Wachsende Sorge in BrüsselDroht jetzt ein Handelskrieg mit den USA?

Lesezeit 3 Minuten
Straßburg: Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission, sitzt während der Feierlichkeiten zum 70-jährigen Bestehen im Gebäude des Europäischen Parlaments.

Ursula von der Leyen (CDU), Präsidentin der Europäischen Kommission

In Brüssel wachsen derzeit die Sorgen vor der milliardenschweren US-Subventionspolitik. Forderungen werden laut, die USA zu verklagen. Doch Ursula von der Leyen versucht die Gemüter zu beruhigen.

Die Europäer haben in den vergangenen Wochen noch einmal alles versucht, um die US-Amerikaner zu einem Kompromiss zu bewegen. Aber in Washington zeigte man sich bis zuletzt unbeeindruckt von der Kritik und den Forderungen aus Brüssel im Streit um das milliardenschwere US-Subventionsprogramm für grüne Technologien.

Kein Durchbruch erwartet

Und auch wenn am Montag die Delegationen der beiden Partner zum dritten Treffen des Transatlantischen Handels- und Technologierats (TTC) zusammenkamen, erwartete in EU-Kreisen niemand mehr einen Durchbruch. Vielmehr präsentierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits am Sonntag Vorschläge, wie die Staatengemeinschaft auf die protektionistische Klimapolitik der Regierung unter Präsident Joe Biden reagieren sollte. So plädierte sie etwa dafür, das europäische Beihilferecht zu lockern, um mehr öffentliche Investitionen in die Energiewende zu ermöglichen.

Von der Leyen setzt auf Kooperation statt Konfrontation

Die EU werde auf die Subventionen der USA „in angemessener und wohl kalibrierter Weise reagieren“, sagte von der Leyen, und betonte gleichwohl, es sei weder im Interesse der Europäer noch in jenem der Amerikaner, „dass wir uns mitten in einem tatsächlichen Krieg auf einen kostspieligen Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten einlassen“. Es brauche laut von der Leyen zusätzliche europäische Finanzmittel zur Förderung sauberer Technologien und eine Zusammenarbeit mit den USA beispielsweise bei der Festlegung von Industriestandards und beim Einkauf kritischer Rohstoffe. Ihr Ansatz: Kooperation statt Konfrontation.

Die Deutsche will die Gemüter beruhigen, denn sowohl in ihrer Behörde als auch im EU-Parlament werden Forderungen laut, die USA vor der Welthandelsorganisation (WTO) zu verklagen, weil sie heimische Produkte gegenüber ausländischen bevorzugen. Auch der Europaabgeordnete Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses im EU-Parlament, plädierte gegenüber unserer Redaktion dafür, vor die WTO zu ziehen, wenn es keinen Deal zwischen den beiden Partnern gibt. Zwar ist sich der Politiker bewusst, dass es sich um ein langwieriges Prozedere handelt, das im Zweifel Jahre dauern könnte. Aber welche Mittel hat die EU sonst zur Hand? Es herrscht in Brüssel beinahe eine Art Hilflosigkeit angesichts Bidens Politik im Sinne von „America first“.

Im August hatte der Kongress den sogenannten „Inflation Reduction Act“ (IRA) verabschiedet, mit dem Washington ab Januar grüne Technologien „made in USA“ sowie Elektroautos, Batterien, energieintensive Industrien und Projekte zu erneuerbaren Energien mit rund 370 Milliarden Dollar subventionieren will.

Sorge vor Wettlauf um Subventionen

Während Frankreich bereits öffentlich mit einem Investitionsgesetz nach dem Vorbild der USA liebäugelte, mit dem die EU Subventionen an europäische Unternehmen ausschütten könnte, wenn sie ihre Produktionsstätten und Lieferketten in die Gemeinschaft verlagern, lehnen Mitgliedstaaten wie Deutschland einen solchen weitgehenden Schritt bislang ab. Lange hält das ebenfalls für keine gute Idee. „Ein Wettlauf um Subventionen macht keinen Sinn“, sagte er. Gegen die „Hausnummer“ von 370 Milliarden Dollar werde man in Europa kaum ankommen. „Sollen wir jetzt mit der Keule ausholen, wohl wissend, dass unsere Keule nicht genauso stark ist?“

Er warb stattdessen dafür, „ganz bewusst in die Technologieführerschaft zu investieren“, gerade im Bereich erneuerbare Energien. Man müsse dafür sorgen, „den Wettbewerbsvorteil zu behalten“. Auch der Grünen-Europaparlamentarier Reinhard Bütikofer befand, die EU „sollte jetzt nicht mit gleicher Münze zurückzahlen“. Gleichwohl nannte er die protektionistische Politik Bidens ein „schweres Foul“. „Faktisch untergraben die USA mit diesem Vorgehen die eigene strategische Absicht, möglichst gut mit Partnern und Verbündeten zusammen zu arbeiten.“ Die Sorge vor einer Verdrängung europäischer Firmen vom US-Markt ist groß.

Hinzu kommt die Befürchtung, dass Unternehmen ihre Investitionsentscheidungen künftig anders treffen werden und den USA den Vorzug vor dem Standort EU geben. Lange sprach von einer „fatalen Situation“. Das Anti-Inflationsgesetz drohe, „eine schwierige wirtschaftliche Lage in Europa noch deutlich zu verschlimmern“, sagte der Europaparlamentarier Markus Ferber (CSU). Bewege sich Washington nicht auf Brüssel zu, müsse die Kommission über die Aktivierung der Handelsschutzinstrumente nachdenken. „Die europäische Seite muss alle Folterinstrumente auf den Tisch legen.“

Rundschau abonnieren