Der Rüstungskonzern Rheinmetall macht aktuell großen Umsatz. Das Unternehmen sagt mit Blick auf Krieg und Krisen: „Wir werden gebraucht.“
Rüstungsindustrie boomtRheinmetall will zu „europäischem Champion“ werden

Rheinmetall erwartet ein Jahrzehnt, das von Militärausgaben geprägt sein wird.
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Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Europa tief erschüttert – sicherheitspolitisch, wirtschaftlich und moralisch. Für den Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall jedoch bedeutet er einen tiefgreifenden Wandel mit wachstumsorientierten Konsequenzen. „Der militärische Anteil am Gesamtumsatz von Rheinmetall ist auf inzwischen rund 80 Prozent gestiegen“, sagt Unternehmenssprecher Oliver Hoffmann.
Allein im abgelaufenen Geschäftsjahr 2024 habe der Rheinmetall-Konzern im militärischen Bereich ein Umsatzwachstum von über 50 Prozent erzielt. Das sei nicht nur eine Reaktion auf den Krieg, sondern Ausdruck einer strategischen Neuausrichtung.
Habeck: BVB-Sponsorship von Rheinmetall spiegelt „Zeitenwende“
Schon vor dem 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Großangriffs auf die Ukraine, habe Rheinmetall begonnen, seine Produktionskapazitäten massiv auszubauen. Besonders im Bereich der 155mm-Artilleriemunition – ein Schlüsselelement moderner Gefechte – will der Konzern bis 2027 von einst 70.000 auf jährlich 1,1 Millionen Granaten aufstocken. „Wir rechnen mit einer weiteren Expansion“, so Hoffmann.
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Die geopolitischen Verschiebungen treiben nicht nur die Produktion, sondern auch den politischen Rückhalt für das Unternehmen voran. In Deutschland werden derzeit zwei neue Werke errichtet – eines für Artilleriemunition und Raketenmotoren im niedersächsischen Unterlüß, ein weiteres für Komponenten des US-Kampfjets F-35 in Weeze. Die Genehmigungen dafür seien laut Hoffmann „sehr zügig erfolgt – innerhalb weniger Wochen“. Ein Indiz für den Wandel der politischen Mentalität: „Die Zeitenwende ist in weiten Teilen der öffentlichen Verwaltung angekommen.“
Wie sehr Rüstung als Thema zur Normalität geworden ist, zeigt sich auch daran, dass Rheinmetall mit Borussia Dortmund kooperiert. „Dass Rheinmetall jetzt einen Fußballverein sponsert, ist in der Tat erst einmal ungewöhnlich, aber es zeigt, wo wir stehen“, erklärte anlässlich des ungewöhnlichen Millionen-Deals der damalige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Deswegen sei die „eingeübte und verständliche Zurückhaltung“ im öffentlichen Umgang mit der Rüstungsbranche nicht mehr angemessen. „Insofern spiegelt dieses Sponsorship sicherlich auch ein Stück weit die Realität der Zeitenwende wider“, so Habeck.
Rheinmetall sieht sich in Bezug auf den Ukraine-Krieg nicht nur als Nutznießer, sondern als „wichtiger rüstungsindustrieller Partner der Ukraine“. Das Joint Venture mit der ukrainischen Staatsindustrie, Rheinmetall Ukrainian Defense Industry LLC, ist seit Herbst 2023 operativ tätig. Die Ukraine bitte regelmäßig um Unterstützung – nicht nur bei der Lieferung von Munition und Fahrzeugen, sondern auch bei Flugabwehr und Schutzausstattung.
Rheinmetall wandelt zwei Werke in Militär-Standorte um
Dass Rheinmetall Drohnen nicht für den Schlüssel zum Kriegsverlauf hält, mag auf den ersten Blick überraschen. Schließlich konnte die Ukraine damit bereits erfolgreich russische Angriffe abwehren. „Ein echter „Gamechanger„ ist aus unserer Sicht die Konnektivität“, erklärt Hoffmann. Gemeint ist die digitale Vernetzung von Truppen, Fahrzeugen und Drohnen im Gefecht. Der technologische Fokus liegt somit auf der intelligenten Koordination, nicht allein auf neuen Waffengattungen.
Dass Artillerie weiterhin eine zentrale Rolle spielt, belegen Zahlen: Rund 80 Prozent der Verluste ukrainischer Truppen entstehen durch Artilleriebeschuss. In diesem Kontext wird Rheinmetalls Kernprodukt – großkalibrige Munition – zum kriegsentscheidenden Faktor.
Der Rüstungsboom steht in krassem Kontrast zu Deutschlands stagnierenden Industrien, wie etwa der Automobilbranche. Da stellt sich die Frage: Kann die Rüstungsbranche vielleicht zum wirtschaftlichen Rettungsanker werden?

