Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

FachkräftemangelImmer mehr Firmen in NRW wollen Ausländer beschäftigen

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 20.01.2020, Baden-Württemberg, ---: Eine Krankenpflegerin schiebt ein Krankenbett durch einen Flur.

Auch in der Pflege fehlen viele Fachkräfte.

Das Land versucht den späten Start im Wettbewerb um Zuwanderung wettzumachen – die ZFE in Bonn hilft dabei. Doch noch spielt Deutschland nicht vorne mit.

Nigeria, Elfenbeinküste, Afghanistan, Brasilien… In fast jedem Land auf der Weltkarte steckt eine goldene Nadel. „Unsere Kundschaft verteilt sich auf die ganze Welt“, erklärt Axel Rosenthal, Chef der Zentralstelle Fachkräfteeinwanderung (ZFE NRW) in Bonn. Die große Karte im Flur der Behörde zeigt anschaulich, in welche Staaten die ZFE schon Brücken für Fachkräfte und deren Arbeitgeber in NRW gebaut hat.

Sie können oder wollen Pflegebedürftige pflegen, Kranke heilen, sind Computer-Spezialisten oder können gut kochen. Sie kommen aus der Türkei, vom Westbalkan, aus Kamerun, von den Philippinen oder aus Lateinamerika. Und sie kommen in großer Zahl. Als die ZFE im Jahr 2020 an den Start ging, zählte sie nur rund 900 Anträge auf Fachkräfte-Einwanderung im so genannten „beschleunigten Fachkräfte-Verfahren“.

Im vergangenen Jahr waren es schon 4460. Allein im Januar 2023 wurden 400 Verfahren eröffnet und 220 erfolgreich abgeschlossen. Diese „Außenstelle“ der Bezirksregierung Köln würde am liebsten 15000 Anträge im Jahr bearbeiten, aber dafür fehlt ihr noch die Ausstattung. Die Zahl der Mitarbeiter stieg schon von sechs auf 29.

Die ZFE lichtet Firmen, die einen Spezialisten oder einen Auszubildenden aus einem Land außerhalb der EU beschäftigen möchten, den Weg durch den Behördendschungel. Und nimmt Interessierten im Ausland, die selbst die Initiative ergreifen, den Schrecken vor komplizierten Anträgen. „Wir sind der zentrale Ansprechpartner für Arbeitgeber in NRW. Wir kümmern uns um alles“, sagt Rosenthal.

Visum binnen sechs Wochen

Vor 2020, also vor dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz (siehe Kasten) mussten diese Arbeitgeber von einer Behörde zur nächsten laufen, wenn sie einen Ausländer in den Betrieb holen wollten. Die ZFE nimmt ihnen Stress ab, weil sie alles in einer Hand zusammenführt. Die größte Zeitersparnis entsteht beim Visum. Mit Hilfe der ZFE vergehen im Schnitt sechs Wochen bis zur Visums-Entscheidung. „Ohne diese Vorarbeit kann das bis zu einem Jahr dauern“, so Rosenthal. Die ZFE verhilft den Firmen und den Arbeitskräften fast immer erfolgreich zu einer „Vorabzustimmung“.

„NRW ist mit der ZFE bundesweit ein Vorreiter bei der Zuwanderung von Fachkräften. Es ist aber noch Luft nach oben bei der Zahl der Verfahren“, sagt NRW-Integrationsministerin Josefine Paul (Grüne) bei einem Besuch der ZFE in Bonn. Man müsse auch auf potenzielle Arbeitskräfte in NRW schauen: „Wir brauchen beide: Wir benötigen Fachkräfte aus dem Ausland, und wir müssen die Potenziale von Menschen heben, die schon bei uns sind.“

Großer Bürokratieaufwand für Betriebe

Wie wichtig Helfer wie die ZFE sind, beschreibt Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk NRW, so: „Oft ist es für unsere Betriebe ein erheblicher Bürokratieaufwand, im Kontakt mit unterschiedlichen Behörden zu klären, ob und wie verlässlich sich Auszubildende oder Beschäftigte in Deutschland aufhalten und arbeiten dürfen. Es wäre wichtig, dass wir hier insgesamt zu Vereinfachungen kommen – bei den Regeln selbst, aber auch im Zusammenspiel der beteiligten Behörden.“

Ein Knackpunkt ist die fehlende Digitalisierung des Antragsverfahrens. „Die fertige Vorabzustimmung muss zum Beispiel im Original in Papierform ins Ausland. Wir übermitteln sie zwar elektronisch in die Botschaft, aber die ausländische Fachkraft muss mit den Originalunterlagen an den Schalter gehen und das Visum beantragen. Wenn man das digitalisieren würde, würde man vier Wochen Postweg abkürzen“, so Rosenthal. Noch ein Knackpunkt: Nicht alle Ämter, auch nicht alle kommunalen Ausländerbehörden im Land, kennen die ZFE. Ihre Sichtbarkeit könnte noch besser sein.

Sprache als Standortnachteil

Während Deutschland in Europa den Ruf eines Top-Arbeitsortes genießt, spielt es weltweit noch nicht in der Champions League. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) habe mal die Sprache und das Wetter als Haupt-Hindernisse bei der Zuwanderung nach Deutschland beschrieben, sagt Rosenthal. Das ist nicht nur ein lockerer Spruch. Die Bundesrepublik stehe im Wettbewerb zum Beispiel mit den USA, Kanada und Australien, also englischsprachigen Ländern, erklärt Axel Plünnecke, Professor am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Deutschland habe sich erst vor zehn Jahren richtig in den Wettbewerb gestürzt, so der Experte für Fachkräfte-Zuwanderung. „Wir haben den Nachteil eines späten Startes. Aber wir holen auf.“