Köln – Die schnarrige, sich fast überschlagende Stimme tönt noch heute so manchem eingefleischten Fan im Ohr. "Tooor, Tooor, Tooor. I wer' narrisch!" Eine Stimme, die bei der WM 1978 Fußball-Deutschland bis ins Mark traf. Das Unfassbare war geschehen. Hans Krankl, der vor dem Wechsel zum FC Barcelona stehende Weltklassestürmer aus Wien, hatte soeben das 3:2 für Österreich gegen Deutschland erzielt. Es war die Sensation: Der Titelverteidiger war aus dem Turnier gekegelt. Nicht von den Niederlanden oder Italien, den beiden Gruppenersten, sondern von den Kickern der benachbarten Alpenrepublik, gegen die man seit fast 50 Jahren nicht mehr verloren hatte und die als Tabellenletzte ebenfalls nach Hause reisen mussten.
Die Stimme gehörte Edi Finger, der damals für das österreichische Fernsehen berichtete und dadurch Kultstatus bekam. "I wer' narrisch" tönt sogar heute noch als Klingelton aus manchen Handys. Der Satz steht sportlich aus deutscher Sicht für eine der dunkelsten Stunden der WM-Geschichte, für die Schmach von Cordoba. Des einen Leid ist des anderen Freud'. Denn bei den Österreichern redet man seit diesem 21. Juni 1978 vom Wunder von Cordoba.
Es hätte noch alles gut werden können
Die Deutschen hatten in der Vorrunde alles andere als berauschend gespielt. Nach einer Abwehrschlacht trennten sie sich von Polen mit 0:0, fegten Mexiko mit 6:0 vom Platz, um dann gegen Tunesien mit einem weiteren 0:0 zu enttäuschen. Als Tabellenzweiter zog der Titelverteidiger, bei dem viele Stars aus dem Weltmeisterteam fehlten, in die Finalrunde ein. Unter anderem hatte der DFB entschieden, Franz Beckenbauer nicht mitzunehmen, weil er im Ausland bei Cosmos New York unter Vertrag stand. Das waren noch Zeiten. Es hätte aber noch alles gut werden können. Gegen Österreich war der Einzug ins Spiel um den dritten Platz und unter Umständen sogar noch der Sprung ins Finale möglich. Dazu hätte es bei einem Unentschieden zwischen den Niederlanden und Italien eines Sieges mit mindestens vier Toren Unterschied bedurft.
Die Geschichte wurde anders geschrieben - weil die Niederländer mit 3:1 gewannen - und weil die Österreicher es wissen wollten. "Die ,Bild' hat das alles groß aufgebauscht und ein 6:0 für die Deutschen vorhergesagt. Das hat uns nur zusätzlich motiviert", erinnerte sich Krankl. Bernard Dietz ärgerte sich später darüber, dass seine Mannschaft nicht auf Unentschieden gespielt hatte: "Wir spielten voll auf Angriff und liefen so in die historische 2:3-Niederlage."
Karl-Heinz Rummenigge traf zur Führung, Berti Vogts per Eigentor zum Ausgleich - und dann schlug Hans Krankl zu. Er traf nicht nur zum 2:1, sondern nach dem 2:2 durch Bernd Hölzenbein auch zum 3:2. I wer' narrisch. . .
Argentinien wurde Weltmeister - 3:1 nach Verlängerung gegen die Niederlande. Oranje hatte, wie schon 1974 in Deutschland, gegen den Gastgeber das Nachsehen im Endspiel.
Mit der Serie Tore, Typen, Turniere stimmt die Rundschau ihre Leser auf die Fußball-WM 2018 in Russland ein. Für die Beiträge, die bis zum WM-Beginn am 15. Juni dienstags und samstags in unserer Printausgabe erscheinen, blättern die Redakteure in der WM-Geschichte. In dieser Folge geht es um die WM 1978 in Argentinien, nach der Bundestrainer Helmut Schön seinen Abschied bekannt gab.