Steigende EnergiepreiseWas Verbraucher gegen den Preisschock unternehmen können

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Gasflamme Symbolbild

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  • Viele Menschen erhalten in diesen Tagen Briefe von ihren Versorgungsunternehmen, die ihnen die Tränen in die Augen treiben.
  • Was kann man tun gegen die Vervielfachung der eigenen Strom-, Öl- oder Gasrechnung?

Es war abzusehen: Die explodierten Kosten für Gas, Öl und Strom landen bei Mietern und Eigenheimbesitzern. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. „Wir beobachten gerade eine Preiserhöhungswelle, sowohl bei den Tarifen als auch bei den Abschlägen“, sagt Udo Sieverding, Energieexperte der Verbraucherzentrale NRW. Der Deutsche Mieterbund berichtet das gleiche. Aber Steigerungen von 100 Prozent und mehr, muss das wirklich sein? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Warum kommen jetzt die Preiserhöhungen?

Rund 90 Prozent der 43 Millionen Wohnungen in Deutschland werden mit Gas oder Öl beheizt. Der Gaspreis stieg zum Jahresbeginn um 83 Prozent, beim Heizöl ging es im Vorjahresvergleich um 75 Prozent nach oben. Und auch der Strom hat sich stark verteuert. Saftige Nachzahlungen stehen mit der Nebenkostenabrechnung für 2022 ins Haus, also erst kommendes Frühjahr. Aber bezüglich Strom und bei den Direktkunden für Gas und Öl melden sich die Versorger schon jetzt.

Beispiel: „In Gelsenkirchen steigt der Gaspreis zum 1. August um 100 Prozent“, berichtet Sieverding. „Gerade für eine Stadt mit vielen Geringverdienern ist das eine Katastrophe!“ Die Abschlagsforderungen hätten sich teils verdreifacht. Von den enormen Preissteigerungen seien gerade ganz viele Kunden betroffen, konstatiert Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbundes.

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Wie dramatisch werden die Kosten steigen?

So ganz ist das – auch wegen der Folgen des Ukraine-Krieges samt westlicher Sanktionen gegen Russland – noch nicht abzusehen. Bisherige Gaspreise von 7 Cent, „das war noch die alte Welt“, sagt Verbraucherschützer Sieverding. „Das war definitiv nicht zu halten. 14 Cent sind schon teuer, aber selbst das könnte noch nicht die Spitze der Fahnenstange sein.“

Beim Strom wird die Teuerung durch die Abschaffung der EEG-Umlage zum 1. Juli abgebremst, aber der Effekt könnte schon einen Monat später verpufft sein. Auch Stromversorger kündigen jedenfalls schon Preissteigerungen ab August an.

Bemerkenswert: Es gibt nach wie vor „eine riesige Spanne“ zwischen den teuersten und preiswertesten Anbietern, wie Sieverding beobachtet. Die Gründe seien komplex. Manche Anbieter hätten nicht gut eingekauft, seien also zu besonders drastischen Preissteigerungen gezwungen. Viele erhöhten jetzt die Kosten kräftig, um nicht in vier Monaten erneut mehr verlangen zu müssen. Andere wiederum setzen auf eine Beruhigung der Märkte und erhöhen nur moderat. „Letztlich blicken alle in die Glaskugel.“

Kann man sich gegen die Erhöhungen wehren?

Man sollte es unbedingt versuchen, finden Verbraucherschützer und Mieterbund. Denn: „Nach unserer Auffassung versuchen nicht wenige Anbieter Mitnahmeeffekte zu erzielen, also an der Krise zu verdienen“, sagt Sieverding. Konkret sollten zunächst alle, die kräftiger zur Kasse gebeten werden, in Vergleichsportalen wie Verivox oder Check 24 nach besseren Angeboten suchen. Vielleicht finde sich nichts, „das ist dann bitter, zeigt aber, dass die geforderten Preise einfach marktüblich sind“. Werden preiswertere Optionen angezeigt, tut sich eine Tür auf. „Kundinnen und Kunden sollten prüfen, ob ein Wechsel des Versorgers sinnvoll ist“, sagt Weber-Moritz.

Mit Discountern als Privatkunde über niedrigere Preise zu verhandeln, mache zwar keinen Sinn, sagt Sieverding. Aber bei den Grundversorgern oder Stadtwerken lohne unbedingt eine Anfrage, ob man beim Wechsel von einem Billiganbieter um einen teuren Neukundenvertrag herumkomme. Sein Geheimtipp: nachfragen, ob man als Bestandskunde aufgenommen werden kann. Manche Stadtwerke ließen sich darauf ein, um treue Kunden von Discount-Anbietern zurückzugewinnen, weiß der Verbraucherschützer. „Der Aufwand kann sich auszahlen.“

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Auch Vermieter sind grundsätzlich angehalten, vergleichende Angebote einzuholen. „Verstößt ein Vermieter gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit, muss er die übermäßigen Kosten selbst tragen“, erklärt Mieterbund-Direktorin Weber-Moritz. Es könnte also gerade jetzt Sinn machen, seinem Vermieter mal auf die Füße zu treten.

Und wenn das nicht klappt – was dann?

Der sicherste Weg zum Kostensparen ist das Energiesparen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat dazu gerade eine Kampagne gestartet, inklusive Praxistipps. Die reichen von „kürzer duschen“ über „wärmere“ Kühlschränke („7 Grad reichen aus, ein Grad hochschalten senkt die Stromkosten um sechs Prozent“) bis zu kleineren Fernsehern („mit jedem Zoll mehr steigt der Stromverbrauch“). Wie man beim Heizen spart, dazu gibt es wertvolle Tipps unter anderem beim Verbraucherzentrale Bundesverband.

Hilft der Staat den Verbrauchern ausreichend?

Wohngeldempfänger erhalten einen verdoppelten Heizkostenzuschuss von 270 Euro, Arbeitnehmer einen Zuschuss von 300 Euro. Dem Mieterbund reicht das nicht: „Statt Einmalzahlungen benötigen wir eine dauerhafte Entlastung bei den Heizkosten, mindestens für die Zeit der Energiekrise“, sagt Weber-Moritz. Weitere Forderung: „Der Staat muss sicherstellen, dass Mietern nicht gekündigt werden kann, wenn sie hohe Nachforderungen nicht binnen 30 Tagen bezahlen können.“

Die Verbraucherzentrale drängt die Kartellbehörden, Versorger zu überprüfen. Gerade Landesbehörden seien oft „sehr nah“ an den Anbietern, findet Sieverding. Scharfe Kontrollen würden der Branche signalisieren, Maß zu halten. „Klar ist aber auch: Steigen die Preise ab Herbst weiter, dann braucht es zusätzliche Entlastungen. Für viel zu viele Haushalte sind die Rechnungen sonst nicht mehr zu bezahlen.“

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