Die proeuropäische Regierungspartei behält die Mehrheit in Moldau und Präsidentin Sandu will ihren EU-Kurs fortsetzen. Doch der Zeitplan gilt als ambitioniert. Vorwürfe von Einmischung und Manipulation überschatteten die Wahl.
Rundschau-DebatteKann die EU nach der Wahl in Moldau aufatmen?

Weiter auf Kurs Richtung Europa: Die proeuropäische Partei von Moldaus Präsidentin Maia Sandu hat bei der Parlamentswahl den Sieg für sich verbuchen können.
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Bei der richtungsweisenden Parlamentswahl in der Republik Moldau hat die proeuropäische Regierungspartei PAS um Präsidentin Maia Sandu ihre Mehrheit im Parlament behalten. Sie errang nach Auszählung aller Stimmen 50,2 Prozent, wie die zentrale Wahlkommission in Chisinau am Montag mitteilte. Der russlandfreundliche Patriotische Block des früheren Staatschefs Igor Dodon kam demnach auf 24,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung wurde mit 52,2 Prozent angegeben und lag damit etwas höher als bei der vergangenen Wahl im Jahr 2021 (48 Prozent).
Warum halt die Wahl als richtungsweisend?
Die Parlamentswahl in dem verarmten Agrarstaat zwischen EU-Mitglied Rumänien und der Ukraine galt als richtungsweisend. Moldau mit seinen 2,4 Millionen Einwohnern ist seit 2022 EU-Beitrittskandidat. Bei einem Referendum stimmte im vergangenen Jahr eine knappe Mehrheit für einen EU-Beitritt. Sandu will mit einer Mehrheit proeuropäischer Kräfte Reformen dafür fortsetzen. Im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren musste die PAS aber Einbußen hinnehmen.
Wie haben die prorussischen Kräfte abgeschnitten?
Neben PAS und dem Patriotischen Block schafften die russlandfreundlichen Kräfte des Wahlbündnisses Alternativa (7,9 Prozent) und der Partei Nostru (6,2 Prozent) den Einzug in das 101 Sitze zählende Parlament. Zum Wahlblock Alternativa gehören der Bürgermeister der Landeshauptstadt Chisinau, Ion Ceban, und Alexandr Stoianoglo – Sandus Gegenkandidat bei der Stichwahl um das Präsidentenamt 2024. Unerwartet schaffte auch die einst für eine Vereinigung mit Rumänien gegründete Partei PPDA den Sprung über die 5-Prozent-Hürde (5,6 Prozent).
Lange bevor alle Stimmen ausgezählt waren, hatte Dodon vom Patriotischen Block bereits Protest angekündigt. PAS habe die Wahl verloren, die Opposition habe gewonnen, behauptete er noch vor Mitternacht vor dem Gebäude der zentralen Wahlkommission.
Was ist dran an den Vorwürfen zur Wahlmanipulation?
Sandu hatte Russland vor der Wahl massive Einflussnahme im Wahlkampf vorgeworfen. Moldauische Behörden sprachen von russischem Stimmenkauf, Desinformation in sozialen Netzwerken und Cyberattacken. Moskau wiederum warf der Führung in der Hauptstadt Chisinau Manipulation vor – so seien russlandfreundliche Parteien und Kräfte ausgeschlossen worden von der Wahl. Am Wahltag gab es Beschwerden, dass Bürger aus der abtrünnigen Region Transnistrien wegen einer im Zuge einer angeblichen Bombendrohung gesperrten Brücke nicht nach Moldau zur Abstimmung gelangen konnten. Traditionell haben auch die Menschen in Transnistrien mit moldauischem Pass nicht geringen Einfluss auf den Wahlausgang.
Wie denken die Bürger über den Kurs des Landes?
In der Republik Moldau streiten proeuropäische und prorussische Kräfte seit Jahrzehnten um den Kurs. Auch in der Hauptstadt Chisinau sagten am Wahltag viele Menschen, dass es nur diese beiden Richtungen für das Land gebe. Zur Wahl aufgerufen waren auch Hunderttausende Moldauer, die im Ausland leben – viele davon in der EU. Sie haben traditionell einen großen Einfluss darauf, wer in ihrer Heimat regiert. Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt im vergangenen Jahr setzte sich Sandu mit ihren Stimmen gegen Stoianoglo durch.
Vor allem junge Leute fürchteten bei der Parlamentswahl um ihre Zukunft. „Wir müssen über unsere Zukunft entscheiden, nicht unsere Großeltern und Menschen, die der Sowjetunion hinterhertrauern“, sagte die 31-jährige Mihaela Pirgari am Wahltag. Beim Gedanken daran, dass Moldau den EU-Beitritt möglicherweise nicht weiter verfolgen könnte, kamen ihr die Tränen. Zwei Rentnerinnen berichteten von ihrer kleinen Pension und beklagten, dass die PAS-Regierung nicht genug für sie getan habe. Sie seien nicht gegen die EU, aber sie wollten auch gute Beziehungen zu Russland. An einen EU-Beitritt ihres Landes glaubten sie nicht.
Wie stehen die Chancen für einen EU-Beitritt Moldaus?
Spitzenvertreter der EU haben sich erleichtert über das Ergebnis der Parlamentswahl im Beitrittskandidatenland Moldau geäußert. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb in Anspielung auf russische Beeinflussungsversuche, kein Versuch, Angst und Spaltung zu säen, habe den Willen des Staates brechen können. Er habe mit der Wahl erneut deutlich gemacht, dass er für Europa, Demokratie und Freiheit sei. Die Tür der Europäischen Union stehe offen und man werde Moldau auf jedem Schritt des Weges dorthin unterstützen. EU-Ratspräsident António Costa äußerte sich ähnlich.
Wie die Ukraine ist Moldau seit 2022 EU-Beitrittskandidat, im Juni 2024 wurden die Aufnahmegespräche gestartet. Das Land strebt einen EU-Beitritt bis 2030 an. Dies gilt aber als ambitioniert – auch, weil Mitgliedstaaten wie Deutschland auch EU-interne Reformen als Voraussetzung sehen. (dpa)