Fortuna Kölns erfolgreiche Jugendarbeit, vorangetrieben von Timo Westendorf, befördert Spieler aus der U19 und U23 in die erste Mannschaft.
„Man muss auf sexy Lösungen umsteigen“Timo Westendorf überzeugt als Brückenbauer von Fortuna Köln

Timo Westendorf ist aktueller LZ-Leiter bei Fortuna Köln
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Von außen betrachtet wirkte die Saison des Fußball-Regionalligisten Fortuna Köln wie ein weiteres Kapitel zwischen ambitionierten Ansätzen und sportlichem Stillstand. Platz sechs war es am Ende der Spielzeit 2024/25. Und doch verbirgt sich hinter der nüchternen Platzierung ein bemerkenswerter Trend: Sechs Spieler aus der U 23 schafften den Sprung in die erste Mannschaft der Südstädter.
Westendorf war Co-Trainer der Fortuna
Dass dies kein Zufall ist, sondern das Resultat systematischer Arbeit, hat viel mit Timo Westendorf, Leiter des Leistungszentrums, Co-Trainer der Profis bis Juni 2024 und Sohn des Präsidenten Hanns-Jörg Westendorf, zu tun. „Ich habe ganz unten angefangen“, sagt der 31-Jährige. Nach dem Abitur ein Praktikum in London, planlos zurückgekehrt, angesprochen auf einer Weihnachtsfeier der Fortuna im Gaffel am Dom – so beginnt seine Geschichte.
Viele sagten und dachten, ich werde bevorzugt. Das hat über die Zeit aber abgenommen. Als Person kann man sich davon freimachen, aber es wird immer Sachen geben, bei denen das aufkommen wird
Aus einer Bierlaune entwickelte sich ein Beruf. Westendorf stieg ein ins Trainergeschäft, erwarb Lizenzen, übernahm Jugendteams – vielleicht auch, um denen etwas entgegenzusetzen, die in ihm nur den Präsidentensohn sahen. „Das Thema Vater-Sohn spielte anfangs immer eine Rolle. Viele dachten, ich werde bevorzugt“, sagt er. „Als Person kann man sich davon freimachen, dennoch wird es immer Sachen geben, bei denen das aufkommen wird.“
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Doch das ist ihm inzwischen gleichgültig. Zu deutlich ist der Erfolg. Spieler wie Nico Westerhoff, der zuletzt seinen ersten Profivertrag unterschrieb, sind sichtbare Zeichen eines Wegs, der bei Fortuna mittlerweile gangbar geworden ist – aus der U 19 in die U 23 und von dort weiter in die erste Mannschaft. Auch U23-Teammanager Stefan Kleefisch lobt den Einsatz von Westendorf: „Timo entwickelt und fördert die Jungs. Wenn die U 23 spielt, stehen viele der Fortuna-Verantwortlichen an der Seitenlinie und schauen die Spiele. Das sehen die Spieler natürlich auch.“
Kleefisch ist seit 16 Jahren für die U 23 tätig und erlebte den Aufstieg der zweiten Mannschaft hautnah mit: „Ich habe noch Zeiten irgendwo in der Kreisliga-B erlebt. Wir sind in sechs Jahren viermal aufgestiegen. Wir sind einen steinigen Weg gegangen.“
„Die Trainer müssen es wirklich wollen. Man muss über mehrere Jahre mit den Jungs arbeiten wollen, sie außerhalb des Fußballs auch persönlich kennenlernen“, erklärt Westendorf. Für ihn ist nicht nur das Talent allein entscheidend. Sondern noch mehr der Einsatz und das Engagement auf dem Platz: „Wir müssen nicht die taktisch beste Mannschaft sein. Wir müssen diese Gier entwickeln, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Ich habe lieber einen Spieler mit zwei bis drei Prozent weniger, der dafür aber mehr gibt als andersrum.“
Bei der Fortuna ist seit einiger Zeit ein Brückenschlag gelungen – nicht zuletzt, weil Westendorf selbst den Drahtseilakt zwischen Nachwuchs und Profis als Co-Trainer lebte. „Wir haben die Akzeptanz geschaffen, dass der Trainer der Profimannschaft die U 23 wahrnimmt. Außer bei Uwe Koschinat und Matthias Mink war das nicht der Fall“, sagt er. Eine Selbstverständlichkeit war das nicht – im Gegenteil. Zu oft, so Westendorf, „sei in der Vergangenheit das Interesse an der eigenen Jugend überschaubar gewesen.“ Neben der zweiten Mannschaft von Fortuna Köln sind es auch die U19 und U17, die ihre Spieler erfolgreich weiterentwickeln.
Kaum Unterstützung durch die Stadt
Doch Akzeptanz für die Nachwuchsarbeit ist nur ein Teil der Wahrheit. Der andere ist: Fortuna Köln hat kaum andere Wahl. Die Infrastruktur, über die der Klub verfügt, ist – milde gesagt – prekär. Diese sei „wirklich, wirklich bodenlos“, sagt Westendorf. Der Kunstrasen platzt, die Mittel fehlen. „Man fühlt sich von der Stadt alleingelassen. Wer etwas anderes bezüglich der Infrastruktur behauptet, hat keine Ahnung.“ Es klingt nach Frust und vielleicht auch nach Resignation angesichts städtischer Prioritäten. Und dennoch: Die Mängel haben einen paradoxen Effekt. Weil Plätze rar sind, sind Austausch und Organisation zwischen den Trainerteams Pflicht. „Man muss auf sexy Lösungen umsteigen“, formuliert es Westendorf schmunzelnd. Mal geht eine Mannschaft in den Kraftraum, mal spielt die U 23 gegen die U 19. Improvisation als Tugend.
Natürlich bremst uns die Infrastruktur aus. Die ist wirklich, wirklich bodenlos. Man fühlt sich von der Stadt Köln allein gelassen [...]. Wir haben viele Mannschaften auf dem Platz, daher müssen wir uns absprechen und auf sexy Lösungen umsteigen.
Vor diesem Hintergrund wird auch klar, was die Jugend Fortuna von der übermächtigen Konkurrenz unterscheidet. Während Viktoria Köln, Bayer Leverkusen, der 1. FC Köln oder Borussia Mönchengladbach mit ihren Nachwuchsleistungszentren in einer anderen Liga spielen – sportlich wie infrastrukturell – bietet Fortuna ein Alleinstellungsmerkmal, das tatsächlich zählt: Perspektive. „Die U 23 ist für viele Spieler extrem reizvoll“, sagt Westendorf.
Fortuna ist ein Verein mit begrenzten Mitteln und einem umso größeren Anspruch, Talente zu begleiten – nicht nur sportlich, sondern auch menschlich. „Man muss über Jahre mit den Jungs arbeiten wollen“, sagt Westendorf. Und meint damit auch: zuhören, verstehen, begleiten.