Köln – Die Mitteilung ist nur drei Sätze lang, und doch ist sie von so großer Bedeutung. Lokomotive Moskau hat am Dienstag in aller Knappheit bekanntgegeben, dass Markus Gisdol nicht länger Trainer des russischen Spitzenclubs ist. Der 52-jährige Fußballlehrer sei „entlassen“, erklärte der dreimalige Meister, der sich im Besitz der Staatsbahn RZD befindet, ohne Angabe von Gründen. Der frühere Bundesliga-Profi Marvin Compper (36), der unter Gisdol als Spielanalyst arbeitete, übernimmt das Team interimsweise.
Markus Gisdol nimmt ausführlich Stellung zu seinen Gründen
Markus Gisdol will von einer Entlassung dagegen nichts wissen. Der ehemalige Trainer des Bundesligisten 1. FC Köln führt das Ende der Zusammenarbeit auf einen freiwilligen Rücktritt seinerseits zurück.„Fußballtrainer ist für mich der schönste Job der Welt“, beginnt der Schwabe in einer Stellungnahme gegenüber der Bild-Zeitung.
Aus dem weiteren Verlauf der Erklärung wird deutlich, dass Gisdol seinen Rückzug in Zusammenhang mit der russischen Invasion in der Ukraine stellt. So heißt es in dem Statement weiter: „Ich kann meiner Berufung aber nicht in einem Land nachgehen, dessen Staatsführer einen Angriffskrieg mitten in Europa verantwortet. Das geht mit meinen Werten nicht überein, deshalb bin ich mit sofortiger Wirkung von meinem Amt als Trainer von Lokomotive Moskau zurückgetreten.“ Gisdol könne „nicht in Moskau auf dem Trainingsplatz stehen, die Spieler trainieren, Professionalität einfordern und ein paar Kilometer weiter werden Befehle erteilt, die großes Leid über ein gesamtes Volk bringen. Das ist meine persönliche Entscheidung und hiervon bin ich absolut überzeugt.“ Gisdols Berater Joannis Koukoutrigas bekräftigte in den „Stuttgarter Nachrichten“, dass es sich um einen Rücktritt handele: „Sie (Trainer Markus Gisdol und Teammanager Lutz Siebrecht) konnten ihre Arbeit moralisch nicht mehr vertreten. Russland führt einen Krieg. Wie soll man da eine Fußballmannschaft bei Laune halten.“
Erst Mitte Oktober zu Lokomotive Moskau gewechselt
Der frühere FC-Coach, der zwischen November 2019 und April 2021 am Geißbockheim gearbeitet hatte, war erst seit Mitte Oktober 2021 für Lokomotive Moskau tätig gewesen. Geholt wurde er vom damaligen Sportchef Ralf Rangnick. Der 63-Jährige verabschiedete sich jedoch nur wenige Wochen später aus Russland, um beim Premier League-Club Manchester United als Trainer zu übernehmen. Gisdols Amtszeit in Moskau stand daher von Beginn an unter keinem guten Stern.
Der Auftrag des 52-Jährigen lautete, Lokomotive in die Spitzengruppe der Premier Liga zurückzuführen. Doch seine Bilanz fiel sehr durchwachsen aus. Nach drei Siegen, zwei Unentschieden und drei Niederlagen zum Start von Gisdols Wirken fiel der amtierende Pokalsieger auf den siebten Tabellenplatz zurück. Meister und Spitzenreiter Zenit St. Petersburg ist bereits auf 13 Punkte enteilt.
Auch international lief es für Gisdols Team alles andere als rund. Als abgeschlagener Tabellenletzter in einer gemeinsamen Gruppe mit Galatasaray Istanbul, Lazio Rom und Olympique Marseille war für Lokomotive bereits nach der Vorrunde der Europa League Endstation. In zwölf Pflichtspielen brachte es der gebürtige Geislinger auf durchschnittlich nur einen Punkt.
Die Trennung wurde am Montag besiegelt
Zuletzt war der frühere Bundesliga-Chefcoach des 1. FC Köln, Hamburger SV und der TSG Hoffenheim mit Lokomotive noch ins Wintertrainingslager nach Marbella gereist. Parallel zur Rückkehr aus der spanischen Sonne am Freitag wurde bekannt, dass das für Samstag angesetzte Ligaspiel bei FK Krasnodar, dem Club des früheren FC-Torjägers Jhon Cordoba, nicht stattfinden wird. Krasnodar liegt nicht weit entfernt von der Grenze zur Ostukraine, wo am Donnerstag die Kämpfe begonnen hatten.
Gisdol leitete auch nach der Landung in Moskau zunächst noch das Training von Lokomotive. Am Montagabend soll die Trennung dann besiegelt worden sein. Am Dienstag saßen Gisdol und der ebenfalls erst im Oktober vom Oberligisten Stuttgarter Kickers gekommene Team-Manager Lutz Siebrecht (54) schon im Flugzeug. Über Istanbul ging es zurück in ihre schwäbische Heimat.
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Offen ist derweil noch, was mit den zahlreichen anderen deutschsprachigen Funktionären bei Lokomotive passiert. Zu ihnen zählen Geschäftsführer Lars Kornetka, Sportdirektor Tomas Zorn, die leitenden Scouts Christian Möckel und Matthias Wallenwein, Torwarttrainer Sascha Marth sowie Fitnesscoach Martin Hämmerle.
Markus Gisdols Abschied aus Russland war am Dienstag auch Thema am Geißbockheim. FC-Coach Steffen Baumgart bewertete den Vorgang auf Frage dieser Zeitung wie folgt: „Wenn Markus das jetzt so entschieden hat, ist das ein klares Statement. Dazu kann ich ihm nur gratulieren. Er wird aus seiner Sicht den richtigen Weg gegangen sein. Es ist allerdings eine persönliche Entscheidung, und ich finde es immer schwierig, aus der Ferne Entscheidungen anderer zu kommentieren.“