspielen für den VfB — der Nationalspieler Guineas würde im Moment wahrscheinlich auch einen Ball aus 50 Metern in der Torwand versenken. Guirassy kann machen, was er will. Er trifft und trifft und trifft. Dass der 27-Jährige nach nur einem Jahr beim VfB Stuttgart an der Spitze der Bundesliga-Torjägerliste und im obersten Regal des europäischen Transfermarkts auftaucht, hätten wohl nur die wenigsten erwartet.
In Köln den Vornamen falsch geschrieben
Erst recht in Köln. Hier durchlief der Angreifer von 2016 bis 2019 seine erste Zeit im deutschen Oberhaus. Eine, die mit unglücklich wohl ganz zutreffend umschrieben ist. „Ich war jung, oft verletzt. Außerdem hatte ich große Konkurrenz: Jhon Cordoba, Simon Terrode, Simon Zoller, Anthony Modeste“, sagt Guirassy vor seiner Rückkehr nach Köln. „So läuft das eben im Fußball. Mal hast Du eine gute Zeit, mal eine weniger gute. C'est la vie.“ So blieb aus seiner Zeit beim FC ein wahnwitziger Fehlschuss in Erinnerung, als er im Abstiegsjahr beim 0:0 gegen Werder Bremen aus zwei Metern das leere Tor verfehlte. Und, dass man seinen Vornamen über Jahre hinweg falsch schrieb: Sehrou anstatt Serhou. In Köln war Guirassy zur falschen Zeit am falschen Ort.
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In Stuttgart verhält es sich genau entgegengesetzt. Auch beim kommenden FC-Gegner versemmelt der 1,87 Meter große Modellathlet hin und wieder Chancen. Wie jüngst beim 3:1-Sieg in Mainz, als er frei vor dem Tor über den Ball trat. Danach machte er aber mal eben drei Tore. Mit rechts, mit links, per Kopf – eines schöner als das andere. „Er stellt die komplette Palette zur Schau“, sagt Trainer Sebastian Hoeneß. Guirassy kann sich über sich selbst auch nur wundern: „Ich bin in der Form meines Lebens.“
Dafür stehen folgende Bestmarken: Zehn Tore in den ersten fünf Bundesligaspielen gelangen in 60 Jahren Bundesliga sonst nur einem gewissen Robert Lewandowski. Dass Guirassy für seine zehn Saisontore nur 13 Torschüsse benötigte, nennt man wohl effizient. Gemäß xg-Wert, der die Qualität der Torchancen bemisst, hätte er nur 4,6 Mal treffen dürfen. Mit seinen zehn Toren stellt Guirassy sogar Europas Top-Torjäger in den Schatten. Ob sie nun Erling Haaland, Kylian Mbappé oder Harry Kane heißen.
Ewig wird es nicht so weitergehen.
Als öffentlichkeitswirksam ist der Mittelstürmer im Schwabenland bislang noch nicht in Erscheinung getreten. Nachdem sich die Anfragen auf der VfB-Pressestelle getürmt hatten, absolvierte der Stürmer in dieser Woche eine Medienrunde. „Die Mannschaft hat Selbstvertrauen, ich habe Selbstvertrauen. Vor dem Tor bleibe ich ruhig, speziell in Eins-gegen-Eins-Situationen. Dann gehen die Bälle manchmal einfach rein“, versucht er seine Torquote auf einen einfachen Nenner zu bringen. Zugleich schraubt er allzu hohe Erwartungen herunter: „Ewig wird es so nicht weitergehen.“
Der dreifache Familienvater fühlt sich wohl in seiner Umgebung. Ohne einen Anflug von Allüren. „Serhou verliert nicht die Bodenhaftung und ist ein Vorbild an Mannschaftsdienlichkeit“, lobt Sportdirektor Fabian Wohlgemuth den Garanten des aktuellen Höhenflugs. Nach Stuttgart geholt hat ihn nicht Wohlgemuth, sondern dessen Vorgänger Sven Mislintat. Zunächst auf Leihbasis, im Sommer überwiesen die Schwaben neun Millionen Euro an Stade Rennes — ein Schnäppchen. Viele VfB-Fans sehen ihren Club im kommenden Sommer bereits im Geld schwimmen. Nämlich dann, wenn Guirassy trotz eines Vertrags bis 2026 nach Höherem streben sollte.
Doch eine Ausstiegsklausel würde den VfB beim Aushandeln einer Ablösesumme limitieren. Außerdem will der Club dank des Millionenregens durch den Einstieg von Investor Porsche finanziell alles daransetzen, seinen Topstürmer zu halten. Sogar der Abkauf seiner Ausstiegsklausel ist im Gespräch. Ob es hilft? Voraussichtlich wird am Ende der Saison nur einer entscheiden, für welchen Club er künftig spielt: Serhou Guirassy.
Gregor Preiß berichtet für die Stuttgarter Zeitung über den VfB Stuttgart.