Viele BVB-Fans sind gegen das Rheinmetall-Sponsoring. Hier protestiert ein Fan am Stadion mit einer Maske des Firmenchefs Armin Papperger.
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Tatsächlich rechne Rheinmetall in den kommenden 15 Jahren mit weiteren Investitionen, die die Branche vor allem in Deutschland zum bedeutenden Jobmotor machen könnte. Schließlich wandelt das Unternehmen bereits zwei Werke aus dem zivilen in den militärischen Bereich um.
Damit passiert also genau das, was Top-Ökonomen wie der Chef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Moritz Schularick bereits in der Vergangenheit gefordert haben: „Die Militär- und Technologieunternehmen müssen attraktive Jobangebote machen, damit Angestellte aus anderen Bereichen dorthin wechseln. Idealerweise investieren die Unternehmen in die Ausbildung neuer Mitarbeiter“, sagte Schularick in einem Interview mit unserer Redaktion. Ähnlicht hat sich auch Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), geäußert: Demnach sei die Rüstungsindustrie zwar kein Rettungsanker, aber Teil des Strukturwandels. So könnten Automobilzulieferer gut in Rüstungstechnologie integriert werden.
Rüstungssprecher: „Können jeden verstehen, den der Krieg erschüttert“
„Die Investitionen in Sicherheit und Verteidigung in Deutschland sind sicher dazu geeignet, die gegenwärtige Krise der Automobilindustrie abzufedern – sie können sie aber nicht kompensieren“, warnt Hoffmann jedoch.
Rheinmetall investiert in den nächsten Jahren Milliarden. Bis zu zehn Werke werden aktuell verdoppelt oder neu gebaut. Die Auftragsbücher seien auf Jahre gefüllt – daran würde sich auch dann nichts ändern, wenn der Krieg in der Ukraine plötzlich enden würde.
„Wir werden gebraucht“, erklärt Hoffmann. Die Produkte dienten dem Schutz demokratischer Staaten, insbesondere Deutschlands und seiner Partner. „Wir können jeden verstehen, der sich für den Frieden einsetzt und den der Krieg erschüttert“, sagt Hoffmann hinsichtlich kritischer Stimmen zur Rüstungsbranche. Dennoch sieht sich das Unternehmen in einer sicherheitspolitischen Schlüsselrolle: „Sicherheitsvorsorge ist heute wichtiger denn je.“
Rheinmetall umgeht Trumps US-Zölle
Beim Export verweist Rheinmetall auf seine Prinzipien. Demnach würden Waffen ausschließlich in westlichen Demokratien produziert und nur im Rahmen gesetzlicher Regelungen exportiert.
Während die Globalisierung durch politische Spannungen zunehmend unter Druck gerät, versucht Rheinmetall, sich resilient aufzustellen – insbesondere gegenüber möglichen Handelsbarrieren aus den USA. Unter dem Label „American Rheinmetall“ produziert das Unternehmen direkt vor Ort, als vollwertiger US-Anbieter. Während also Wirtschaftsexperten wie Hüther in Trump das größte Problem für die deutsche Wirtschaft ausmacht, hat Rheinmetall vorgesorgt und bespielt den amerikanischen Markt. Gleichzeitig verstärke man die europäische Zusammenarbeit, etwa in Form des Joint Ventures mit dem italienischen Rüstungsunternehmen Leonardo.
Ende des Rüstungs-Booms nicht in Sicht
Strategische Zukäufe sollen zentraler Bestandteil der Unternehmensstrategie bleiben. In den letzten zwei Jahrzehnten hat Rheinmetall über 30 Firmen übernommen – zuletzt einen Nitrozellulosehersteller Hagedorn-NC im Osnabrücker Raum und ein Kampfmittelräumungsunternehmen in Deutschland. Das Ziel: Sich künftig „auf Augenhöhe“ mit amerikanischen Rüstungsgiganten zu bewegen und zu einem „europäischen Champion“ mit einem Jahresumsatz von bis zu 40 Milliarden Euro zu werden.
Rheinmetall erwartet ein sicherheitspolitisches Jahrzehnt, geprägt von steigenden Verteidigungsausgaben. Bis 2030 sollen allein die europäischen NATO-Staaten bis zu eine Billion Euro investieren – ein Großteil davon in Ausrüstung. Deutschland werde dabei, so Hoffmann, eine „entscheidende Rolle“ spielen.
Ein Ende dieses Booms ist also nicht in Sicht. Solange Bedrohungen bestehen, die USA klein verlässlicher Partner mehr sind, Staaten aufrüsten und Verteidigung neu denken, bleibt Rheinmetall ein Akteur, der an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Militär nicht nur mitmischt, sondern entscheidend mitprägt.