Pokal-ÜberraschungViktoria Köln wirft Werder Bremen aus dem Wettbewerb

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Höhenberger Jubeltraube: Viktoria Köln feiert den Siegtreffer von Donny Bogicevic in der vierten Minute der Nachspielzeit.

Höhenberger Jubeltraube: Viktoria Köln feiert den Siegtreffer von Donny Bogicevic in der vierten Minute der Nachspielzeit.

Jubeltaumel in Höhenberg: Viktoria Köln steht erstmals seit 2015 wieder in der zweiten Runde des DFB-Pokals.

Es lief die vierte Minute der Nachspielzeit, als sich der Sportpark Höhenberg an diesem Samstagnachmittag endgültig in ein Tollhaus verwandelte. Donny Bogicevic hatte soeben zum 3:2 (0:1)-Sieg des FC Viktoria Köln abgestaubt, dem damit das Kunststück gelungen war, den zwei Klassen höher angesiedelten Bundesligisten SV Werder Bremen aus der ersten Runde des DFB-Pokals zu befördern.

Der Treffer in buchstäblich letzter Sekunde des Neuzugangs vom Regionalligisten TSV Steinbach Haiger bildete den spektakulären Schlusspunkt unter ein denkwürdiges Pokalspiel, in dem die Mannschaft von Trainer Olaf Janßen bei 80-minütiger Überzahl zweimal in Rückstand geraten und beide Male ausgerechnet durch den früheren Bremer David Philipp zurückgekommen war. Damit stehen die Rechtsrheinischen erstmals seit 2015 wieder in der zweiten DFB-Pokal-Runde, die am 31. Oktober und 1. November ausgetragen wird.

„Von so einem Spielverlauf träumt man. Dass wir das Spiel am Ende tatsächlich gezogen haben, ist unglaublich“, jubelte Doppeltorschütze David Philipp, der zur Feier des Tages am Abend (23 Uhr) im ZDF-Sportstudio zu Gast sein wird. Der Sportliche Leiter Stephan Küsters war ebenfalls aus dem Häuschen: „Es ist der Wahnsinn. Das ist mit das Emotionalste, was ich in meiner Fußballer-Laufbahn erlebt habe.“

Viktoria-Coach Olaf Janßen hatte exakt dieselbe Startelf ins Rennen geschickt, die sich mit dem 3:1 gegen den SC Verl für den ersten Auftaktsieg in fünfjähriger Drittliga-Zugehörigkeit verantwortlich zeichnete. Der früheren Bremer Nachwuchs-Hoffnung David Philipp wurde beim Wiedersehen mit seinem Ausbildungsclub damit erneut die Aufgabe zuteil, den verletzten André Becker im Sturmzentrum zu ersetzen. Eine Herausforderung, die der 23-Jährige unter den Augen von FC-Trainer Steffen Baumgart auf spektakuläre Weise lösen sollte.

Frühe Rote Karte für den Bremer Amos Pieper

Ebenjener David Philipp war nämlich unter anderem mit daran beteiligt, dass der Bundesligist in der elften Minute die wohl spielentscheidende Schwächung hinnehmen musste. Philipp bediente mit einem Pass in die Tiefe seinen pfeilschnellen Mitspieler Luca Marseiler, der 30 Meter vor dem Weder-Gehäuse von Amos Pieper als letztem Bremer zu Fall gebracht wurde. Schiedsrichter Frank Willenborg ordnete das Foul zurecht als Notbremse ein und zückte die Rote Karte.

Werder zog sich daraufhin weit zurück und überließ dem Außenseiter den Ball. Der Drittligist entwickelte zunächst allerdings kaum zündende Ideen, um seine numerische Überlegenheit in Torchancen umzumünzen – und wurde vor der Pause nur einmal zwingend. Nach einer Umschaltaktion zog Donny Bogicevic von der Strafraumgrenze genau in die Arme des Bremer Schlussmannes Jiri Pavlenka ab (17.).

In einem höhepunktarmen ersten Durchgang ließ der erste Abschluss der enttäuschenden Gäste durch Romano Schmid bis zur 32. Minute auf sich warten. Kurz vor dem Seitenwechsel versuchte es der österreichische Nationalspieler nochmal (41.). Dennoch fiel die Bremer Führung aus dem Nichts. Ex-FC-Profi Leonardo Bittencourt flankte aus dem Halbfeld auf den langen Pfosten, von wo Jens Stage den Ball in die Mitte legte. Niklas Stark spitzelte das Spielgerät an den Pfosten, den Abstauber verwertete Marvin Ducksch alleingelassen zum 0:1 (43.).

