Kölner Serie „Fundstücke“Kölns erster Polizistenmord der Nachkriegszeit

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Ein wenig skurril wirkt die nachgestellte Szene aus dem Jahr 1972.

Ein wenig skurril wirkt die nachgestellte Szene aus dem Jahr 1972.

Dieses Bild könnte zu manch humoristischer Betrachtungsweise verleiten. Doch der Hintergrund des Schnappschusses aus dem Jahr 1972 eignet sich dafür überhaupt nicht. Das Foto zeigt nämlich Polizeibeamte, die einen Tathergang nachstellen, bei dem einer ihrer Kollegen ums Leben kam. Es geht um den ersten Polizistenmord in der Kölner Nachkriegsgeschichte.

Buchforst, 9. Februar 1972, am späten Abend vor Weiberfastnacht: „Das ist er“ , soll Polizeiobermeister Hans-Dieter Lange noch zu seinen Kollegen gesagt haben. Dann trat er an den Opel-Caravan heran, der mit hoher Geschwindigkeit über die Zoobrücke geschossen kam und nun an einer roten Ampel wartete. Als Lang bemerkt, die Fahrerin will wieder Gas geben, greift er durchs offene Fenster, um den Zündschlüssel zu ziehen. Da trifft ihn ein Schuss in die Brust. Der Wagen prescht davon. Noch auf dem Asphalt liegend stirbt Polizeiobermeister Hans-Dieter Lange. Seine letzen Worte: „Perücke, Perücke.“

„In der Aufzählung aller seit Kriegsende in Köln verübten Verbrechen fehlte lediglich ein einziges: der Mord an einem Polizeibeamten. Seit gestern Nacht gehört auch diese Straftat zur Kölner Kriminalität“, schrieb die Rundschau tags drauf.Was war geschehen?

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Lange fiel dem Verbrecher-Trio Hans Horst Schmitz, Heinz Bechtel und Josef Creutz in die Hände. Allesamt hatten sie bereits einiges auf dem Kerbholz. Schmitz galt nach damaligem Sprachgebrauch als „Gewohnheitsverbrecher“. In der Nacht zu Weiberfastnacht überfielen sie ein Radio- und Fernsehgeschäft in Nippes. Die Beute: Drei Tonbandgeräte im Wert von 5000 Mark. Dafür ein Mord?

Der Grund für den Schuss ist wohl eher in einer Aussage zu finden, die der Todesschütze Schmitz zuvor einem Bekannten gegenüber machte: Er werde nicht mehr ins Gefängnis gehen, sondern sich lieber den Weg frei schießen. Nicht mehr als 20 Stunden nach der Tat saß er dennoch wieder hinter Gittern.

Der Täter schlief vorm Fernseher

Es waren die letzten Worte Langes, die schnell zur Festnahme des Trios führte. Auch wenn Perücken zu Karneval nichts Besonderes sind, seine Kollegen verstanden Langes Hinweis: Bei der Fahrerin handelte es sich um einen „Transvestiten“ , wie es damals hieß. Das führte sie schnell auf die Spur von Heinz Bechtel, offenbar bekannt in der Szene. Wenig später wurde der Todesschütze Hans Horst Schmitz in seiner Wohnung im Fernsehsessel schlafend vorgefunden. Einen Pistolenhalfter umgeschnallt, in dem die Tatwaffe steckte.

Der Mord löste bundesweites Entsetzen aus. Über 3500 Trauergäste kamen zur Beerdigung Langes. Auf einem Spendenkonto für die Witwe und den dreijährigen Sohn gingen 34 000 Mark ein. Zum Prozess kam es rund ein Jahr nach der Tat. Es brauchte nur vier Verhandlungstage: Schmitz erhielt lebenslänglich mit anschließender Sicherheitsverwahrung, Bechtel drei Jahre und sechs Monate und Creutz zwei Jahre und sechs Monate. Die Komplizen sagten aus, von der Waffe nichts gewusst zu haben. Das Gericht glaubte ihnen. Ihre „milden Strafen“ lösten Entsetzen aus.

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Der Fall stieß eine Diskussion darüber an, ob die Polizei gegen zunehmende Gewalt gewappnet ist. „Wenn man durch das Präsidium am Waidmarkt geht, kommen Zweifel. Unterbesetzte Kommissariate und Beamte, die Lawinen von Überstunden vor sich her schieben“, kommentierte die Rundschau 1972. „Umdenken“ wird eingefordert.

Ein Zeitsprung. Das Jahr 2018. Die Gewerkschaft der Polizei schlägt Alarm. „Viele Kollegen können nicht mehr“, titelt die Rundschau. Die Rede ist von 1,2 Millionen Überstunden bei der Polizei in Köln und dem Umland.

Der Artikel erschien erstmals am 22. Juli 2022

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