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Zum Tod von Hans Günter WinklerLegendärer Gold-Ritt mit Halla

Lesezeit 4 Minuten
Winkler

Springreiter Hans Günter Winkler auf seiner "Wunderstute" Halla beim Jagdspringen während der Olympischen Spiele in Stockholm. (1956)

Warendorf – Der Ritt mit schmerzverzerrtem Gesicht hat Hans Günter Winkler zu einer Legende des Pferdesports gemacht – und sein Pferd Halla weltberühmt. Die kleine Stute trug den verletzten Springreiter 1956 zu olympischem Doppel-Gold. Diese Geschichte musste Winkler immer wieder erzählen – und er tat es sehr gerne und ausführlich. Bis zuletzt, bis kurz vor seinem Tod in der Nacht zum Montag im Alter von 91 Jahren.

Winkler wurde einer der großen Sport-Helden seiner Zeit, weil er sich in der ersten Runde der Einzel- und Mannschafts-Entscheidung so schwer an der Leiste verletzt hatte, dass er eigentlich hätte aufgeben müssen. Er tat es aber nicht. Obwohl er Halla beim zweiten Durchgang kaum helfen und durch den Parcours dirigieren konnte, ritt er mit der tapferen Stute ohne Fehler: Deutschland gewann Team-Gold und Winkler auch noch Einzel-Gold.

Genie und irre Ziege

„Dieses wunderbare Pferd machte mir die größte Liebeserklärung, indem es am langen Zügel nur begleitet von meinen Schmerzensschreien über jeden Sprung ohne Fehler ging“, lautete eine von Winklers zahlreichen Beschreibungen. Sie sei „eine Mischung aus Genie und irrer Ziege“ gewesen, lautete eine weitere Beschreibung. Pferde seien ja normalerweise nicht intelligent, erklärte der Reiter – aber seine Halla sei es gewesen.

Der mit Ausdauer und Zähigkeit erkämpfte Erfolg machte Winkler zu einer Symbolfigur seiner Zeit. Sänger hatte der in Barmen geborene Reiter als junger Mann mal werden wollen. Dann kam der Krieg. Er er- und überlebte das Ende als Flakhelfer. „Da war die Zeit des Singens vorbei“, sagte er. Sein Vater fiel kurz vor Kriegsende, seine Familie begann bei Null. So erzählte er es noch vor zwei Jahren.

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Die deutschen Springreiter bei der Siegerehrung stehen bei den Olympischen Spielen auf dem Podium (v.l.): Paul Schockemöhle, Sönke Sönksen, Hans-Günter Winkler und Alwin Schockemöhle. (1976)

Zu den von Winkler gerne erzählten Geschichten gehört auch jene über das Adoptions-Angebot eines späteren US-Präsidenten. Ein halbes Jahr lang ritten Winkler und der damalige Oberbefehlshaber Dwight D. Eisenhower jeden Morgen in die Wälder des Taunus. Dann bestellte der spätere US-Präsident den damaligen Stallburschen in sein Büro. „Ohne Umschweife fragte er nach meinen Familienverhältnissen. Ganz höflich fragte er, ob ich mir vorstellen könnte, dass er mich adoptiert und an Kindes statt annimmt“, berichtete Winkler. „Dann habe ich überlegt und überlegt und bin zu dem Schluss gekommen: Das geht gar nicht, ich kann meine Mutter nicht im Stich lassen.“

Sportlich eine Legende

Sportlich ist er als Springreiter noch immer unerreicht. Den zwei Goldmedaillen von 1956 folgten drei weitere Olympiasiege. Winkler gewann zudem eine Silber- und eine Bronzemedaille bei Olympischen Spielen. Am nächsten kam ihm Ludger Beerbaum, der viermal Gold gewann und nach Team-Bronze vor zwei Jahren in Rio de Janeiro aus der Nationalmannschaft zurücktrat. „Er war eine große Reitsportpersönlichkeit, die den Pferdesport mitgeprägt hat“, sagte Beerbaum am Montag: „Bis ins hohe Alter haben wir Pferdegeschäfte miteinander gemacht, und ich kann verraten: Es war nicht einfach, mit ihm zu feilschen.“

Zur imposanten Bilanz des Ausnahmereiters gehören auch zwei Einzel-Titel bei Weltmeisterschaften und fünf deutsche Meisterschaften. Winkler startete 105 Mal für die deutsche Mannschaft. Und zu seiner umfangreichen Titelsammlung gehört auch die zweimalige Wahl zum Sportler des Jahres – eine heutzutage kaum vorstellbare Ehre für einen Reiter.

Seine Karriere beendete Winkler 1986 in Aachen, wo er neben vielen Siegen beim CHIO auch dreimal den Großen Preis gewann. Wie kein Zweiter habe Winkler für Erfolg als Ergebnis von Wille, Leidenschaft und Einsatzbereitschaft gestanden, sagte Carl Meulenbergh, Präsident des CHIO-Ausrichters ALRV. Breido Graf zu Rantzau, der Präsident der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, sagte: „Hans Günter Winkler war während seiner Karriere ein großer Sportler und hat auch nach seiner aktiven Zeit unendlich viel für unseren Sport, besonders für den Reiter-Nachwuchs getan. Wir verlieren mit ihm einen Mann, der mit großer Disziplin und Leidenschaft sein Leben gemeistert hat.“

Das Stadion in Aachen war Winklers „Wohnzimmer“, wie er es nannte. Warendorf sein Wohnsitz seit 1950. Winkler lebte bis zuletzt nicht weit entfernt vom Sitz des Verbandes. Dort, wo ein Denkmal für seine Stute Halla steht. (dpa)