Ein ehemaliger US-Diplomat rechnet nach dem Treffen in Alaska mit der Trump-Regierung und ihrer Russlandpolitik ab.
Bittere Analyse von Ex-DiplomatTrump verspielte alle Trümpfe, Putin gilt nicht mehr als Kriegsverbrecher

Donald Trump und Wladimir Putin trafen sich am 15. August in Anchorage, Alaska.
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Das Zusammentreffen von US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war mit größter Spannung erwartet worden – und verpuffte relativ ergebnislos. Für die Ukraine gab es am 15. August in Alaska keinerlei größere Hoffnung auf Frieden als zuvor. Viele sahen es bereits als Erfolg an, dass der kühl kalkulierende Kreml-Chef dem erratischen Trump keine größeren Versprechungen abnehmen konnte und nicht die ganz große Katastrophe für die Ukraine und die westliche Welt eintrat.
Eine Nachlese des Gipfels von Anchorage gibt es nun auch von Seiten des früheren US-Diplomaten in Deutschland, James D. Bindenagel. Der 76-Jährige leitete in den 90er Jahren die Bonner Botschaft als Geschäftsträger a.i. (chargé d’affaires). Bindenagel ist Politikwissenschaftler und Experte für internationale Beziehungen. Er äußert sich in einem Gastbeitrag für den „Tagesspiegel“ desillusioniert über die Friedensaussichten für die Ukraine. Obwohl Trump später bei einem Treffen mit den Europäern ankündigte, es sollte Gespräche zwischen Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geben, seien die Erfolgsaussichten gering.
Friedensgespräche für Ukraine dauern bis zu zehn Jahre
Bindenagel konstatiert, natürlich könnten Russland und die Ukraine verhandeln. Ein Friedensplan in absehbarer Zeit sei aber sehr unwahrscheinlich. Putin werden vermutlich keine Zugeständnisse machen, auch nicht für Trump, der innenpolitisch nach seinen vollmundigen Ankündigungen unter Druck steht. „Dass sich Donald Trump schnelle Erfolge wünscht, wird Moskau wenig interessieren, solange die Chance auf weitere Gebietsgewinne bei hinnehmbaren Verlusten besteht“, lautet Bindenagels Analyse. Putin werde in Richtung Trump weiter von seiner Verzögerungstaktik Gebrauch machen.
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Vor allem seien Friedensgespräche ohne einen Waffenstillstand „völlig unrealistisch“, so Bindenagel. Trump hatte unmittelbar nach dem Treffen mit Putin allerdings seine vorherige Forderung nach einem solchen sofortigen Waffenstillstand aufgegeben und nur noch schwammig von einem „Friedensabkommen“ gesprochen. Er war Putin also auch in dieser Hinsicht entgegengekommen. Der frühere Diplomat spricht von einer Zeitspanne von fünf bis zehn Jahren, die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine angesichts der komplizierten Lage sicher dauern würden.
Putin wurde in Alaska von Trump der rote Teppich ausgerollt
Dem Alaska-Treffen und Trumps Verhalten kann Bindenagel nichts Positives abgewinnen. Eigentlich sei Putins Ausgangslage angesichts des geringen Erfolges der russischen Invasion und der schlechten Wirtschaftslage im Land nicht gut gewesen. Der US-Präsident hätte jedoch alle seine Trümpfe bereits vor dem Treffen mit Putin ausgespielt. Die Drohung mit schweren Sanktionen war vom Tisch, sodass der Kreml-Chef letztlich als Sieger aus Alaska zurück nach Moskau flog.
Putin wurde „mit rotem Teppich in Anchorage empfangen und konnte so noch ganz nebenbei seinen Status als gesuchter Kriegsverbrecher beenden“, konstatiert Bindenagel. Gegen Putin liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor, weil er für die Deportation ukrainischer Kinder verantwortlich sein soll.
Die Vereinigten Staaten hätten sich unter Trump auf die Seite Russlands gestellt und Putins wichtigster territorialer Forderung nichts entgegengesetzt, so Bindenagel bitter. Putin verlange die Übergabe der ukrainischen Stadt Donezk, die auf dem Schlachtfeld nicht zu gewinnen sei.
Vance: Russland hat „erhebliche Zugeständnisse“ gemacht
Die These Bindenagels, dass sich die US-Regierung im Prinzip auf die Seite Russlands stelle, dürfte durch jüngste Äußerungen von Trumps Vize J.D. Vance untermauert werden. Vance behauptete, Russland habe „erhebliche Zugeständnisse“ für Verhandlungen über ein Kriegsende gemacht. „Sie waren tatsächlich bereit, bei einigen ihrer Kernforderungen flexibel zu sein. Sie haben darüber gesprochen, was notwendig wäre, um den Krieg zu beenden“, sagte Vance in einem Interview des Senders NBC.
Russland habe zugestimmt, „dass die Ukraine nach dem Krieg ihre territoriale Integrität behalten wird. Sie haben erkannt, dass sie in Kiew kein Marionettenregime installieren können“. Vance sagte nun, er denke, die Russen hätten Trump „zum ersten Mal in dreieinhalb Jahren dieses Konflikts erhebliche Zugeständnisse gemacht“.
Die überwiegende Mehrzahl der Beobachter in Europa und auch den USA dürfte dies allerdings anders sehen.