InterviewWie Neunkirchen-Seelscheids Bürgermeisterin Schwangerschaft und Amt vereint

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Bürgermeisterin Nicole Berka in ihrem Büro in Neunkirchen-Seelscheid.

Neunkirchen-Seelscheid – Nicole Berka ist eine von gerade einmal 53 Frauen in NRW, die an der Spitze einer Kommune stehen. Im Dezember erwartet die 42-jährige Bürgermeisterin von Neunkirchen-Seelscheid ihr erstes Baby, Ende Oktober geht sie in Mutterschutz. Im Interview verrät sie, wie sie mit der Schwangerschaft im Amt umgeht und warum schwangere Politikerinnen keine Sensation, sondern eine Selbstverständlichkeit sein sollten.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für berufstätige Paare meist eine Herausforderung. Aber wie sieht das eigentlich aus, wenn Politikerinnen Mutter werden? Welche Regelungen gelten hier?

Nicole Berka: Wir sind keine Arbeitnehmerinnen mit einem Arbeitsvertrag, sondern gewählte Volksvertreterinnen. Es ist nicht grundsätzlich „verboten“, sich eine Auszeit zu nehmen nach einer Geburt – es macht nur niemand, weil das Verständnis vorherrscht, dass das mit der Amtsausübung nicht vereinbar ist.

Bürgermeisterinnen sind eine Seltenheit, schwangere Bürgermeisterinnen eine Rarität. Wie reagieren die Menschen in Ihrem Umfeld auf Ihre Schwangerschaft?

Meine Schwangerschaft ist bisher sehr freudig aufgenommen worden und alle, die ich in den letzten Monaten getroffen habe, haben mir gratuliert. Was mich und meinen Mann sehr freut. Die Menschen hier in Neunkirchen-Seelscheid sind sehr interessiert und nehmen Anteil an meiner Schwangerschaft.

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Die Bürgermeisterin in Aktion: Nicole Berka beim Richtfest des Selbstlernzentrums der Gesamtschule.

Wie organisieren Sie sich als Bürgermeisterin für die Zeit des Mutterschutzes? Und wie als Mutter im neuen Jahr, wenn dieser endet?

Ich habe das Glück, sowohl hauptamtliche als auch ehrenamtliche Vertretungen zu haben. Unser Beigeordneter Klaus Märzhäuser führt während meines Mutterschutzes die hauptamtlichen Geschäfte, meine ehrenamtlichen Stellvertreter Hans-Jürgen Parpart und Manfred Krüger vertreten mich auf repräsentativen Terminen. Unser Team im Rathaus ist ebenfalls informiert und alle im Haus entsprechend vorbereitet. Ich bin ja nicht weg. Sollte Außergewöhnliches passieren, werde ich informiert und bleibe auch darüber hinaus auf dem Laufenden.

Interessant finde ich übrigens, dass solche Fragen immer nur Politikerinnen gestellt werden. Es wäre doch auch mal interessant zu hören, wie das Politiker mit ihrem Nachwuchs machen. Wichtig ist: Unserem Kind wird es an nichts fehlen und gut gehen. Und wir haben innerhalb der Familie Lösungen, um die Betreuung zu regeln. Die Pandemie hat zudem gezeigt, dass wir gute digitale Lösungen entwickelt haben, um die Dienstgeschäfte auch ohne ständige persönliche Anwesenheit aufrecht zu erhalten.

Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern, damit mehr Frauen in führende Positionen in der Politik drängen?

In traditionell männlich dominierten Berufen sind die Strukturen, die Abläufe und auch die Kommunikation männlich geprägt. Frauen müssen in der Regel mehr Energie und Ausdauer beweisen. Das fängt schon in der ehrenamtlichen Politik an: Kreistagssitzungen um 16 Uhr, Ratssitzungen um 18 Uhr: Das sind jene Zeiten, in denen Kitas geschlossen haben und mindestens ein Elternteil da sein muss, um den Nachwuchs zu betreuen.

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Alleinerziehende haben da fast gar keine Chance, junge Eltern nur dann, wenn sie die Betreuung durch Freunde und Familie sicherstellen können. Meldungen über Kita-Schließungen und fehlende Kita-Plätze tragen nicht dazu bei, dass Frauen mit Kindern oder Kinderwunsch ihre beruflichen Vorstellungen verwirklichen können.

Hat ihre eigene Situation Einfluss darauf, wie im Rathaus mit Schwangerschaft und Kindern bei Beschäftigten umgegangen wird? Was muss sich hier speziell in Neunkirchen-Seelscheid noch ändern?

Die gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist gerade eine große Stärke unserer Gemeindeverwaltung und überhaupt des Öffentlichen Diensts. Das zeigt sich auch daran, dass hier überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten. Wir können in der Verwaltung vielleicht nicht mit Gehältern wie in der Industrie mithalten, bieten dafür aber mehr Flexibilität und Sicherheit, was für Familien interessant ist.

Wie werden Sie sich nach dem Mutterschutz organisieren – wird man sie mit Kind in Ratssitzungen erleben? Geht ihr Mann ebenfalls in Elternzeit?

Mein Mann und ich kümmern uns gleichermaßen um unser Familienleben. Wie das im Detail ausschaut, das ist dann Teil unseres Privatlebens. Es obliegt aus meiner Sicht den Eltern, sich ganz individuell darauf zu verständigen, wie sie ihr Familienleben organisieren möchten. Wenn es sich ergibt, wird unsere Tochter sicher auch mal Mama oder Papa auf die Arbeit begleiten.

In unserer Gesellschaft ist der Fokus viel zu stark auf die Frau gerichtet, wenn es um das Thema Familie und Kinderbetreuung geht. Da lastet ein gewisser Druck auf vielen Frauen, diesem Bild auch gerecht zu werden. Ich würde mir von Frauen öfter den Mut zu Führungspositionen wünschen. Leider trauen es sich viele nicht zu, selbst wenn sie besser ausgebildet sind als ihre männlichen Kollegen.

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