Hänneschen-Mini-ZochLiebevoller Rosenmontagszug mit viel Lokalkolorit

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Altstadtkulisse, Stockpuppen und bissige Motivwagen – der Kölner Rosenmontagszug 2021. 

Köln – Auf den karnevalistischen Seitenhieb in Richtung Landeshauptstadt wollten sie dann doch nicht verzichten. „Wir schalten jetzt nach Düsseldorf“, verkündet Moderator Guido Cantz mit ernster Miene während des Miniatur-Rosenmontagszugs aus Köln. Dann ist eine Westernkulisse zu sehen, im Hintergrund der Düsseldorfer Fernsehturm, dazu erklingt die Melodie des Klassikers „Spiel mir das Lied vom Tod“.

Auf der staubigen Straße, über die natürlich vertrocknete Strohbüschel wehen, stehen zwei verlassene Kühe. „Luur ens, die Kö“, heißt es dann. Ob jetzt die Kühe gemeint sind oder doch die Königsallee – das ist Interpretationssache.

177 Puppen feiern Rosenmontag

Der Rosenmontagszug 2021 ist in Zusammenarbeit von Festkomitee und Hänneschen-Theater ein Puppenspiel geworden. Mit 177 liebevoll kostümierten Stockpuppen und 30 Wagen im Maßstab 1:3. Abzüglich des Vorgeplänkels dauert der reine Zug etwa eine Stunde, eröffnet von Zugleiter Holger Kirsch als Stockpuppe an der Severinstorburg. So wie immer. Die Kulisse des Puppentheaters ist für den Zug ins Karnevalsmuseum gewandert, wo für den Zug mit viel Liebe eine 32 Meter lange Bühne gebaut worden ist.

Alles zum Thema Karl Lauterbach

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Ordnung muss sein: Am Ende des Zugs sorgt die „Kehr Force One“ für Sauberkeit in der Stadt und beseitigt die Kamelle.

Die Details sind es, die diesen außergewöhnlichen Zug besonders machen. Die kölschen Urgesteine Willy Millowitsch und Trude Herr schauen sich das jecke Treiben als Engel im Himmel an – zwischendurch fliegen Kamelle vorbei, die ein sehr kräftiger Blauer Funk in die Luft gepfeffert hat. Die Augsburger Puppenkiste hat die original Lokomotive „Emma“ samt Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer nach Köln entsandt. Und – anders als sonst - rauschen die Motivwagen nicht einfach vorbei, sondern bleiben stehen und werden in vielen Details beleuchtet und erklärt. Sänger Xavier Naidoo und Kochbuch-Autor Attila Hildmann servieren „geistigen Dünndriss“. Das Flüchtlings-Desaster in Moria wird ebenso deutlich angeprangert.

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Nicht zum Hinschauen: Ein Clown ist Karneval durch das Coronavirus an die Kette gelegt. 

Wer die Holzfiguren des Hänneschen-Theaters sieht, ahnt: Die Kölner an sich sind nicht besonders hübsch, aber sie haben das Herz auf der Zunge. Aufgerissen sind die Augen, zerzaust die Haare. Heimliche Stars des Zugs sind ein paar aufgetakelte Nonnen am Wegesrand. Aus den Fenstern hängen Regenschirme, um die Kamelle zu fangen, auch eine Fahne „Kein Veedel für Rassismus“ ist zu sehen. Der Puppenzug versprüht sehr viel Lokalkolorit, ein verirrter Roter Funk ist Running-Gag und landet schließlich auf dem Wagen des Reiterkorps Jan von Werth.

Wie immer: Guido Cantz kommentiert das Geschehen

Wie beim echten Zug auch darf Guido Cantz aus einer Sprecherkabine heraus kommentieren, an seiner Seite sitzt Monika Salchert und hat es nicht leicht, dem abgedroschenen Klamauk des Moderators Gehaltvolles entgegen zu setzen. „Mache Leute haben so viel Klopapier gehamstert – die könnten nächstes Jahr als Mumie gehen“, witzelt Cantz. Lustig sind dagegen die Kommentare der Stockpuppen, da wird der Mundschutz zum „Schnüss-Jardinche“, Gesundheitsexperte Karl Lauterbach - von dem ebenfalls eine sehr echt wirkende Stockpuppe entstanden ist - wird als „ahle Quengelfott“ verunglimpft, weil er den Karneval sicherheitshalber gleich für die nächsten Jahre absagen möchte.

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Ein Traktor zieht den Fußballwagen, der Geißbock wird zum Geist, schließlich gibt es derzeit nur noch Geisterspiele. 

„In Deutschland gibt es ein kleines Städtchen am Rhein, da findet ein Rosenmontagszug statt“, begrüßt Cantz die Fernsehzuschauer im WDR. Den kölschen Sonderweg lässt sich das Festkomitee rund 200 000 Euro kosten, so teuer war die Produktion des Zugs. Der städtische Finanzausschuss hat 128 000 Euro beigesteuert. Im Rahmenprogramm spricht Ex-Prinz Wicky Junggeburth den Verantwortlichen „ein besonderes Kompliment für diese Idee“ aus.

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Die Persiflagewagen zeigen die von Ex-US-Präsident Donald Trump gespaltene Freiheitsstatue, die katholische Kirche, die ihre schwarzen Schafe weiß wäscht, die Virologen als medienaffine „Influenza“, die AfD als Mistfliege zwischen Pegida-Haufen und Querdenkern. Und den FC-Fan, der narkotisiert beim Geisterspiel auf dem Sofa wegdämmert.

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Mit dem Puppenzug schaffen es die Kölner Karnevalisten auch die die Nachrichtensendungen der öffentlich rechtlichen Sender. Um den Kölnern die Schlagzeilen und Bilder nicht allein zu überlassen,waren in Düsseldorf auf die Schnelle doch noch acht Mottowagen gebaut und durch die Stadt gezogen worden.

Also doch keine Totenstimmung in der Landeshauptstadt.

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