Unsere Leserinnen und Leser halten den Beschluss des EU-Parlaments, Bezeichnungen wie Wurst oder Schnitzel nur Fleischprodukten vorzubehalten, für Unsinn – und haben einige sarkastisch geprägte Ideen.
Leserbriefe zur EU-Wurst-RegelWas, wenn jemand denkt, Hafermilch kommt von der Haferkuh?

Fleisch? Soja? Die Debatte um Schnitzel und Wurst ärgert viele Leserinnen und Leser
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Ganz ehrlich, ich schlafe nachts kaum noch. Nicht wegen des Klimawandels, der Energiekrise oder vieler Kriege – nein, ich liege wach und frage mich: Was, wenn jemand denkt, Hafermilch kommt von der Haferkuh.
Aber zum Glück gibt es ja die Milch- und Fleischlobby, die mutig und selbstlos über unser aller geistige Gesundheit wacht. Dank ihrer unermüdlichen Aufklärungsarbeit in Brüssel wissen wir jetzt: Vegane Wurst ist gar keine Wurst. Schockierend. Wie konnte man das nur verwechseln? Ich meine, wer stand noch nie verwirrt im Supermarkt und hat versehentlich eine Sojawurst gegrillt, obwohl er eigentlich nach einem halben Schwein gesucht hatte?
Und bei Milch? Noch schlimmer. Ein Hersteller durfte sein Produkt nicht mehr „Hafermilch“ nennen, weil das Produkt/die Milch nicht aus einem Euter kam. Jetzt heißt die Flüssigkeit eben „NoMilk“. Ich hoffe zudem inständig, dass niemand aus Versehen seine Cornflakes mit Putzmittel übergießt – denn das steht ja ganz unkontrolliert als „Scheuermilch“ im Regal. Lebensgefährlich! Ich bin auch gespannt, wann die EU-Parlamentarier Frucht- sowie Tomatenfleisch und endlich das gefährliche Milchglas verbieten – alles viel zu irreführend. Wer weiß schon, ob so ein Milchglas vorher jemals eine Kuh sah?
Aber ganz klar, wichtig ist: Wir werden geschützt - vor falschen Begriffen und vor dem Gedanken, dass Verbraucher vielleicht – ganz gefährlich – selber denken könnten.
Achim Bothmann, Hannover
Das Argument der Irreführung von Verbrauchern zieht nicht, meint unser Leser.
Das EU-Parlament will Bezeichnungen wie Veggie-Burger oder Sellerieschnitzel verbieten. Da ist der bösen Grünen Verbotspartei ja wieder ein großer Coup gelingen. Wie bitte? Das waren gar nicht die Grünen, sondern die Konservativen. Da schau her. Ich dachte, die Konservativen wären für Eigenverantwortung und gegen staatliche Verbote?
Ganz ironiefrei bietet sich das Thema für konservative bis rechte Identitätspolitik und Kulturkampf förmlich an: Man löst keine Probleme, weckt aber Emotionen und provoziert Abwehrreflexe gegen gesellschaftlichen Wandel.
Das Argument, die Menschen würden durch Bezeichnungen wie Veggie-Burger in die Irre geführt, ist offensichtlich ein Scheinargument. Soll beispielsweise auch die Bezeichnung „Leberkäse“ verboten werden, weil in diesem Produkt weder Leber noch Käse enthalten ist? Müssen Biertrinker davor geschützt werden, nüchtern zu bleiben, weil sie versehentlich alkoholfreies Bier gekauft haben? Andere „irreführende“ Bezeichnungen gibt es zuhauf: Scheuermilch, Fleischtomate, Katzenzungen, Hot Dog, Hackschnitzel usw. Ich halte die Menschen nicht für dumm; sie können lesen und Fleischprodukte von Veggieprodukten unterscheiden. Die Befürworter des Verbots von Veggiebezeichnungen trauen den Menschen/den Fleischessern diese Fähigkeiten offenbar nicht zu. Noch ein historischer Verweis: der Urvater der „Verbrauchertäuscher“ (im Sinne des EU-Parlamentsbeschlusses) war der gewiss nicht links-grün-woke Konrad Adenauer. Der erfand 1916 die Kölner Wurst, auch Adenauer-Wurst genannt. Die Kölner Wurst war eine Sojawurst – ohne Fleisch. Vielleicht ist das (geplante) Bezeichnungsverbot aber auch nur eine Lobbyaktion der Fleischindustrie, um der vegetarischen oder veganen Konkurrenz einen Schlag zu versetzen. Ob das Verbot zudem ein geeigneter Beitrag zum Bürokratieabbau ist, mag jeder für sich selbst beantworten. Ich bin auf die Position der Bundesregierung gespannt.
Rolf Schoroth, Sankt Augustin
Die ironische Distanz der Österreicher nimmt sich dieser Leser zum Vorbild.
Was jetzt? Wollen mir die Europapolitiker etwa erzählen, im Palatschinken wäre kein Fleisch? Und ich hab mich schon die ganze Zeit gewundert, warum die Österreicher zur Nachspeise Wurst nehmen. Na dann ist es ja gut, dass sich nunmehr 632 von Steuergeldern hochbezahlte Europaparlamentarier und deren Equipe des Themas angenommen haben! Danke Europa!
Da ich gerade in Österreich im Gespräch mit waschechten Einheimischen bin, möchte ich das auch wie einige Österreicher kommentieren: „Wos sind des Trottel!“ Und das ist noch die freundlichste Aussage! Aber ganz am Ende ruht der Österreicher wieder ganz in sich: „Is mir wurscht!“ Der Palatschinken wartet schließlich!
Georg Hensch, Lindlar