Atemberaubender Schlagabtausch nach zäher erster Halbzeit

Der Drittligist sah sich gefordert, mehr Mut an den Tag zu legen – und verwandelte das bis dato recht zähe Duell in einen rassigen Schlagabtausch, der die 8343 Zuschauer im ausverkauften Sportpark Höhenberg begeisterte. Kurz nach Wiederbeginn verzeichnete die nun energischer anlaufende Viktoria innerhalb von vier Minuten gleich drei Ausgleichschancen. Erst köpfte Marseiler eine Hereingabe von Philipp aus fünf Metern genau auf Pavlenka (53.). Dann landete nach einer Bogicevic-Ecke ein zu mittig angesetzter Kopfball von Michael Schultz beim Tschechen (56.), der zudem noch einen Distanzschuss von Philipp aus dem rechten unteren Eck kratzte (57.). Auf der Gegenseite entschärfte Ben Voll eine Bogenlampe von Schmid und einen Kopfball von Nationalstürmer Niclas Füllkrug (beide 67.).

Kurz darauf gelang den Kölnern der hochverdiente Ausgleich. Nach einem Chipball von Schultz in den Bremer Strafraum reagierte Philipp gedankenschneller als zwei Gegenspieler und verwandelte mit einem Schuss ins linke untere Eck (72.). Die Partie bog daraufhin in eine völlig wilde Schlussphase ein, in der Werder fünf Minuten später erneut in Führung ging. Nach einem Klammergriff von Schultz gegen Füllkrug gab es Elfmeter für den Bundesligisten, den der Gefoulte sicher verwandelte.

Der Jubel auf der grün-weißen Gegengerade war noch nicht verhallt, als David Philipp nach einem eigentlich verunglückten Steckpass des eingewechselten Simon Handle die nächste folgenschwere Unachtsamkeit in der Bremer Defensive mit dem abermaligen Ausgleich bestrafte (78.). Doch damit nicht genug: In der Nachspielzeit griff Patrick Koronkiewicz über die schwache linke Bremer Abwehrseite an, Jiri Pavlenka wehrte zunächst noch mit dem Fuß ab, ehe Donny Bogicevic den Abstauber zum  Kölner Lucky Punch unter das Quergestänge setzte (90.+4). Frank Willenborg pfiff daraufhin gar nicht mehr an.

Der Rest war ein rechtsrheinischer Jubelsturm, der Erinnerungen hervorrief an die Pokal-Überraschung aus dem Jahr 2015 gegen den damaligen Zweitligisten Union Berlin. Olaf Janßen sprach von einem verdienten Coup des Drittligisten: „Je länger das Spiel gedauert hat, desto mehr haben wir dominiert. Das Siegtor in der Nachspielzeit war das Sahnehäubchen auf der Torte“, zeigte sich Viktorias Trainer entzückt.

Für Werder bedeutete das bereits zweite Erstrunden-Aus in den vergangenen drei Jahren dagegen einen herben Fehlstart. Entsprechend bedient reagierte Trainer Ole Werner: „Sicherlich ist es ein anderes Spiel, wenn wir die Rote Karte nicht bekommen hätten. Wir hätten aber die Tore auf diese Art und Weise einfach nicht kassieren dürfen. Wir verteidigen die drei Gegentore schwach am Flügel. Es war ein bitterer Nachmittag für uns.“

FC Viktoria Köln: Voll; Schultz, Fritz (71. Najar), Greger; Koronkiewicz, Russo, Henning (71. Lorch), May; Bogicevic, Marseiler (66. Handle); Philipp (86. Mustafa). – SV Werder Bremen: Pavlenka; Pieper, Stark, Veljkovic; Burke (71. Rapp), Bittencourt (71. Weiser), Stage, Jung (90. Friedel); Schmid, Füllkrug, Duksch (60. Groß). – SR.: Willenborg (Osnabrück). – Zuschauer: 8343 (ausverkauft). – Tore: 0:1 Ducksch (43.), 1:1 Philipp (72.), 1:2 Füllkrug (77./Foulelfmeter), 2:2 Philipp (78.), 3:2 Bogicevic (90.+4). - Besonderes Vorkommnis: Rot gegen den Bremer Pieper (11./Notbremse).

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