Thomas Liebel, Präsident der DBZ, erklärt im Interview mit Sören Becker, wie die Bürokratie die Verfolgung von Clankriminalität und Drogenschmuggel ausbremst.
Zoll-Gewerkschafter über Arbeit am Limit„Der Zoll ertrinkt in Temu-Päckchen“

Zollfahnder in Konsumeinheiten verpacktes Kokain sicher (undatierte Aufnahme).
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Herr Liebel, mit Trump, dem Brexit und den Gegenmaßnahmen der EU sind Zölle seit einiger Zeit immer wieder im Gespräch. Bedeutet das auch mehr Arbeit für Zöllner?
Ja, und zwar schon seit einigen Jahren. Nachdem Zölle lange eher abgebaut wurden, hat sich das spätestens mit dem Brexit gedreht. Den gesamten Außenhandel mit Großbritannien müssen wir seitdem zollrechtlich überwachen. Allein dafür hätten wir 1200 Arbeitskräfte mehr gebraucht. Hinzu kam dann die Aufforderung aus der Politik, Schwarzarbeit und Wirtschaftskriminalität, die wir ebenfalls überwachen, konsequenter zu bekämpfen. Auch Finanzminister Lars Klingbeil hat dazu eben ein neues Gesetz ins Parlament gebracht, das mehr Aufgaben für uns Zöllner bedeutet. Wir haben in den deutschen Seehäfen ein riesiges Problem mit Kokainschmuggel. Auch durch die Teillegalisierung von Marihuana ist unser Leben nicht einfacher geworden. Hinzu kommt wachsender Schmuggel von illegalen Tabakprodukten, wie Vapes und Shisha-Tabak. Und seit Anfang des Jahres haben wir das Hin und Her mit den exorbitanten Zöllen, die Trump immer wieder androht.
Wie würde sich eine harte Zollpolitik der USA auf Ihre Arbeit auswirken?
Wir rechnen in diesem Zusammenhang mit sogenannten Umgehungslieferungen. Sprich: Statt die Ware direkt in die USA zu liefern, wird sie über ein anderes Land mit niedrigeren Zöllen umgeleitet. Im Fall der USA würde der Warenverkehr wahrscheinlich über diverse nordafrikanische Staaten umgeleitet. Das erfordert dann mehr Warenkontrollen. Gleichzeitig ist aber auch die Kriminalitätsbekämpfung schwieriger geworden. Auch die organisierte Kriminalität verlagert sich immer weiter ins Digitale. Mit unserer veralteten IT haben wir da Probleme hinterherzukommen.
In Zukunft will die EU einen pauschalen Zoll für Päckchen unter einem bestimmten Wert erheben, um Temu oder Shein unprofitabler zu machen, weil diese ihre Lieferungen direkt aus China verschicken.
Das Problem mit dieser „E-Commerce-Steuer“ ist die schiere Masse an Päckchen, die per Luftfracht an den Flughäfen ankommt. In jedem dieser Milliarden Päckchen sind dann Waren im Wert von wenigen Euro drin. Selbst wenn wir die ganz normale Einfuhrumsatzsteuer mit einberechnen, sind wir da bei ein paar Cent Einnahmen pro Paket. Zudem ist der Prozess nicht komplett digitalisiert. Sprich: Der Zöllner muss die Anmeldungen manuell prüfen und immer wieder mit physischen Formularen arbeiten. Außerdem ist ein Großteil der Ware in diesen Lieferungen einfach Ramsch und hat nicht mal ein CE-Siegel oder enthält Stoffe, die in der EU gar nicht zugelassen sind. Wenn gefälschte Markenartikel enthalten sind, müssen wir das Ganze an die Marktüberwachungsbehörde, meist das kommunale Ordnungsamt, weitergeben. Die sind personell meist ziemlich ausgelastet, aber müssen die vielen Lieferungen dann zerstören oder zurückschicken. Das ist eine Menge Arbeit. Die würde man natürlich auch trotzdem hinkriegen. Aber wer mit Shein-Leggings beschäftigt ist, kann in dieser Zeit keine Schiffcontainer auf Kokain untersuchen.
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Wie könnte man diese Belastung für Sie reduzieren?
Es wäre schon viel geholfen, wenn wir die Ware selbst zurückschicken dürften und nicht den Umweg über das Ordnungsamt gehen müssten. Die ausbleibenden Bestellungen hätten sicherlich auch einen erzieherischen Effekt für die Kunden, die so einen Ramsch nicht mehr bestellen.
Grenzkontrollen sollen illegale Migration und Schmuggel bekämpfen. Das sollte Sie doch freuen?
Tatsächlich werden dort auch oft zweifelhafte Zigaretten und Drogen gefunden. Dabei handelt es sich aber normalerweise um winzige Mengen. Diese Fälle übergibt die Bundespolizei dann zuständigkeitshalber an uns und verursacht damit ziemlich viel Verwaltungsarbeit. Man muss also wegen einer Stange Zigaretten stundenlang Formulare ausfüllen und hat weniger Ressourcen, um die Drahtzieher dahinter dingfest zu machen.
Der Zoll leistet der überlasteten Bundespolizei auch Amtshilfe bei diesen Kontrollen. Wie klappt das?
Wir Zöllner sind dafür überhaupt nicht ausgebildet und können im Grunde nur die Personalien feststellen. Den Papierkram, also die Hauptarbeit, muss weiterhin die Bundespolizei erledigen. Man nimmt also die Personalien auf und sofern ein Anfangsverdacht besteht, gibt man den Fall an die Bundespolizei ab. Dabei verursachen wir eine ähnliche Menge Verwaltungsarbeit, wie umgekehrt. Dass die Bundespolizei die Grenzkontrollen nicht alleine hinkriegt, war übrigens auch schon vorher abzusehen und wir von der Zollgewerkschaft haben eindringlich davor gewarnt. Die Anordnung kam trotzdem und zwei Tage später wurde der Zoll um Amtshilfe gebeten. Wir sind also keine Fans der dauerhaften Unterstützung dieser Kontrollen und sind froh, dass das Finanzministerium keine weiteren Zöllner dafür zur Verfügung stellen will.
Auch bei Marihuana war ursprünglich mal eine für den Staat lukrative Steuer angedacht. Was ist daraus geworden?
Zu unserem Bedauern wurde dieser Plan fallengelassen. Der ganze Markt ist also komplett unserer Kontrolle entzogen, weil keine Abgaben fällig werden. Wir können also gar nicht nachvollziehen, ob der Cannabis-Club seine Ware selbst anbaut oder per LKW aus Amsterdam bekommt. Es gibt also Lücken für organisierte Kriminalität, die etwa von der sogenannten Mokro-Mafia intensiv ausgenutzt werden. Mit einer Cannabissteuer könnten wir das ändern. Wir waren gegen eine Legalisierung von Marihuana, aber wenn sie schon kommt, dann bitte mit einer Steuer. Und zwar mit möglichst wenig Ausnahmen.
Sie scheinen ein Problem mit Steuerausnahmen zu haben.
Das ist unser Grundprinzip. Wie hoch die Steuer ist, macht bei der Kontrolle keinen Unterschied. Es macht aber sehr wohl einen Unterschied, wie viele komplizierte Ausnahmetatbestände ich prüfen muss und wie viele Paragrafen ich parat haben muss. Zumal diese Steuerschlupflöcher wenig praktischen Sinn haben. Sie sind eigentlich nur ein Beleg für erfolgreiche Lobbyarbeit.